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Coronakrise: warum nur noch 30 Prozent der US-Bürger arbeiten

In den USA ist das Bureau of Labor Statistics (BLS), eine Untereinheit des Arbeitsministeriums, für die Veröffentlichung der monatlichen Beschäftigtenzahlen zuständig. Schon immer stand die Erhebungsmethode der Behörde in der Kritik und war für ihre oft drastischen Revisionen bekannt.. Doch die Zahlen zum Mai 2020 waren in einer Art und Weise unplausibel, dass sogar der Präsident der US-Notenbank sie für unzutreffend erklärte. Aber warum unterlaufen den Statistikern des BLS permanent derart drastische Fehler? Schauen wir in der Coronakrise mal genauer hin!

Die Coronakrise legt die Schwächen der US-Arbeitsmarktstatistik offen

Wer glaubt, deutsche Bürokratie ist undurchsichtig, der hat noch nichts von der Erfassungsmethode der Beschäftigungszahlen in den USA gehört. Vom Jahr 1976 bis zum Jahr 1993 gab es in den USA sieben verschiedene Arbeitslosenquoten (U1 bis U7). Seit dem Jahr 1994 werden nur noch sechs verschiedene Arbeitslosenquoten (U1 bis U6) unterschieden, wobei die Quote U3 als die offizielle Quote für die Beschäftigung angesehen wird und die Quote U6 die Dimension der Unterbeschäftigung ausweist. Die offizielle Arbeitslosenquote U3 misst alle Arbeitslosen in Prozent der arbeitsfähigen zivilen Bevölkerung. Die Quote U6 misst die unfreiwillig Geringbeschäftigten, die Anzahl derer, die lediglich in Teilzeit arbeiten sowie alle Personen, die sich kurzfristig aus persönlichen Gründen nicht um Arbeit bemühen.

Die besonderen Umstände der Coronakrise offenbaren nun sehr deutlich die Schwächen der unnötigen Komplexität und der revisionsanfälligen Datenerhebungsmethode des BLS. In Deutschland beispielsweise werden einfach zur Berechnung der Beschäftigtenzahlen über die Bundesagentur für Arbeit die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer gezählt. Dazu kommen noch Freiberufler, Selbstständige, Arbeitslose in Qualifizierungsmaßnahmen und Transferleistungsempfänger, die sich gerade im Urlaub befinden (kein Scherz). In den USA werden die Arbeitsmarktzahlen auf unterschiedliche Weise erhoben und nach verschiedenen Kriterien bereinigt. Und das in einem Maße, das jedem seriösen Statistiker an der Berufsehre kratzt.

Die offizielle US-Arbeitslosenquote für den Monat Mai 2020, also noch während des Shutdowns großer Teile der US-Wirtschaft durch die Coronakrise, ist der letzte Sargnagel für die Glaubwürdigkeit der BLS-Statistik zu den Beschäftigungszahlen. Gäbe es einen Superlativ für das Adjektiv „falsch“, es träfe auf diese Statistik zu. Angeblich sank die Arbeitslosenquote in den USA von 14,7 Prozent im April auf 13,3 Prozent im Mai. Erwartet wurde plausiblerweise ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosenquote auf 19,8 Prozent. Statt 12,5 Millionen Jobverlusten seien gemäß einer gesonderten Umfrage mitten in der Coronakrise und noch während des wirtschaftlichen Shutdowns 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze in den USA im Monat Mai entstanden. Die Abweichung von den Analystenschätzungen in Höhe von 10 Mio.
Arbeitsplätzen war die höchste jemals gemessene seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1976.

Mittlerweile sagt das BLS selbst, dass die Daten für den Monat Mai bereinigt um Datenfehler bei 16,4 Prozent liegen würde. Die Quote U6 läge demnach bei 21 Prozent. Gemäß der im Jahr 1994 abgeschafften Quote U7, die von Shadow Government Statistics aber weiter berechnet wird, läge die Quote bei 34 Prozent. Die Quote U7 umfasst U6, zuzüglich der Menschen, die zwar arbeitsfähig sind, sich aber in die Schattenwirtschaft verabschiedet haben (z. B. Schwarzarbeit oder Drogenhandel) sowie Personen, die die Arbeitssuche mangels Erfolgsaussicht gänzlich aufgegeben haben und von Sozialtransfers und Spenden leben.

Knapp 40 Prozent aller arbeitsfähigen US-Bürger fallen aus der Statistik

Da die Daten zur Beschäftigung in den USA teilweise anhand von Telefonumfragen ermittelt werden, ergaben sich speziell in der Coronakrise statistische Fehler aus Missverständnissen bei den Befragten oder dadurch, dass viele Umfrageteilnehmern während der Coronakrise von ihren Arbeitgebern nicht ordnungsgemäß als arbeitslos gemeldet wurden (man sparte sich den Aufwand). Dadurch wurden Millionen von Amerikanern mangels Entlassungsmeldung durch den Arbeitgeber als weiterhin berufstätig in der Statistik geführt.

