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Chinas Leidensfähigkeit im Handelsstreit – dafür gibt es Grenzen

Über die Schwachstellen der beiden Supermächte im Handelskrieg - im Fokus China

Hatte Chinas Regierungschef Xi Jinping nicht erst jüngst sein Volk auf eine magere, entbehrungsreiche Periode hingewiesen? Die Ursachen dafür reichen schon etwas zurück und werden durch den Handelsstreit massiv verstärkt.

 

Chinas Achillesferse: der Arbeitsmarkt

Es ist wahrscheinlich die unzuverlässigste Wirtschaftszahl aus den entwickelten Staaten, Chinas Arbeitslosenstatistik. In den Jahren 2002 bis 2018 stieg diese Zahl nie über 4,3 Prozent und fiel nie unter 3,9 Prozent, einer Marke, die auch derzeit „offiziell“ Bestand hat. Trotz Finanzkrise 2008 und Chinas Wachstumsproblem 2015/2016.

Kann man diesem Wirtschaftsmärchen auch nur im Ansatz trauen? Daraus erschließt sich die große Sorge, die Chinas Regierung am meisten umtreibt, der Angst vor einen Einbruch auf dem Arbeitsmarkt. Ich habe in unserem freundlichen Streitgespräch zwischen Markus Fugmann und mir am letzen Mittwoch darauf hingewiesen, welch sozialer Sprengstoff hinter der Thematik steckt angesichts von weit über 100 Millionen Wanderarbeitern in China, die versorgt werden müssen. Dazu ein paar Argumente.

 

Chinas Zählweise der Arbeitslosigkeit

Ein Grund für die seltsamen Arbeitslosenzahlen liegt wohl in der Erfassung. Nach dem chinesischen Einwohnermeldesystem (Hukou) werden Stadtbewohner als Arbeiter registriert und die Landbevölkerung als Bauern. Damit werden die Hunderte Millionen Wanderarbeiter von der Statistik nicht richtig verbucht, wenn sie ihre Heimat verlassen, um in einer Fabrik zu arbeiten.

 

Chinas Sozialsysteme

Da man in China sehr geringe Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlt – in Peking sind es gerade mal 0,2% vom Salär, 0,8% zahlt der Arbeitgeber – melden sich viele Menschen nach einem Jobverlust nicht arbeitslos, weil es eben kaum etwas bringt. Aus anderen Statistiken (Volksuniversität Peking) ergeben sich bedenkliche Entwicklungen. Im ganzen Land sind die Jobangebote um 10 Prozent gesunken, während die Nachfrage um 8 Prozent gestiegen ist. Allein in Peking ist die Zahl der Arbeitssuchenden im letzten Quartal 2018 um 47 Prozent gegenüber dem Vorquartal gestiegen und dies war noch deutlich vor der weiteren Verschärfung der Zölle durch Donald Trump.

Zwar unterstützt der Staat seine Firmen und fordert zu Einstellungen auf, jedoch beträgt der Anteil der Privatfirmen bereits 85 Prozent. China steckt im größten Strukturwandel seit Jahrzehnten – dem Wandel von der Produktionsstätte für die Welt hin zu einem Hightech-Land mit Dienstleistungssektor.

 

Ein weiteres Problem – Industrieroboter

Auch in China schreitet die Automatisierung voran. Nach offiziellen chinesischen Angaben ist die Zahl der Industriearbeiter von 2012 bis 2017 um 60 Millionen zurückgegangen, den Ausgleich bildeten die Jobs im Dienstleistungsbereich. Aktuell sehr interessant auch die Absicht des Endfertigers von Apples iPones, Foxconn, 30 Prozent seiner Arbeiter durch Roboter zu ersetzen.

Aus all den angeführten Argumenten wird deutlich, warum Xi Jinping seine Landsleute auf härtere Zeiten eingeschworen hat, auch unabhängig vom Handelsstreit. Er vertraut auf die Leidensfähigkeit seiner Bürger, aber bei massiven Jobverlusten, ohne Auffangsystem, dürfte diese rasch an ihre Grenzen geraten. Die berüchtigten sozialen Unruhen. Auch wenn Xi Jinping auf Lebenszeit gewählt wurde, hat er keine Allmacht und eine Rezession würde ein soziales Problem ungeahnten Ausmaßes generieren.

