China ist im Israel-Iran-Konflikt eher Zuschauer als aktiver Teilnehmer. Der Konflikt schwächt Chinas globale Ambitionen, während es regional versucht, seinen Einfluss auszuweiten. Das Eingreifen Trumps im Iran zwingt Peking, zentrale Axiome seiner Strategie neu zu bewerten. Energieversorgung, diplomatische Netzwerke und geopolitische Manöver geraten unter Druck. Chinas stille Strategie im Israel-Iran-Konflikt bringt kurzfristige Gewinne – doch der Preis dafür ist hoch. Öl, Diplomatie und Weltmachtstatus geraten ins Wanken.
China und Iran: Vier-Punkte-Plan der leeren Worte
Am Donnerstag sprach Generalsekretär Xi Jinping mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Xi forderte eine Deeskalation und präsentierte einen Vier-Punkte-Plan. Dieser umfasst die Einstellung der Feindseligkeiten, den Schutz von Zivilisten, die Wiederaufnahme diplomatischer Gespräche und eine stärkere Zusammenarbeit mit dem UN-Sicherheitsrat. Seine Worte klangen gemäßigt. Anders als Außenminister Wang Yi, der Israels Angriffe zuvor als Verstoß gegen internationales Recht verurteilt hatte, vermied Xi direkte Schuldzuweisungen. Stattdessen sprach er von einer „neuen Phase der Turbulenzen und Transformation“.
Diese Zurückhaltung deutet darauf hin, dass China seine Optionen offen hält. Doch die Initiative blieb weltweit weitgehend unbeachtet, wie sie auch kaum Aussicht auf Erfolg hat. China und Russland gelten als enge Partner Irans, was ihre Rolle als neutrale Vermittler untergräbt. Seit der russischen Invasion in der Ukraine hat Chinas Ansehen als diplomatischer Brückenbauer gelitten. Viele hatten gehofft, Peking könnte zwischen Konfliktparteien vermitteln, doch abgesehen von einem schwachen Friedensvorschlag blieb Chinas Einfluss begrenzt.
Chinas diplomatische Zurückhaltung täuscht über eine harte Realität hinweg. Hinter der diplomatischen Fassade liegt Chinas Abhängigkeit von der Region offen. Über 43 Prozent des importierten Öls stammen aus dem Nahen Osten. Iran liefert einen erheblichen Anteil, oft zu stark reduzierten Preisen. Etwa 1,7 Millionen Barrel pro Tag fließen in chinesische Raffinerien, vor allem in die Provinz Shandong. Ein israelischer Angriff auf iranische Öl-Infrastruktur würde Chinas Energieversorgung sofort spürbar treffen. Dazu kommt das Malakka-Problem. Der Großteil des Öls erreicht China über enge Seewege, die leicht blockiert werden. Trotz Investitionen in alternative Energien bleibt Peking auf Nahost-Öl angewiesen.
Südchinesisches Meer: Expansion im Schatten des Kriegs
China profitiert gezielt vom Konflikt. Die USA verlagern ihre militärischen Ressourcen in den Nahen Osten, wodurch ihre Präsenz im Indo-Pazifik schrumpft. Dies verschafft Peking mehr Spielraum, um seine aggressive Expansion im Südchinesischen Meer voranzutreiben und Druck auf Taiwan auszuüben. China nutzt diese Schwäche, um maritime Ansprüche durchzusetzen und seine militärische Bereitschaft für einen möglichen Taiwan-Konflikt zu stärken. Die weltweite Aufmerksamkeit für den Nahen Osten lenkt zudem von diesen Konfliktherden ab, was Peking ein noch schärferes Vorgehen erlaubt.
Gleichzeitig versucht China, das Ansehen der USA, vor allem im globalen Süden, gezielt zu unterminieren, indem es deren Unterstützung für Israels Gaza-Krieg als moralisches Versagen brandmarkt. Peking stilisiert sich als neutraler Akteur, der Konflikte meidet. Staatliche Medien schüren diesen Eindruck, indem sie die USA als überfordert und heuchlerisch anprangern. Wirtschaftlich sichert sich Peking klare Vorteile. Während die USA und Großbritannien im Roten Meer militärische Operationen gegen Huthi-Angriffe führen, hat China durch stillschweigende Absprachen mit den Huthis freie Schiffspassage erreicht. Dies spart Kosten und zeigt, wie Peking die Unsicherheit anderer ausnutzt, ohne selbst Risiken einzugehen.
Chinas Beziehung zu Iran hat sich in den letzten Jahren gezielt vertieft. Neben Öl-Käufen exportiert Peking Waffen und Dual-Use-Güter nach Teheran. Gemeinsame Militärübungen mit Russland und Iran, wie „Maritime Security Belt“, unterstreichen diese Partnerschaft.
China liefert Waffen verdeckt in den Iran?
Daher überraschten Meldungen kaum, wonach chinesische Frachtflugzeuge in den Iran unterwegs gewesen seien. Zwischen dem 14. und 16. Juni 2025 verschwanden drei Flugzeuge nahe dem Iran von den Radarschirmen. Flugdaten und Satellitenbilder nährten Spekulationen, Peking liefere Waffen, um den Konflikt mit Israel anzuheizen. Die Vermutung wirkte plausibel, angesichts Chinas enger Bindung an Iran und früherer verdeckter Unterstützung für Russland. Doch eine genauere Prüfung zeigte, dass die Flugzeuge regulären Handelsrouten nach Europa folgten. Die Gerüchte entstanden aus einer Mischung iranischer Propaganda, Nutzern in sozialen Medien, die Flugverfolgungsdaten missverstanden, und ungenauem Journalismus.