Der gravierende Unterschied zwischen der offiziellen Arbeitslosenquote U3 und der Quote U6 tritt in der Coronakrise aus einem anderen Grund noch deutlicher zutage. Die Anzahl der Menschen, die zwar arbeitsfähig und sich im richtigen Alter befinden (ab 16 Jahren), sich aus dem Arbeitsmarkt aber zurückgezogen haben, ist auf einen Rekordwert von fast 40 Prozent angestiegen. Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Regierung die Transferleistungen für Arbeitslose um 600 US-Dollar pro Woche bis mindestens Ultimo Juli 2020 aufgestockt hat.

Vor der Coronakrise waren gemäß dem U.S. Bureau of Labor Statistics 163,54 Millionen US-Bürger arbeitsfähig und standen theoretisch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das entspricht insgesamt 49,8 Prozent der 328,2 Millionen in den Vereinigten Staaten lebenden Menschen. Da aber nur gut 60 Prozent der arbeitsfähigen Amerikaner gemäß der sogenannten „Civilian Participation Rate“ auch am Arbeitsleben teilnehmen, sind gemessen an der Gesamtbevölkerung nur 30 Prozent der US-Bürger erwerbstätig. Der Rest ist entweder verrentet, Schüler, arbeitsunfähig, arbeitsunwillig, hat bereits resigniert oder ist in der Schattenwirtschaft tätig.

Aufgrund der Coronakrise sinkt die Erwerbsquote in den USA deutlich

Die offizielle Arbeitslosenquote U3 für verschiedene Bevölkerungsgruppen, also Afroamerikaner, Weiße, hispanische und asiatische Arbeitnehmer, wurden wahrscheinlich ebenfalls aufgrund unzureichender Repräsentanz der Befragungen stark verzerrt erhoben. Vor allem die unteren Einkommensschichten, zu denen die Hispanics und die Afroamerikaner gehören, waren von der Entlassungswelle in der Coronakrise besonders stark betroffen.

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6 Kommentare

  1. Diese kreativen Arbeitslosenstatistiken passen doch zum dem Dummvolk.

  2. @Hannes Zipfel,

    herzlichen Dank für diese Erläuterungen! Dass mit diesen schwachsinnigen monatlichen Daten einiges nicht stimmen kann, ahnen viele seit Jahren. Zumal diese Zahlen immer in krassem Widerspruch zu den Anträgen auf Arbeitslosenhilfe stehen. Ihr Artikel erlaubt nun Einblicke und gibt Erklärungen für diese willkürliche Kreativität. Bleibt letztendlich nur noch eine Frage offen: Warum feiern die Märkte immer Parties bei positiv frisierten Zahlen, während sie bei negativen Daten stoisch gelassen bis völlig ignorant reagieren?

    1. Kognitive Dissonanz

  3. Never bet against America

    Nur dass das alles nicht stimmen kann. Eine erwerbstätige Bevölkerung mit gerade mal 30 oder 40 Prozent von 330 Millionen Menschen schafft ein Bruttosozialprodukt von 20,6 Billionen Dollar, fast sechsmal so hoch wie das der fleißigen Deutschen? Das wäre aber phantastisch. Aber das wollen die USA-Basher gar nicht hören. Nur, dass die USA untergehen werden.

    1. In Deutschland ist auch nur der kleinere Teil der Bevölkerung produktiv tätig. Aktuell sind das etwa 48%, incl. Teilzeit.
      Rechnen wir dann noch die 7 Millionen aktuellen Kurzarbeiter raus sind wir bei 31%. Sieht also ähnlich aus. Und dabei sind noch nicht mal die ganzen Beschäftigungstherapierten in den Bullshit Jobs rausgerechnet (die es in den USA aber auch gibt).

      Das Prokopf BIP verhält sich 62T/47T. Kaufkraftbereinigt ist es 62T/52T. Also schon gar kein so großer Unterschied mehr.

      Hinzu kommt das das BIP wenig über die tatsächlich produzierte Gütermenge aussagt, da sieh die Werte nicht gleichmäßig über die Wertschöpfungskette verteilen.

      Der Anteil ist tendentiell auf der „Endkundenseite“ am größten, da Rohstoffe und Produktionspotential nicht wirklich begrenzt sind. Der höhere Konsumanteil in den USA erklärt damit zwanglos die „Restdifferenz“ zwischen Deutschland und den USA.

      1. Ein Konsumanteil, der nicht mit „hart und fleißig erarbeitetem“ Geld, sondern auf Pump mittels 15 sinnlos überzogener Kreditkarten finanziert wird.

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