 

Fazit

Es ist zweifelsohne ein Kampf der Giganten, der Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China. Und derzeit ist nicht absehbar, wer ab welchem Punkt einlenken wird, um einen gesichtswahrenden Kompromiss zu erzielen.

Es gibt aber zwei Schwachstellen, die von keiner Regierung ignoriert werden kann. In den USA ist es der Aktienmarkt, über den ich schon mehrere Kommentare verfasst habe „Das Billionen-Dollar-Risiko…“ und für China das oben skizzierte Beschäftigungsproblem. Mal sehen, wen es härter trifft und wer eher einlenkt. Auf eines möchte ich aber fast schon wetten: Donald Trump wird bei einem Aktieneinbruch in der Größenordnung von 10 Prozent plus ganz schön kleinlaut werden. Nur vertrauen die Märkte bisher immer noch auf den wirtschaftlichen Status der Supermacht – bald tempi passati?

 

Von Kzw – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8937812



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4 Kommentare

  1. Wenn wir den Handelskrieg als ein Gefecht innerhalb eines langfristigen Kampfes der beiden Schwergewichte begreifen, sollten wir auch einen Blick in die ferne Zukunft werfen. Denn relativ unabhängig vom Ergebnis des Handelsrkieges wird Chinas Wirtschaft tendenziell weiter wachsen und vermutlich auch schneller als die Wirtschaften des Westens. Angesichts einer viermal größeren Einwohnerzahl als die USA ist damit also absehbar, wann China die USA als größte Wirtschaftsmacht überholen wird. Noch etwas langfristiger allerdings spricht die Demografie eher gegen China. Bereits jetzt sinkt die Zahl der Chinesen im Erwerbsalter und dieser Trend wird sich beschleunigen, während die USA vergleichsweise jung bleiben werden.

  2. Wenn der Aktienmarkt um 10% einbricht. Dann sind das Fakenews.

  3. Aus viel Beitrage hier gab es schon viele Gründe für ein Einbruch der Bald bevor stehen soll.
    Sind die andere Gründe jetzt weg? Ist nur Handelsstreit alleine entscheidend für hop oder top?
    Aus meiner Sicht ist es ein weitere Faktor der kurzfristig sehr stark auswirken kann, aber auch ohne Handelsstreit sehe ich immer noch dunkle Wolken, vielleicht nur etwas langsamer.
    Nachher muss das Biest ein Namen haben, ok.
    Der „naturliche“ Zyklus in der Wirtschaft schreit auch nach Ende, vielleicht ist das der Ursache dafür, dass Trump so handelt. Er möchte koste was koste die nächste sichere Korrektur nicht in seinem ersten Amtzeit haben und glaubt die Hebel in der Hand zu haben das zu steuern.
    Wenn das stimmt, dass viele andere Ursachen auch ein Ende der Aufgang seit 2008 bewirken, wird Trump höchstens ein paar Tage auf dem Einbrechen Einfluss nehmen können. Und dabei die ganze Zeit für schädliche Hektik sorgen.
    Fazit: alle haben recht, nur nicht alle gleichzeitig und auf diesen Moment.
    Ich glaube am baldigen Platzen einiger Blasen, warum genau das passieren wird darf FMW später erklären.

    1. Wenn es nicht läuft, gibt es in den USA eine Welle an Beihilfen nach der anderen. Ein Teil der US Farmer Hilfen, dürfte jetzt sicher in die US High Tech Industrie fließen, um Probleme zu verdecken. Der schafft es auch, China links zu überholen, um seine Widerwahl Chancen im November 2020 zu wahren. Trump trifft mit seinen ständigen Zöllen Globalisierte Chinesische Konzerne, mit sicher sehr hohen Auslandskredite. Vermutlich dürften viele Auslandskredite nicht mehr wirklich bedient werden. Die Kredite dürften sicher in hohen Maße von Europäischen FED Primär Banken kommen, wo die Gesichter dank Trump von Tag zu Tag länger und länger werden.

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