China überrascht mit sinkenden Emissionen trotz starkem Wachstum der Wirtschaft. Was hinter dem CO₂-Rückgang steckt – und warum Klimaschutz dabei nicht an erster Stelle steht.
China zieht Klimakarte: CO₂ sinkt, Wirtschaft wächst
Obwohl China im letzten Jahr nominal um 5,0 % und im ersten Quartal 2025 um 5,4 % gewachsen ist, zeigen die neuesten Daten, dass der CO₂-Ausstoß seit März letzten Jahres ein Plateau bildet und in der gleitenden 12-Monatsbetrachtung leicht gefallen ist. Treiber dieser Entwicklung sind einerseits die Wende in der Energie- und Mobilitätspolitik und zum anderen die anhaltende wirtschaftliche Schwäche.
Abbildung 1: Chinas CO₂-Emissionen fallen zum ersten Mal wegen sauberer Energie. Quelle: CarbonBrief
Wie Berechnungen des Center for Research on Energy and Clean Air fielen die CO₂-Emissionen um ca. 1% während des letzten Jahres. Anders als frühere Rückgänge, etwa während der Null-Covid-Politik, hängt dieser Rückgang nicht mit einem wirtschaftlichen Stillstand zusammen, was auf eine Kombination aus technologischen Fortschritten und einer veränderten Nachfrage in energieintensiven Sektoren hindeutet.
Abbildung 2: Fallende CO₂-Emissionen durch sauberer Energie wiegen steigenden Ausstöße in anderen Sektoren auf. Quelle: CarbonBrief
Stromsektor kippt: China baut fossile Energie ab
Entscheidend für den Rückgang der CO₂-Emissionen ist der Wandel in der Stromerzeugung. Obwohl sowohl die Stromnachfrage als auch die Stromerzeugung gestiegen sind, sank der CO₂-Ausstoß des Stromsektors um rund 43 %. China hat den Ausbau von Wind- und Solarkraft massiv vorangetrieben: 2024 machten Erneuerbare 88 % des Zubaus an neuer Kraftwerkskapazität aus, während fossile Kraftwerke, hauptsächlich Kohle, nur 11 % und Kernkraft 1 % beitrugen. In den ersten zwei Monaten 2025 stieg der Anteil der Erneuerbaren sogar auf 93 %, der Rest entfiel auf thermische Kraftwerke.
Abbildung 3: Anteil verschiedener Energieträger bei neuen Kraftwerken. Quelle: Ember
Erstmals übertraf die Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen das Wachstum der gesamten Stromnachfrage, wodurch die Kohleverstromung absolut um 2 % zurückging. Auch die Stromerzeugung aus Gas sank, während Kohlekraftwerke eine leichte Effizienzsteigerung verzeichneten. Moderne, effizientere Kohlekraftwerke ersetzen ältere Anlagen, produzieren aber insgesamt weniger Strom. Die Lücken werden zunehmend durch Wind- und Solarenergie geschlossen, sodass Gas- und andere fossile Kraftwerke immer seltener benötigt werden. Der Kapazitätsfaktor von Gas- und anderen fossilen Kraftwerken ist gesunken, was ihren Rückgang zusätzlich beschleunigt. Die Kernkraft wuchs zwar absolut, doch ihr gestiegener Anteil an der Stromerzeugung ist weniger Ausdruck einer tatsächlichen Zunahme ihrer Bedeutung, sondern vielmehr Resultat des Rückgangs fossiler Brennstoffe.
Abbildung 4: Gleitender 12-Monats-Anteil verschiedener Energieträger bei der Stromerzeugung. Quelle: Ember
Allerdings steigt die Stromerzeugung deutlich schneller als die Nachfrage, was mehrere Gründe hat. Ein zentrales Problem bleibt die sogenannte „curtailed energy“: 2024 betrug der Anteil ungenutzter Wind- und Solarenergie 3,6 % bzw. 2,8 %, deutlich mehr als 2023. Dies liegt vor allem daran, dass der Ausbau des Stromnetzes mit der rasanten Zunahme erneuerbarer Kapazitäten nicht Schritt hält. Ein Großteil des Stroms aus Wind- und Solaranlagen wird in abgelegenen Regionen wie dem Nordwesten Chinas erzeugt, weit entfernt von den Verbrauchszentren im Osten und Süden. Die Übertragungsinfrastruktur ist oft überlastet oder fehlt, was die Integration erneuerbarer Energien erschwert. Zudem spielt die Nutzung von überschüssigem Strom für Prozesse wie Power-to-Hydrogen eine wachsende Rolle, etwa für die Produktion von grünem Wasserstoff, die jedoch noch in den Anfängen steckt.
