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Coronakrise: Der Weg Deutschlands durch die Krise

Die viertgrößte Wirtschaftsnation steht derzeit in vielerlei Hinsicht im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit: Die Erfolge bei der Eindämmung in der Pandemie, die Rolle in den EU-Verhandlungen, der im Verhältnis zu anderen Staaten geringere Wirtschafteinbruch in der Coronakrise sowie die niedrigen Arbeitslosenzahlen durch das Rezept der Kurzarbeit. Kann dies so bleiben? Dazu ein paar Fakten.

Der deutsche Arbeitmarkt in der Coronakrise

Die deutsche Arbeitslosenrate steigt. Von 2,34 Millionen im März auf 2,85 Millionen im Juni. Was im Vergleich zu anderen Ländern wie eine Petitesse aussieht, erscheint unter einem anderen Blickwinkel, wenn man die Kurzarbeiter hinzuzählt, die nach amerikanischer Lesart zu den Arbeitslosen addiert werden müssten. Die Entwicklung:

März/April: 10,7 Millionen
Mai: 7,3 Millionen
Juni: 6,7 Millionen

Interessant ist auch der Anteil der Kurzarbeiter aufgeschlüsselt nach Branchen (Quelle: Bundesagentur für Arbeit):

Gewerbe: 7,0 Mio Beschäftigte – 2,31 Mio, oder 33,1 Prozent
Dienstleistungen: 9,94 Mio – 2,199 Mio, oder 22,1 Prozent
Handel: 4,492 Mio – 0,963 Mio, oder 21,4 Prozent
Bau: 0,527 Mio – 17.189, oder 3,3 Prozent
Sonstige: 11,439 Mio – 1,227 Mio, oder 10,7 Prozent

Kein Wunder also, dass es immer noch so schwer ist, einen Handwerker zu bekommen. Würde man diese knapp sieben Millionen Kurzarbeiter zu den 2,85 Millionen Arbeitslosen addieren, käme man natürlich auf eine ganz andere Statistik. Für das ganze Jahr rechnet man allerdings mit einer Zahl von durchschnittlich „nur“ 2,2 Millionen Kurzarbeitern. Das System der Kurzarbeit hat sich bereits in der Finanzkrise bewährt und viele Firmen gerettet, vor allem wenn eine Krise rasch überwunden werden kann.

Dabei wird ein substanzielles Problem verdeckt, welches sich schon längere Zeit aufgebaut und durch eine „Notgesetzgebung“ der Bundesregierung verzögert hat.

Die drohende Pleitewelle

Durch die Hilfen in der Coronakrise wird überdeckt, dass tausende Unternehmen eigentlich pleite sind. Deshalb wird auch schon fast gebetsmühlenartig vor der größten Insolvenzwelle seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gewarnt.

Laut den Prognosen des Kreditversicherers Euler Hermes, einem Spezialisten für Solvenzbewertung, soll eine drastische Pleitewelle auf die deutsche Wirtschaft zukommen. Allerdings steht es um die heimische Ökonomie einmal mehr besser, als es in vielen anderen Staaten der Fall ist. Euler Hermes geht im nächsten Jahr von einem Anstieg der globalen Insolvenzen aufgrund der Coronakrise um mehr als ein Drittel im Vergleich zu 2019 aus. Für Deutschland rechnen die Experten damit, dass die Zahl der Pleiten bis Ende 2021 um 12 Prozent auf etwa 21 000 Fälle zunehmen wird.

Nach einer globalen Insolvenzstatistik könnten in den USA 2021 nicht weniger als 57 Prozent der Firmen aufgrund der Coronakrise Insolvenz anmelden. Damit liegen die USA einsam an der Spitze des Rankings, der internationale Durchschnitt beträgt 35 Prozent – und auch hier liegt Deutschland mit 12 Prozent am Ende der Tabelle, aber im positiven Sinne.

Skeptischer ist das Ifo-Institut, das nach einer Umfrage von Anfang Juli sogar jedes fünfte deutsche Unternehmen in Existenznot sieht. Noch liegt die Zahl der Insolvenzen niedriger als im Vorjahr, das staatliche (Ausnahme)Insolvenzrecht macht es möglich. Aber die Schäden durch den Lockdown sind für manche Unternehmen schon irreparabel.

Die Liste der betroffenen Unternehmen ist lang, betroffen sind vor allem Firmen aus Branchen, die schon länger unter Druck sind: Luftfahrt, Kaufhaus- und Modeketten, die seit Jahren mit geringen Margen, hohem Wettbewerb und Strukturwandel kämpfen. Automobilzulieferer und natürlichGastronomie und Tourismus, denen im Lockdown die Umsätze weggebrochen sind.

Tickende Zeitbomben

Die Pleitewelle kommt mit einem ziemlichen Zeitverzug, bedingt durch Staatshilfen und der Kurzarbeit. Und: Die Regierung hatte im März, zeitgleich mit dem Lockdown, die Pflicht zum Insolvenzantrag aufgehoben. Ansonsten müssten überschuldete oder zahlungsunfähige Firma binnen drei Wochen Insolvenz beantragt haben. Kommt jetzt in gut acht Wochen ein kleiner Insolvenz-Tsunami?

