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Coronavirus: Taugt Südkorea als Vorbild für eine Exit-Strategie?

Momentan wendet Südkorea drei Hauptmethoden an, wie Menschen verfolgt und Erkrankte identifiziert werden: erstens über die Verwendung von Kredit- und Debitkarten. Südkorea hat den weltweit höchsten Anteil an bargeldlosen Transaktionen. Durch die Verfolgung von Transaktionen ist es möglich, die Bewegungen eines Kartenbenutzers nachzuvollziehen. Zweitens durch die Nutzung von Bewegungsprofilen via Mobilfunkdaten. Handys sind in Südkorea sehr weit verbreitet: Es gibt mehr Smartphones als Einwohner. Damit ist diese Methode sehr effektiv und gleichzeitig ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Bürger.

Drittens ermöglichen CCTV-Kameras den Behörden auch die Identifizierung von Personen, die mit COVID-19-Patienten in Kontakt gekommen sind. In südkoreanischen Städten werden Millionen dieser Überwachungskameras mit Gesichtserkennungs- und Wärmebildfunktionen eingesetzt – schätzungsweise fünf Kameras pro Einwohner. Ob ein solches Vorgehen mit der Mentalität in liberalen westlichen Staaten vereinbar ist? Angst macht bekanntlich gefügig.

Fazit und Lehren

Die gute Nachricht: Es ist möglich, die Kurve der Neuinfizierten massiv abzuflachen und damit die medizinischen Ressourcen eines Landes zu schonen. Eine Rückkehr zu relativer Normalität und zu wirtschaftlicher Aktivität ist möglich. Dazu müssen Regeln streng eingehalten und entsprechend sanktioniert werden. Außerdem helfen flächendeckende Tests bei der realistischen Einschätzung der Lage und der Umsetzung gezielter Eindämmungsmaßnahmen. Das konsequente Tragen von Masken der Bevölkerung trägt ebenso dazu bei, den Verlauf der Epidemie medizinisch und ökonomisch verkraftbarer zu gestalten und schneller wieder zum Alltag zurückkehren zu können.

Die schlechte Nachricht: Folgt man dem Beispiel Südkoreas, dann müssen wir uns für eine längere Zeit auf einen ganz anderen Lebensstil einstellen. Zur Wahrheit des erfolgreichen Umgangs mit der Seuche in Südkorea gehört auch die massive Nutzung von Überwachungstechnologien, dessen Einsatz in einem Maße erfolgt, das in liberaleren Ländern wie Deutschland die Verletzung der Privatsphäre bedeuten würde. Schaut man sich die Alternativen dazu an, dann ist der Weg Südkoreas gleichwohl ökonomisch, medizinisch und gesellschaftlich der am besten verkraftbare, sofern es sich ganz klar um temporäre Maßnahmen handelt. Das Risiko ist jedoch groß, dass einmal installierte Überwachungstechnologie jederzeit auch missbraucht werden kann.

Eines hat Südkorea über seine Landesgrenzen hinaus jedenfalls erreicht: Es zeigt, dass auch eine demokratisch organisierte Gesellschaft mit zuverlässiger Datenlage das Coronavirus schnell und erfolgreich bekämpfen kann. Die Voraussetzungen für einen ähnlichen Erfolg im Kampf gegen das Coronavirus müssen hierzulande gleichwohl erst noch geschaffen werden. Die deutsche Wirtschaft ist nun dabei, auf die Massenproduktion von Schnelltests und Gesichtsmasken umzustellen. Die Bürger haben den Ernst der Lage verstanden und die Politiker können sich an den Erfahrungen Südkoreas orientieren. Das macht in diesen Zeiten etwas Mut. Dennoch sollte man auch als Nicht-Anhänger von Verschwörungstheorien ganz genau hinschauen, welche Freiheiten wir dauerhaft zur Bekämpfung des Coronavirus opfern wollen und wie weit die Politiker mit der Angst ihrer Bürger im Rücken gehen dürfen.



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1 Kommentar

  1. „In südkoreanischen Städten werden Millionen dieser Überwachungskameras mit Gesichtserkennungs- und Wärmebildfunktionen eingesetzt – schätzungsweise fünf Kameras pro Einwohner. Ob ein solches Vorgehen mit der Mentalität in liberalen westlichen Staaten vereinbar ist? Angst macht bekanntlich gefügig.“

    Was die „Gefügigkeit der Angst“ angeht, so heißt es, dass sich die Leute überraschend schnell an technische Systeme gewöhnen und sie im Hintergrund einordnen. Eine Technokratie in der ein paar Funktionäre Platzverweise und Hausarrest verordnen können und die man gegen die gefühlte Sicherheit tauscht vor Taschendieben und Corona-Viren geschützt zu sein ist letztlich banal.

    Die Einwände sind dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen. Einem Land, in dem Mehl und Klopapier gehortet wird, dass selbst in Hamsterkäufen noch Askese beweist, ist alles zuzutrauen. Früher wollte es die Welt erobern oder zumindest den Osten entvölkern, um für sich Lebensraum zu schaffen, jetzt würden es am liebsten durch maximale Völkervermischung und Aufgehen in Europa aus der Welt scheiden und die Erinnerung an sich tilgen – die Schande, die seine eigene Fortexistenz für es selbst ist, während sich alle anderen schon daran gewöhnt haben.

    Die Deutschen sind halt mystisch-totalitär und sie haben ein seltenes Talent entwickelt aus ihrer Verklemmtheit Wollust zu schöpfen. Die asiatische Haltung kann man charakterisieren als eine der „Gesichtswahrung“ und das hat gerade nichts konfessionelles. Die Oberfläche ist wichtig. Umgekehrt liegt uns die Selbstentblößung und im Gegenzug das Stasi-mäßige, die Neugierde auf das Leben der Anderen, denen man unter der Maske des Bekenntnisses zum einzig richtigen Standpunkt ( dem Klassenstandpunkt, dem Konsens der Wissenschaftler, … ) bürgerlich-reaktionäres Gedankengut zutraut. Im Gegenzug führt die Angst, von den Klerikern des Falschdenkens, Falschmeinens und Falschfühlens überführt und in die Grube geworfen zu werden, zum Misstrauen gegen Kommunikationstechnologien, wie zur Anrufung der „liberalen Gesellschaft“, so als wäre das Wort „liberal“ ein mächtiger Talisman, der vor der natürlichen Neigung zum Totalitarismus schützt. Na ja, vielleicht tut er das ja wirklich …?

    Im Grunde ist das alles tragisch und unausweichlich. Man muss es nur nicht generalisieren und allen anderen die eigene Psychopathologie überstülpen.

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