China subventioniert plötzlich den Verbrenner, nicht das E-Auto. Was wie ein Förderfehler wirkt, offenbart tieferliegende Probleme im Konsum und in der Industriepolitik.
China subventioniert plötzlich den Verbrenner, nicht das E-Auto
Ein Paradox der Verkehrswende in China: Ausgerechnet der Verbrenner braucht nun staatliche Hilfe, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Mobilitätswende kehrt langsam die bisherige Entwicklung um. Mussten Elektroautos einst mit Preisnachlässen gefördert werden, sind es heute vor allem Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die besonders stark rabattiert werden – eine Entwicklung, die das bisherige Bild auf den Kopf stellt.
Rabatte retten Verbrenner, nicht E-Autos
Laut der monatlichen Analyse von Cui Dongshu, Generalsekretärs des chinesischen Automobilherstellerverband CPCA gewähren Hersteller und Händler auf Verbrenner durchschnittlich Preisnachlässe von rund 22 Prozent. Bei Fahrzeugen mit alternativen Antrieben liegen die Rabatte hingegen bei lediglich neun Prozent.
Cui Dongshu weist in seiner Analyse auf seinem privaten WeChat-Kanal auf die steuerliche Benachteiligung von Verbrennern hin. Er stellt fest: „Die Steuerlast für Verbrennerfahrzeuge ist hoch, der Druck ist groß“, und verweist gleichzeitig auf das starke Wachstum alternativer Antriebe, die von Steuerbefreiungen profitieren. Diese Aussage impliziert eine indirekte Kritik an der ungleichen steuerlichen Behandlung, die den Wettbewerbsnachteil von Verbrennern verschärft. Später schlägt Cui Dongshu vor, „diskriminierende Politik gegenüber Verbrennerfahrzeugen zu reduzieren“, um eine ausgeglichenere Marktentwicklung zu fördern.
Diese zwar vorsichtig formulierte Kritik ist interessant, denn damit stellt er sich als Vertreter eines der mächtigsten Autoverbände gegen die offizielle Politik, die einen massiven Ausbau der Elektromobilität fördert.
Staatliche Hilfe verlangsamt E-Auto-Boom
Beide Antriebsformen profitieren aktuell von der Umtauschprämie. Nach Berechnungen der CPCA werden mittlerweile 70 Prozent der privaten Autoverkäufe über diese Verschrottungsprämie abgewickelt. Laut Cui Dongshu bremst diese staatliche Unterstützung die Notwendigkeit, bei Verbrennern noch tiefere Rabatte zu gewähren. Gleichzeitig hemmt sie aber auch die Dynamik der Verkehrswende, da sie klassische Antriebe künstlich am Markt hält.
Im April übertrafen die Verkäufe von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zum ersten Mal in diesem Jahr die Zahl der verkauften Verbrenner. Letztere kamen nur noch auf einen Marktanteil von 49,2 Prozent. Reine Elektrofahrzeuge erreichten 31,4 Prozent. Verglichen mit dem Vorjahr stieg der Absatz von E-Autos um 38 Prozent. Dieser Trend gilt jedoch nicht für alle Hersteller. Tesla verzeichnete im April einen Rückgang der Verkäufe um neun Prozent. Die Hoffnungen auf einen neuen Aufschwung durch die überarbeitete Version des Model Y erfüllten sich nicht, der Handelskrieg bremst den Absatz.
Schwacher Konsum: Autoverkäufe durch Subventionen getrieben
Die Gesamtverkäufe auf dem chinesischen Automarkt zogen im April zum dritten Monat in Folge an. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ergab sich ein Plus von 14,5 Prozent. Die Zahl der verkauften Pkw lag bei 1,755 Millionen Einheiten. In den ersten vier Monaten des Jahres summierte sich der Absatz auf 6,872 Millionen Fahrzeuge, ein Anstieg von 7,9 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Diese Daten veröffentlichte die CPCA am Sonntag.