Ein weiterer Faktor ist die sogenannte Scheinproduktion: Manche Betreiber erzeugen Strom, um staatliche Förderungen zu kassieren, ohne dass dieser tatsächlich ins Netz eingespeist oder genutzt wird. Diese strukturellen Herausforderungen zeigen, dass der Übergang zu einer klimafreundlichen Stromversorgung nicht nur von Kapazitätsausbau, sondern auch von Netzmodernisierung und effizienter Nutzung abhängt.
Mobilitätswende senkt CO₂-Ausstoß in China
Ein weiterer Baustein bei der Reduktion des CO₂-Ausstoßes ist die Mobilitätswende. Obwohl der private Fahrzeugbestand weiter wächst, sinkt der Kraftstoffverbrauch im Verkehrssektor. Dies liegt zum einen daran, dass mittlerweile rund 50 % der verkauften Pkw mit alternativen Antrieben – vor allem Elektrofahrzeugen (EVs) und Plug-in-Hybriden – ausgestattet sind. Die Zahl der Ladestationen wuchs 2024 um 20 % auf 12,8 Millionen, und der Stromverbrauch für EVs stieg um 51 %, was zeigt, dass diese Fahrzeuge zunehmend elektrisch genutzt werden. Zum anderen trägt der Schwerlastverkehr zur Emissionsminderung bei: Der Umstieg von Diesel auf Flüssigerdgas (LNG) hat den Dieselverbrauch 2024 um 3,9 % gesenkt. LNG, obwohl immer noch ein fossiler Brennstoff, verursacht weniger CO₂-Emissionen pro Energieeinheit als Diesel. Allerdings bleibt die Produktion von Batterien und die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge emissionsintensiv, was etwa 3,5 % der gesamten CO₂-Emissionen Chinas 2024 ausmachte. Die Kombination aus Elektrifizierung des Pkw-Verkehrs und der Umstellung im Schwerlastverkehr zeigt, dass die Mobilitätswende einen wichtigen Beitrag zur CO₂-Reduktion leistet, aber noch nicht emissionsfrei ist.
Weniger bauen, weniger kaufen – weniger CO₂
Neben diesen strukturellen Veränderungen spielt die wirtschaftliche Schwäche eine zentrale Rolle beim Rückgang der CO₂-Emissionen. Der Bausektor ist einer der größten CO₂-Treiber. Insbesondere die Zementproduktion ist ein großer Emittent von CO₂. Durch die Krise im Immobiliensektor wird weniger Zement benötigt. Seit 2021 sind die Prozessemissionen der Zementproduktion um 27 % gesunken. Im ersten Quartal 2025 fiel die Zementproduktion um 1,4 %, ein langsamerer Rückgang als in den Vorjahren, was auf milderes Wetter und eine frühere Bausaison hindeutet. Dennoch bleibt die Nachfrage nach Zement durch die anhaltende Schwäche im Bausektor gedämpft, was die Emissionen weiter senkt.
Ein wahrscheinlich zu wenig beachteter Punkt ist der Einfluss des weiterhin schwachen Konsums und die Auswirkungen des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds. Die Unsicherheit führt zu zurückhaltendem Konsumverhalten, was sich konkret in geringerer Nachfrage nach Lebensmitteln, Kleidung und Konsumgütern zeigt. Besonders deutlich wird dies im Einzelhandel, dessen Umsätze spürbar hinter dem offiziell ausgewiesenen BIP-Wachstum zurückbleiben.
Ein weiteres Indiz ist die sinkende Mobilität, insbesondere in den wirtschaftlichen Zentren wie dem Jangtse-Delta, dem Großraum Peking/Tianjin und der südchinesischen Provinz Guangdong mit den wichtigen Produktionszentren Guangzhou und Shenzhen. Im ersten Quartal 2025 wurden in 36 Großstädten rund 2,53 Milliarden Fahrten im Nahverkehr gezählt, ein Anstieg von lediglich einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie Zahlen des Verkehrsministeriums zeigen. Bus- und Taxifahrten gingen sogar zurück, während der städtische Schienenverkehr leicht zulegte. Das Bild ist klar: Die Menschen bewegen sich weniger im Alltag, was auf eine gedämpfte Konsumstimmung und eine insgesamt verhaltene Binnenwirtschaft hinweist.