Chinas einziger aktiver Eingriff war die Evakuierung von über 1600 Bürgern aus dem Iran und mehreren Hundert aus Israel. Darüber hinaus bleibt Pekings Einfluss begrenzt. Der UN-Sicherheitsrat, den Xi stärker einbinden will, bleibt gespalten. Direkte militärische oder diplomatische Interventionen liegen außerhalb Chinas Reichweite. Stattdessen setzt Peking auf indirekte Vorteile. Der Konflikt bindet die USA, schwächt deren globale Führungsrolle und verschafft China Zeit, seine Position in Eurasien auszubauen. Langfristig stellt Peking die USA als unzuverlässigen Akteur dar, während es sich selbst als pragmatische Alternative positioniert.
Pekings Illusion globaler Stärke bröckelt
Der israelische Angriff auf den Iran verändert Chinas strategische Lage grundlegend. Peking droht, mit Iran einen weiteren Verbündeten zu verlieren oder zumindest einen stark geschwächten Partner zu sehen. Israels gezielte Schläge gegen Revolutionsgarden, Geheimdienst und Teherans Polizeizentrale bedrohen das Regime. Ein Kollaps würde Chinas Einfluss im Nahen Osten und den Zugang zu günstigem Öl empfindlich treffen.
Gleichzeitig erschüttert die US-Unterstützung für Israel eine zentrale Annahme Chinas: dass Trump militärische Konfrontationen meidet. Diese Fehleinschätzung gefährdet Pekings Strategie im Südchinesischen Meer, wo es die Ablenkung der USA nutzt, um maritime Ansprüche auszubauen. Bislang setzte China auf eine geschwächte US-Präsenz und gespaltene westliche Allianzen unter Trump. Doch seine Unberechenbarkeit – etwa durch mögliche Marineoperationen oder Sanktionen – zwingt Peking, seine Pläne neu zu kalibrieren. Chinas unflexible Führung, geprägt von bürokratischer Starrheit, stößt hier an ihre Grenzen. Gleichwohl nutzt derzeit hier China seine Chance und schafft neue Fakten.
Im Taiwan-Konflikt zeigt sich ein ähnliches Muster. Kurzfristig lenkt der Nahost-Konflikt die Aufmerksamkeit von der Insel ab, doch langfristig stärkt dies eher Taiwans Position. Trumps Bereitschaft, Waffenlieferungen auszuweiten oder provokative Schritte zu unterstützen, macht klar, dass China dort keine freie Hand hat. Pekings aggressive Manöver, wie verstärkte Luftraumverletzungen, könnten eine unvorhergesehene US-Reaktion auslösen, für die China kaum gerüstet ist.
Diplomatie bleibt Chinas Schwachstelle. Xis Vier-Punkte-Plan, nur mit Putin besprochen, ist wirkungslos und unterstreicht Pekings Isolation. Die Achse Peking-Teheran-Moskau – eine „Allianz der Verlierer“ mit einem geschwächten Russland, angeschlagenen Huthis und einer bedrohten Hamas – bröckelt. China stilisiert sich als Sprachrohr des globalen Südens, doch seine pragmatische Politik verhindert echte Bündnisse. Kulturelle Gemeinsamkeiten, wie sie die NATO durch ein gemeinsames Erbe des anglo-amerikanischen und europäischen Raums zusammenschweißen, fehlen China völlig. Russland, Iran oder Nordkorea verbindet mit Peking nur Interessen, keine Loyalität. Diese Isolation, gepaart mit wachsender Abneigung schwächt seine Rolle als Weltmacht.
Wirtschaftlich bleiben die Folgen überschaubar. Chinas Öl-Hunger hat seinen Zenit erreicht. Ein Ausfall Irans als Lieferant, würde die Preise treiben, aber nicht die Versorgung stoppen. Peking hat seine Abhängigkeit von Russland bereits reduziert und diversifiziert seine Öl-Käufe. Höhere Kosten sind ein Ärgernis, kein Desaster. Dennoch bleibt China ein Zuschauer mit Sympathien für Iran, aber ohne die Bereitschaft, sich voll zu engagieren. Sein Pragmatismus erlaubt Flexibilität im Ölhandel, doch er verhindert tiefe Bindungen, die in einer multipolaren Welt entscheidend sind. Während der Westen durch kulturelle und emotionale Loyalität Krisen übersteht, bleibt China auf sich gestellt.
Langfristig überwiegen die Risiken. Ein geschwächter Iran, eine fragile Achse und Trumps Unberechenbarkeit setzen Peking unter Druck. Im Südchinesischen Meer schafft China zwar Fakten, doch eine US-Reaktion stellt diese Gewinne in Frage. Die fehlende Soft Power und die kulturelle Isolation machen China in einer Welt, in der Allianzen zählen, verwundbar. Peking agiert wie ein opportunistischer Beobachter, der kurzfristig punktet, aber strategisch an Boden verliert.
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Das OPEC+- und BRICS-Mitgliedsland Russische Föderation bekommt vom OPEC+- und BRICS-Mitgliedsland Islamische Republik Iran Tipps zur Umgehung des bestehenden russischen Öl-Embargos. Jüngst war der stellvertretende chinesische Premierminister Din Xuesian bei Staatspräsident Dr. Wladimir Putin zu Gast. Bei letzterem gab es für das G20- und BRICS-Mitgliedsland Volksrepublik China sicherlich Möglichkeiten, in Erfahrung zu bringen, wie die bestehenden Ölsanktionen des 47. US-Präsidenten Donald John Trump gegen den Iran umgangen werden können, mit dem Ziel, daß China vom Iran entsprechend günstiges Öl kaufen kann.
Dem FMW-Leser @Holger Voss scheint nicht bemerkt zu haben, dass China schon jetzt der Hauptabnehmer iranischen Öls ist…
An FMW-Nutzer Ölhändler: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.