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China: Unternehmen fliehen aus dem Reich der Mitte

So erscheinen die Kosten einer Produktionsverlagerung unter Einbeziehung aller drei Faktoren (Verfügbarkeit junger Arbeitskräfte, Arbeitskosten und Strafzölle) als akzeptabel und sogar chinesische Unternehmen entscheiden sich daher für neue Standorte außerhalb Chinas. Dies gilt erst recht für Unternehmen aus zwei der größten Handelspartnerländer Chinas: Deutschland und Südkorea.

Auch die Verringerung der Abhängigkeit von der chinesischen Volkswirtschaft spielt dabei in Zeiten einer schwächelnden Wirtschaft im Reich der Mitte eine Rolle: Für 33 Länder ist das viertgrößte Land der Erde der wichtigste Absatzmarkt und für 66 Länder steht China als Importland an erster Stelle. Andere Binnenmärkte in Chinas Nachbarschaft entwickeln sich aber noch rasanter und dort heißt es nun Flagge zu zeigen – auch mit eigenen Standorten.

Die Entscheidung ist oft schon gefallen

Die deutsche Handelskammer hat in ihrer jüngsten Umfrage 2019-20 zu 526 in China tätigen deutschen Unternehmen festgestellt, dass 23 Prozent der Befragten bereits beschlossen haben, ihre Produktionsbasis zu verlagern, oder erwägen, dies zu tun.
Ein Drittel der befragten 104 Unternehmen antworteten, dass sie vorhaben, das Land vollständig zu verlassen. Die Umfrage ergab auch, dass die Mehrheit der deutschen Unternehmen angesichts der gestiegenen Arbeitskosten und des Handelskriegs weiterhin verhalten gegenüber den Geschäftsaussichten Chinas ist.

Südkoreas Unternehmensriesen, darunter Samsung Electronics, Hyundai Motor und Kia Motors, sind ebenfalls daran interessiert, ihr gesamtes Geschäft oder einen Teil davon aus China abzuziehen, um ihre übermäßige Abhängigkeit vom Festland zu verringern.
Dabei ziehen die Zulieferer der großen Produzenten gleich mit um und verstärken so den Trend.

Speziell Samsung war bei den Handelszöllen sehr stark von den Verkäufen von Smartphones in die USA betroffen und hat im Juni sein letztes chinesisches Mobilfunkwerk in Huizhou geschlossen, nachdem es bereits im vergangenen Jahr sein größeres Werk in Tianjin dichtgemacht hatte. Hyundai stellte im Mai vorübergehend den Betrieb in einem Produktionswerk in Peking ein, und seine Tochtergesellschaft Kia stellte im Juni dieses Jahres die Automobilproduktion in ihrem Werk in der Provinz Jiangsu ein.
LG Electronics verlegte die gesamte Produktion von Kühlschränken für die USA aus der Provinz Zhejiang nach Südkorea. Dieser Entscheidung folgten andere Hersteller.

Koreas führende Supermarktkettenbetreiber wie Lotte Mart und E-Mart verließen nach Jahren zunehmender Verluste ebenfalls den chinesischen Markt. Unternehmen aus anderen Industrieländern, darunter Frankreich und Japan, streben ebenfalls einen Ausstieg aus China an. Alternativ haben Unternehmen in den letzten Jahren die Produktion in Niedriglohnländern wie Vietnam, Indonesien, Bangladesch und Indien stark ausgeweitet. Samsung hat im vergangenen Jahr die weltweit größte Smartphone-Produktionsstätte in Neu-Delhi eröffnet. Im November dieses Jahres unterzeichnete Hyundai einen Vorvertrag über den Bau eines neuen Werks in Indonesien, wo das erste Automobilwerk in Südostasien entstehen soll.

Produktionsdrosselung in China statt Wegzug

Firmen, die sich nicht gleich komplett aus China zurückziehen wollen, weil sie dem Markt nach wie vor das mengenmäßig größte Wachstum in vielen Bereichen zutrauen, gehen den Weg des Kompromisses. Eine Reihe von Technologieunternehmen aus den USA, Deutschland und Japan sind bestrebt, die Produktion in China zunächst nur zu drosseln. Als Hauptgründe werden die aktuelle Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft und der anhaltende Handelsstreit zwischen den USA und China angeführt. Einige äußerten sich sogar besorgt über die Sicherheit der in China hergestellten Produkte. Die Geschäftserwartungen sind aufgrund des verschärften Wettbewerbs, der steigenden Arbeitskosten und anderer komplexer rechtlicher und steuerlicher Vorschriften sowie der als kurzfristig unlösbar empfundenen Zollproblematik auf das niedrigste Niveau seit Jahren gesunken.

Fazit und Ausblick

Die nach Kaufkraft größte Volkswirtschaft der Welt kämpft aktuell mit mehreren signifikanten Herausforderungen: dem Handelskrieg mit den USA, der Demografie, der zunehmenden staatlichen Kontrolle und Lenkung, der Überschuldung der staatseigenen Unternehmen, einer gigantischen Immobilienblase sowie der neuen Billigkonkurrenz in der Nachbarschaft.
China muss es gelingen, so schnell wie möglich die Handelsverflechtungen mit den USA zu lösen, sich in Zukunftsbranchen zu etablieren, die Binnenwirtschaft zu stärken und vor allem für ausländische Fachkräfte attraktiver zu werden. Andernfalls droht China ein ähnliches Schicksal wie Japan, dass sich zu lange abschottete und am Ende vergreiste, nebst Immobiliencrash. Denn nur eine wachsende Bevölkerung braucht immer mehr neuen Wohnraum.

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