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China: Trotz Wachstum bleiben grundlegende Probleme bestehen

Auch wenn das BIP-Wachstum von 4,9 % in China die Erwartungen übertraf, hat sich an den grundlegenden Problemen nichts geändert.

China-Flagge
China-Flagge. Foto: Patara-Freepik.com

Auch wenn das Wirtschaftswachstum von 4,9 % in China im dritten Quartal auf den ersten Blick die Erwartungen übertraf, zeigt sich bei genauerer Analyse, dass sich an den grundlegenden Problemen Chinas nichts geändert hat.

Keine weiteren Stimuli für China erwartet

Aus den relativ guten Zahlen für das dritte Quartal ergeben sich erst einmal zwei Konsequenzen: Erstens sollte das Jahresziel von etwa 5% für das offizielle BIP-Wachstum erreichbar sein, was den politischen Druck auf Zentral- und Kommunalregierungen mindert. Zweitens ist es jetzt weniger wahrscheinlich, dass die Regierung vor Jahresende einen größeren Konjunkturimpuls für China geben wird, wie es Zhiwei Zhang, Chefökonom bei Pinpoint Asset Management, formulierte: „Die Verbesserung der Wirtschaftsdaten im dritten Quartal macht es unwahrscheinlicher, dass die Regierung im vierten Quartal einen Konjunkturimpuls startet, da das Wachstumsziel von 5% voraussichtlich erreicht wird.“

Zweifel an den Daten

Aber wie immer stellt sich die Frage, wie zuverlässig die Zahlen eigentlich sind. Es gibt zwei Bereiche, die Fragen aufwerfen: Der Stromverbrauch und die Immobilienbranche. Laut den Daten des Nationalen Statistikbüros (NBS) kontrahierte der Wohnungsmarkt in China um 2,7 %. Vor dem Hintergrund, dass dieser Bereich in Bezug auf Investitionen, Verkäufe und Preise massiv schrumpft, erscheint der angegebene Wert des NBS erstaunlich niedrig. Die Investitionen sanken im dritten Quartal um 8,8%. Die Verkäufe von neu gebauten Immobilien sinken monatlich zweistellig. Daher erscheint eine Kontraktion von 2,7% erstaunlich wenig.

Beim Stromverbrauch ist die Sachlage komplizierter. Auf den ersten Blick scheint der Stromverbrauch in einem Maße zu wachsen, wie man es bei dem genannten Wirtschaftswachstum erwarten könnte. Bei genauerer Prüfung ergeben sich jedoch Merkwürdigkeiten. Die Nationale Energieverwaltung (NEA) nannte für September ein Wachstum des privaten Stromverbrauchs in China von 6,6% im Vergleich zum Vorjahr auf 103,5 TWh. Laut den Zahlen des Vorjahres betrug der Verbrauch für Privathaushalte jedoch 107,7 TWh. Demnach wäre der Stromverbrauch nicht gestiegen, sondern um 3,9% gesunken. Nun kann man sich aussuchen, welche Zahlen nicht stimmen: Hat die NEA die Zahlen des Vorjahres nach unten korrigiert, um trotzdem ein Wachstum auszuweisen, oder stimmen die Zahlen des Vorjahres nicht?

Als Nächstes bleibt zu hinterfragen, wie nachhaltig oder – um es in der Sprache der chinesischen Führung auszudrücken – welche Qualität das Wirtschaftswachstum hat. Xi Jinping selbst betont immer wieder, „Hochwertige Entwicklung (…) die allgemeine Anforderung für alle Bereiche der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung (ist).“

Der Privatsektor in China als Treiber für ein nachhaltiges Wachstum

Die Zahlen des NBS zeigen, dass das Wachstum in der Industrieproduktion hauptsächlich von staatlichen Unternehmen getrieben wird, nicht vom Privatsektor. Der Privatsektor in China ist jedoch traditionell der Teil, der besonders nachhaltig ist. Der chinesische Privatsektor wird oft anhand von vier Schlüsselzahlen beschrieben: 60/70/80/90. Private Unternehmen tragen in etwa 60% zum Bruttoinlandsprodukt Chinas bei, verantworten 70% seiner Innovationskraft, stellen 80% der städtischen Arbeitsplätze und schaffen 90% der neuen Arbeitsplätze. Entsprechend problematisch ist es, wenn private Unternehmen am Wirtschaftswachstum unterrepräsentiert sind.

Schuldengetriebenes Wachstum setzt sich fort

Vorausgesetzt, diese offiziellen Wachstumsdaten sind korrekt, wie viel davon war gesundes Wachstum und wie viel war ungesundes Wachstum? Oder anders ausgedrückt: Wie hoch ist der Anteil des schuldengetriebenen Wachstums? Als Proxy dient hier das Total Social Financing (TSF), also die Gesamtmenge an Finanzierungsaktivitäten, die in die Realwirtschaft fließen. TSF umfasst eine breite Palette von Finanzierungsquellen, darunter traditionelle Bankkredite, Schattenbankkredite, Unternehmensanleihen, Aktienemissionen und andere nicht traditionelle Finanzierungsquellen. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 stieg das TSF um 29,3 Billionen Yuan, was etwa 32% des BIP des Zeitraums entspricht. Damit treibt das TSF das BIP-Wachstum um etwa 5-6%.

Mit anderen Worten: Ohne die massive Verschuldung auf allen Ebenen läge das BIP-Wachstum in China im günstigsten Fall bei 0%. Das Wachstum ist also weder qualitativ hochwertig noch nachhaltig, und die Wirtschaft wächst nicht. So fällt das Fazit von Michael Pettis, Professor an der Beijing University, auch ernüchternd aus: „Aber solange es keine echte Einkommensumverteilung an Haushalte gibt, die den inländischen Konsum nachhaltig ankurbelt, und keine abnehmende Abhängigkeit von stark steigender Verschuldung, um das Wachstum aufrechtzuerhalten, bleiben Chinas strukturelle Probleme unverändert.“



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1 Kommentar

  1. Diese uniformierte Berichterstattung über Chinas Wirtschaft ist schon besorgniserregend. Egal was kommt, es wird schlecht geredet. Der Handelskrieg erfasst sämtliche Bereiche.

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