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Covid-19: Das britische Parlament im Zeitalter des Coronavirus

Covid-19 wird vieles verändern in Großbritannien. Das marode Gesundheitssystem gerät in den Fokus - auch der Politikbetrieb wird sich ändern

Covid-19 wird vieles verändern – auch das britische Parlament! Wie oft sah man in den letzten Jahren Bilder aus dem britischen Unterhaus, in dem die Premiers Theresa May oder jetzt Boris Johnson ihre Diskussionen mit den Parlamentariern über das Thema Brexit geführt haben. Lebhafte und lautstarke Auseinandersetzungen in einem Sitzungssaal, in dem die Parlamentarier fast schon eingepfercht Schulter an Schulter auf Bänken zusammen saßen.

Und jetzt vernahm man die Meldung, dass der britische Premier Boris Johnson sich mit dem Covid-19 infiziert hat, genauso wie sein derzeit wichtigster Minister im Kabinett, Gesundheitsminister Matt Hancock. Noch am Donnerstagabend war der Regierungschef wie an jeden Abend vor die Kameras getreten, um mit seinen medizinischen Beratern über den neuesten Stand der Entwicklung im Kampf gegen Covid-19 zu sprechen. Dabei beschleicht einem ein wenig Sorge, wenn man eine Besonderheit des englischen Politbetriebs betrachtet.

Das ehrwürdige House of Commons

Wird der anfangs lockere Umgang des 55-jährigen Premierministers mit Covid-19 jetzt vielleicht zu einem Problem des ganzen englischen Parlaments? Das lässt eine Besonderheit des britischen Unterhauses, nämlich die unglaubliche Enge eines historischen Sitzungssaales, vermuten. In dem kleinen und sehr bescheidenen Raum gibt es zu beiden Seiten Bänke, auf denen 427 Abgeordnete Platz finden. Nur dumm, dass es derzeit 650 Parlamentarier gibt, die, wenn sie verspätet eintreffen, dann in der Nähe des Eingangs stehen müssen.

Boris Johnsons späte Reaktion auf Covid-19

Nun hat sich der Regierungschef selbst mit dem Covid-19 infiziert, mit leichten Symptomen bei dem 55-Jährigen, der seine Regierungsgeschäfte von zuhause aus fortsetzen möchte. Seine früheren Reaktionen auf das Auftreten der Epidemie waren aus heutiger Sicht nicht nur fahrlässig, sondern auch sehr gefährlich. Noch Anfang März gab er jedem Gegenüber die Hand, obwohl ihm die Ärzte schon davon abgeraten hatten. Zunächst riet er seinen Landsleuten nur davon ab, an Kreuzfahrten teilzunehmen – ansonsten war er ein Verfechter der Herdenimmunität, das Leben sollte wie gewohnt weitergehen, obwohl die Zahlen aus Italien und Spanien für viel Entsetzen sorgten.

Erst als ihm Wissenschaftler Berechnungen zeigten, denen zufolge Hundertausende den Tod erleiden könnten, ließ Boris Johnson von dieser Strategie ab. Und erst Tage später erteilte seine Regierung die Verbote von Massenveranstaltungen und das Schließen von Lokalen. Wie viele Briten sich wohl vorher noch in Pubs und Restaurants mit Covid-19 infiziert haben mögen?

Der Regierungschef sagte in seiner Videobotschaft: „Wir schaffen das gemeinsam. Je strenger wir uns an die Regeln halten, umso schneller wird unser Land wieder auf die Beine kommen.“ Das erinnert doch sehr an seinen „Kollegen“ im Weißen Haus, der sich anfangs auch noch über die Covid-19 lustig gemacht und sie mit einer einfachen Grippe verglichen hatte.

Dabei kommt das britische Gesundheitssystem in echte Probleme. Die Krankenhäuser in einem Land mit 60 Millionen Einwohnern, verfügen nur über knapp 8000 Beatmungsgeräte, gleichzeitig fehlt es an entsprechender Schutzbekleidung für das medizinische Personal. Jetzt setzt man alle Hebel in Bewegung, um diesen Mangel auszugleichen.

Glücklicherweise lag die offizielle Zahl der Infizierten bis Sonntagabend „erst“ bei 19.522 Infizierten. Aber, es gilt auch hier die schrecklichen Regeln der Infektionsmathematik. Die Krankenhäuser in der Hauptstadt des Landes berichten über eine große Welle an neu erkrankten Corona-Patienten. Damit könnten die Kapazitäten der Kliniken mit ihrer Notfallbetten schon in wenigen Tagen erreicht sein. Daran dürfte auch die anfängliche Verharmlosung durch Premierminister Boris Johnson nicht ganz schuldlos sein.

Fazit

Covid-19 wird vieles verändern in Großbritannien. Das Gesundheitssystem – diesem Thema wird man künftig wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Mittel schenken. Und der Politikbetrieb? Vermutlich wird man sich schwer überlegen, ob man in Zeiten der Gesundheitsgefahren sich immer noch Schulter an Schulter in einen kleinen historischen Sitzungssaal pressen wird, im Palace of Westminster, oder ob dies in Zeiten der Globalisierung von Gesundheitsgefahren künftig keine so gute Idee ist..

Covid-19 zeigt, dass auch das britische Parlament nicht mehr zeitgemäß ist



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