Trotz dieser beachtlichen Zahlen warnt Cui Dongshu vor einer allzu optimistischen Deutung. Die Nachfrage werde stark von staatlichen Subventionen angetrieben. Eine gesunde Konsumdynamik lasse sich daraus nicht ableiten. Diese Einschätzung beschränkt sich nicht auf die Automobilbranche. In weiteren Analysen hebt Cui Dongshu die Bedeutung des ländlichen Raums hervor und nennt Wanderarbeiter als Zielgruppe für den Fahrzeugverkauf. Doch bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von rund 5.000 Yuan, was etwa 660 Euro entspricht, bleibt deren finanzieller Spielraum begrenzt. Allein, dass Dui Dongshu die Wanderarbeiter, die die einkommensschwächste chinesische Einkommensgruppe ist, zeigt, wie dringend die Hersteller neue Käufer suchen, obwohl selbst in der Mittelklasse noch genügend potential ist. In China beträgt die Autodichte 322 Autos pro 1000 Einwohner. Dies unterstreicht die Konsumsschwäche.
Schwache Exporte, schwächere Verbrenner
Cui Dongshu‘s Einordnung erfolgt vor dem Hintergrund stagnierender Exporte. Zwischen Januar und April legte der Fahrzeugexport lediglich um ein Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Besonders deutlich zeigte sich der Rückgang bei benzinbetriebenen Autos, die nach Russland geliefert wurden. Von den insgesamt 1,55 Millionen exportierten Pkw entfielen 830.000 auf Verbrenner, ein Rückgang von 13 Prozent. Dagegen stieg die Zahl der exportierten Fahrzeuge mit alternativen Antrieben um 26,7 Prozent auf 590.000 Einheiten.
Hinzu kommt der wachsende internationale Widerstand gegen chinesische Überkapazitäten. Europäische Zölle und mögliche Mindestpreisregelungen erschweren den Zugang zu Auslandsmärkten. Chinesische Hersteller reagieren mit einem neuen Vorgehen. Sie verschiffen ihre Fahrzeuge in Einzelteilen und lassen sie in ausländischen Werken zusammensetzen. Dieses Verfahren, bekannt als CKD, soll die zunehmenden Handelsbarrieren umgehen.
Exporte stoßen an Grenzen – Muster gegen die chinesische Flut
Die staatlich finanzierte Verschrottungsprämie wirkt wie ein Bremsklotz, da sie vor allem jene Verbrenner stützt, die eigentlich aus dem Markt gedrängt werden sollen. Während Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zulegen, verliert der Verbrenner Marktanteile – nicht nur im Inland, sondern zunehmend auch im Export. Selbst dort, wo chinesische Hersteller bislang Rückhalt fanden, wie in Russland, bricht die Nachfrage ein.
Ein Lehrbuchfall zeichnet sich ab, in dem eine Revolution beginnt, ihre eigenen Kinder zu fressen. Tesla galt lange als Leuchtturm der Elektromobilität, doch 2024 droht das „Nokia-Moment“. Der erhoffte Aufschwung nach dem Relaunch des Model Y bleibt aus, stattdessen brechen die Verkaufszahlen ein.
Gleichzeitig erreicht das Wachstumsmodell der chinesischen Autoindustrie seine natürlichen Grenzen. Neue Marken drängen auf einen Markt, dessen Kaufkraft begrenzt bleibt. Wanderarbeiter mit einem Durchschnittseinkommen von 660 Euro pro Monat sollen den Absatz retten, während gleichzeitig die Auslandsnachfrage stockt. Die Überproduktion lässt sich nicht mehr wie früher einfach ins Ausland verschieben. Die Strategie, durch Exporte Überkapazitäten auszugleichen, gerät ins Wanken.
Hinzu kommt: Die Autoverkäufe spiegeln den Zustand der Binnenwirtschaft wider. Der Konsum ist nicht organisch, sondern durch Rabatte und Förderungen verzerrt. In einem Land, das wirtschaftlich zunehmend auf Exporte angewiesen ist, ist das keine stabile Basis. Der Konflikt mit den USA zeigt, was auf dem Spiel steht. Sollte der wichtigste Absatzmarkt wegfallen, wird es eng. Auch Europa, Chinas zweitgrößter Markt, zieht die Reißleine. Wer seine Industrie schützen will, hat nun ein wirksames Mittel: Handelspolitik als Druckmittel gegen Überproduktion. China spürt diesen Druck bereits.
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Dieser KI Audi vom Aufmacher ist ja wild