Eine Möglichkeit dagegen wäre, dass die Bundesregierung diese Verpflichtung über den 30. September hinaus verlängert. Darüber hat man im Bundesjustizministerium bereits nachgedacht und werde „eine zeitgerechte Entscheidung“ fällen. Die aktuelle Ausnahmeregel hat dazu geführt, dass sich trotz Coronakrise die Zahl der Insolvenzen im ersten Halbjahr um 8,2 Prozent auf 8900 Fälle im Jahresvergleich verringert hat. Ein Stau, der im Widerspruch zur realwirtschaftlichen Situation steht, der aber aufgelöst werden muss.

Da wären wir beim Thema Zombifizierung der Unternehmenslandschaft.

Inzwischen haben über 75.000 Firmen und Selbstständige bei der staatlichen Förderbank KfW Kreditanträge im Volumen von gut 50 Milliarden Euro gestellt – fast 73.000 wurden bereits genehmigt. Es sollen nur solche Firmen Hilfskredite erhalten, die nachweislich erst wegen der Coronakrise in Schwierigkeiten geraten sind. Dies verlangt eine EU-Auflage.

Man will verhindern, dass „Zombies“ am Leben erhalten werden. Denn laut Euler Hermes gibt es in der EU-Zone schon 13.000 Firmen mit Umsätzen von einer halben Billion Euro, die unter diese Kategorie fallen.

Coronakrise und die kalte Jahreszeit – die bedrohte Gastronomie

Wem ist es nicht aufgefallen, wie viele Gastbetriebe in der warmen Jahreszeit ihre Flächen erweitert haben, selbst auf Parkplätzen stehen plötzlich Tische und Stühle? Damit könnte es in ein paar Wochen zügig vorbei sein. Allerdings ist diese Maßnahme nur ein Teilersatz für entfallene Umsötze, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts nahelegen.

Im Mai lag der Umsatz der Gastronomie um 54,6 Prozent unter dem Vorjahresmonat. Derzeit sei die Lage laut Ingrid Hartges, der Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga zweigeteilt: „Gastronomie in Feriengebieten und mit großen Terrassen erzielen bis zu 80 Prozent ihrer alten Umsätze. Kleine Restaurants und Kneipen kommen gerade mal auf 30 bis 40 Prozent“. Thema ist weiterhin das Abstandsgebot und die damit verbundenen Ausnahmefälle.

Noch im Juni sahen sich laut einer Umfrage des Ifo-Instituts zwei Drittel der Gastronomen in Gefahr, ein Drittel könnte aufgeben müssen. Ein Grund dafür seien auch viele Stundungen von Miet- oder etwa Stromzahlungen, die nachgeholt werden müssen.

Fazit

Momentan ist noch das große Thema für die Politik, wie auch für die Virologen – die Urlaubszeit mit der möglichen Ausbreitung des Virus bei der Völkerwanderung der Touristen. Aber eigentlich besteht die große Sorge der Gesundheitsbehörden vor einer zweiten Welle in der kalten Jahreszeit –  wenn man sich mehr in geschlossenen Räumen aufhält, mit entsprechend geringerem Luftaustausch. Damit beginnt auch wieder das Zittern vieler Indoor-Branchen, wie der Gastronomie.

Insgesamt stellt sich während der Pandemie die Frage: Wie lange kann der Staat Unternehmen vor einer Pleite schützen, wie differenzieren zwischen Coronaopfern und Betrieben, die auch ohne das Virusgeschehen kaum überlebt hätten? Sehr kritische Gedanken hat einmal mehr Professor Sinn, der langjährige Chef des Ifo-Instituts: Es sei nun einmal schwierig, den goldenen Mittelweg zu finden zwischen „wir retten jeden und wir retten niemanden“. Er befürchtet, dass der Staat inzwischen des Guten zu viel getan habe in der Coronakrise.

Der Herbst wird nicht nur für die USA eine spannende Periode..

Deutschland und seine Wirtschaft hält sich in der Coronakrise im Vergleich zu vielen anderen Ländern besser



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1 Kommentar

  1. Zitat: „Eine Möglichkeit dagegen wäre, dass die Bundesregierung diese Verpflichtung über den 30. September hinaus verlängert.“
    Genau damit rechne ich ebenfalls, die Bundesregierung kann sich eine höhere Arbeitslosenquote nicht leisten. Da ist schnell mal der Unmut auf den Straßen und diesen zu bändigen wird viel schwieriger werden.
    Daher agiert die Bundesregierung nach dem Schma des geringsten Widerstands. Die Kurzarbeitszeitunterstützung wird verlängert und die Notenbanken werden angewiesen noch mehr Geld zu schöpfen. Das kann so lange funktionieren – bis der große Knall kommt.

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