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Christine Lagarde: Neuer Kurs bei der EZB?

Christine Lagarde ist bereits seit dem 1. November im Amt - und man rätselt dennoch, was die Ausrichtung Ihrer Zinspolitik betrifft

Christine Lagarde ist bereits seit dem 1. November im Amt – und man rätselt dennoch, was die Ausrichtung Ihrer Zinspolitik betrifft. Ist diese taubenhaft (dovish), weil sie die Nullzinspolitik von Vorgänger Mario Draghi in Statements verteidigt hat, oder doch ein wenig falkenhaft (hawkish), weil sie angekündigt hat, bei der künftigen Notenbankpolitik jeden Stein umdrehen zu wollen?

Die ersten Äußerungen von Christine Lagarde

Nach ihrer ersten Pressekonferenz anlässlich einer Notenbanksitzung wurde die französische Juristin von vielen Seiten gelobt. Sie zeigte sich nicht arrogant und bat darum in ihren Verlautbarungen nicht allzu wörtlich genommen zu werden. Hierfür müsste sie die Sprache der Notenbanker erst in Duktus und Semantik erlernen, wenn sie etwas nicht verstünde, würde sie es zugeben. Worte, die ein Mario Draghi niemals in den Mund genommen hätte. Man solle sie auch nicht als Taube oder Falke einstufen, sondern eher als Eule, mit dem Seitenhieb auf die Fähigkeit dieses Vogels auch bei sehr schlechten Bedingungen sehen zu können: Neue Vogelkunde in der Notenbank.

Anlässlich einer Feierstunde zur Verabschiedung ihres Landsmannes, Benoît Cœuré aus dem Direktorium der EZB, gab Christine Lagarde erstmals größere Hinweise zu ihrer Einstellung zu den bisherigen Maßnahmen der Notenbank. Sie verteidigte das berühmte Programm OMT (Outright Monetary Transactions oder vorbehaltlose geldpolitische Geschäfte), die ihr Vorgänger bei seiner berühmten Rede im Sommer 2012 angekündigt hatte – zur Rettung des Euros und zur Stabilisierung der Eurozone. Dieses Programm, welches bisher noch von keinem Mitgliedsstaat in Anspruch genommen wurde, erlaubt es der Zentralbank ohne Limit (im Normalfall auf 33 Prozent beschränkt) kurzfristige Staatsanleihen eines Landes aufzukaufen. Damals wurde durch diese bloße Ankündigung die Eurokrise schlagartig beendet – vor allem durch die psychologische Wirkung, die diese „Androhung“ für viele Spekulanten für Staatsanleihen und die Einheitswährung ausgelöst hat. Also doch ein Hinweis auf die taubenhafte Grundstruktur im Lagarde ˋschen Denken?

Was will die Christine Lagarde in ihrer langen Amtszeit ändern?

Geht es um die Neuausrichtung des Mandats der EZB im Hinblick auf das arg strapazierte Inflationsziel von zwei Prozent, welches Mario Draghi stets als Begründung für immer weitere geldpolitische Maßnahmen herangeführt hatte?

Welche weitere geldpolitischen Pfeile hat die Notenbank tatsächlich noch in ihrem Köcher? Gibt es eventuell Unterstützung seitens der EZB bei strukturellen Maßnahmen der Mitgliedsländer zur Bekämpfung des Klimawandels (Stichwort grüne Anleihen)? Wie begegnet man der Einführung digitaler Währungen oder den Herausforderungen des eingeschränkten Multilateralismus? Fragen über Fragen, auf die Christine Lagarde bald Antworten liefern muss. Vor allem aber auf die Thematik Negativzinsen, die bereits so große Nebenwirkungen im System der Marktwirtschaft hinterlassen hat. Die schwedische Notenbank (Reichsbank) hat erst kürzlich den Anfang gemacht, indem sie nach vier Jahren den Leitzins zumindest auf 0 Prozent angehoben hat. Im Übrigen hat selbst Japan nach 20 Jahren Magerzinsen den Leitzins nie richtig in den Minusbereich befördert, dafür aber andere (unkonventionelle) Maßnahmen eingeführt. Ein Vorbild für die EZB?

Fazit

Auch wenn Christine Lagarde Änderungen in der Zinspolitik in den Raum stellt: Sie ist, wie bereits ihr Vorgänger Draghi, in einem Dilemma gefangen. Eine „echte“ Zinswende brächte sofort den Zusammenhalt der inhomogenen Eurozone und den Euro als Gemeinschaftswährung in Gefahr.

Darin wird auch der Status einer „weisen Eule“ nichts ändern. Die großen Notenbanken sitzen mit ihren Zinssenkungen in der Falle, allen voran Japan, Ausnahme USA, die noch deutlich entfernt vom Minuszinsniveau stehen. Aber hinter den Kulissen – sprich bei Betrachtung der Unternehmens- und Verbraucherverschuldung – wird auch die Fed dem Lockruf des billigen Geldes (verkündet von den Notenbanken der Welt und von Donald Trump) nicht widerstehen können. Wir erleben das größte Notenbankexperiment der Geschichte und es scheint so, als ob deren Präsidenten/Präsidentinnen nur die Wahl haben zwischen Pest und Cholera.

Damit verbunden wäre auch die Frage schlechthin, insbesondere für uns Europäer: Hat die Europäische Zentralbank das Instrumentarium, um den von Dr. Krall angekündigten Zerfall der Eurozone  zu verhindern? Abgesehen davon, dass ein so lange bekanntes, unheilvolles Szenario noch selten Wirklichkeit wurde. Der „Schwarze Schwan“ in höchster Potenz – der aber eigentlich gar keiner ist, weil man ihn sowohl qualifiziert als auch quantifiziert hat..

Wird Christine Lagarde die EZB in eine neue Richtung steuern?



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1 Kommentar

  1. Von dem Crashszenario was Markus Krall immer anspricht mit starker Inflation dann massiver Deflation und den Zerfall des Euro, kann man halten was man will da hat jeder andere Ansichten. Womit er aber Recht behalten dürfte ist die Tatsache, dass die Geldpolitik der EZB (Minuszinsen Bankeinlagen) und die flache Zinsstrukturkurve den Banken in Europa bzw. der Eurozone mittel- bis langfrisitg massivste Probleme bereiten wird.

    Die Frage wird dann sein, wie die EZB hier gegensteuern will ? Ich bin der Meinung das es im Extremfall nur mit Helikoptergeld gehen wird, da QE als Instrument abgenutzt ist und keine Wirkung mehr entfaltet.

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