Auch das Freizeitverhalten verändert sich. Zwar nimmt der Tourismus in klassischen Reisezeiträumen wie dem Frühlingsfest, Qingming, den Maifeiertagen oder der Goldenen Woche zahlenmäßig zu, doch die Ausgaben pro Person sinken. Viele Chinesinnen und Chinesen reisen weiterhin, aber sie geben weniger Geld aus. Zudem wählen sie kürzere Strecken, günstigere Unterkünfte und weniger konsumintensive Ziele. Die Bahn verzeichnet zwar mehr Passagiere, doch die durchschnittlich zurückgelegten Distanzen werden kürzer. Flüge legen leicht zu, vor allem getragen von wohlhabenderen Haushalten.
Diese Entwicklungen zeigen, dass sich die Prioritäten verschieben. Immer mehr Menschen entscheiden sich für Roadtrips statt Inlandsflüge, Naturerlebnisse statt Shoppingtouren, Entspannung statt touristischer To-do-Listen. Selbst in einem Jahr mit Rekordzahlen bei Inlandsreisen bleibt die durchschnittliche Ausgabenhöhe unter dem Niveau von 2019 – und das trotz Preissteigerungen. Die Bereitschaft zu konsumieren ist da, aber sie ist selektiver geworden.
Diese veränderten Muster schlagen sich nicht nur in Wirtschaftsstatistiken nieder. Sie wirken auch auf den Energieverbrauch und dämpfen, zumindest vorübergehend, die CO₂-Emissionen. Nicht, weil Emissionen gezielt gesenkt würden, sondern weil die ökonomischen Spielräume enger geworden sind.
Energiesicherheit wichtiger als Klimaziele
Die Dekarbonisierung ist für die chinesische Führung kein primäres Ziel. Wichtiger ist die Unabhängigkeit von ausländischen fossilen Brennstoffen bis 2030, um die Energiesicherheit zu stärken. Gleichzeitig nutzt China seit dem Rückzug der Trump-Regierung aus dem Pariser Abkommen die Klimapolitik strategisch, um sich als Gegengewicht zu den USA zu positionieren, insbesondere im globalen Süden und gegenüber anderen Industrienationen. Der Handelsstreit mit den USA dämpft kurzfristig den CO₂-Ausstoß, da die Exportnachfrage sinkt. Langfristig wird China jedoch den Binnenkonsum ankurbeln müssen, was die Emissionen wieder steigern könnte. Das aktuelle Plateau der CO₂-Emissionen ist daher kein Beweis für einen dauerhaften Peak. Ob die Emissionen tatsächlich zurückgehen, hängt von der Balance zwischen wirtschaftlicher Erholung und konsequenter Klimapolitik ab.
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Oh Gott, @Helmu5,
Was ist das? Die 2. größte Weltwirtschaft setzt voll auf Flatterstrom.Und trotz der vielen Kohlekraftwerke, die die Chinesen angeblich bauen, geht die Stromerzeugung durch Kohle absolut gesehen runter. Und auch Atomstrom wächst kaum. Wie kann das denn sein? Haben die etwa nicht auf den großen Experten Helmut gehört?
Man merkt das bei den Chinesen Leute die Entscheidungen treffen die keine Lobbyisten sind, sondern rechnen können und Physik verstehen.
Na dann ist ja alles gut. Und wenn China aus 5 % Rezession raus kommt und die Produktion wieder anspringt haben die bestimmt auch wieder grünen Stahl.
Supi , ist der nächste Ökovorzeigestaat.Wie Deutschland ,und alle werden folgen.
Sie…………………………………………………….
P.S:
Fazit
Karl Marxs Vorhersagen über den Kapitalismus sind immer wieder gescheitert. Statt der Verarmung hat der Kapitalismus den Lebensstandard erhöht. Statt der Zerstörung von Arbeitsplätzen hat die Technologie neue Branchen und Chancen geschaffen. Statt des wirtschaftlichen Zusammenbruchs aufgrund der Überproduktion hat der Welthandel floriert. Statt Eroberung hat der Kapitalismus die wirtschaftliche Expansion durch freiwilligen Austausch gefördert. Und statt der monopolistischen Stagnation treiben Wettbewerb und Innovation trotz des Eingreifens der politischen Staaten weiterhin den wirtschaftlichen Fortschritt voran.
Die Wirtschaftsprognosen von Marx waren nicht nur falsch, sondern grundsätzlich fehlerhaft. Der Kapitalismus hat trotz seiner Unvollkommenheiten die Vision von Marx durch Wohlstand in einem beispiellosen Ausmaß übertroffen.
@Klempner
na, dann haben die Chinesen ja Glück, dass China kein Marxismus hat
@marl karx, so isses, die haben die Farm der Tiere in Reinstform.