Der Cum-Ex-Skandal, ein Finanzkrimi der Sonderklasse, hält Deutschland weiterhin in Atem. Und während am 3. Juni 2025 im Landgericht Bonn ein mit Spannung erwartetes Urteil fällt, drängt sich eine brisante Frage in den Vordergrund: Hatte die damalige leitende Staatsanwältin Brorhilker ihre schützende Hand über den Kronzeugen Dr. Kai-Uwe Steck gehalten? Neue, pikante Aussagen aus Gerichtsprozessen lassen auf einen beabsichtigten Deal schließen und werfen ein schiefes Licht auf die Justiz.
Auch die SPD und CDU tragen in den Jahren 2007-2011 eine sehr große Mitschuld daran, dass der Cum-Ex-Skandal so ausartete! Es war ein Totalversagen dieser beiden Parteien, in persona Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble.
Der „größte Steuerhinterzieher Europas“ und seine kühne Forderung
Der 3. Juni 2025 wird zum Schicksalstag für Dr. Steck. Sein ehemaliger Verteidiger bezeichnete ihn kürzlich als den „größten Steuerhinterzieher Europas“ – eine beachtliche, wenn auch wenig schmeichelhafte Titulierung. Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre und acht Monate Haft. Nur zum Vergleich, damit die Dimensionen klar werden: Starkoch Alfons Schuhbeck wanderte wegen „lediglich“ 2,3 Millionen Euro Steuerhinterziehung für drei Jahre und zwei Monate ins Gefängnis. Steck hingegen soll an Cum-Ex-Geschäften beteiligt gewesen sein, die einen gigantischen Steuerschaden von 428 Millionen Euro verursachten. Da wirkt Schuhbecks Sümmchen fast wie Kleingeld im Vergleich zum ganz großen Bahnhof.
Vom „Rainmaker“ zum Gejagten: Die Rolle von Berger und Steck
Dr. Kai-Uwe Steck war nicht irgendein Anwalt. Als Partner der Kanzlei Berger Steck & Kollegen arbeitete er Hand in Hand mit Hanno Berger, dem „Rainmaker“ der Branche und einem der Hauptakteure hinter den Cum-Ex-Transaktionen. Berger, ein hochgelobter Steueranwalt, der zuvor bei US-Großkanzleien wie Shearman & Sterling und Dewey & LeBoeuf Karriere gemacht hatte, galt als Experte für komplexe Finanzstrukturen – jene Strukturen, die später als Cum-Ex-Geschäfte in Verruf gerieten. Eine Glanzkarriere, die im Spiegel 2009 sogar mit dem Titel „König seiner Branche“ geadelt wurde. Man kann sich die Bewunderung vorstellen, die diesen Herren entgegengebracht wurde.
Steck selbst war maßgeblich an der Entwicklung und Umsetzung dieser Steuertricks beteiligt, die im Grunde darauf abzielten, nicht gezahlte Kapitalertragsteuern doppelt und dreifach vom Staat zurückzufordern. Er gab unumwunden zu, durch diese Geschäfte selbst rund 50 Millionen Euro verdient zu haben. Die Kanzlei Berger Steck & Kollegen, 2010 gegründet, löste sich 2013 auf, als die Ermittlungen gegen die beiden Steuerkünstler bekannt wurden. Vorher jedoch galten sie als unantastbare Koryphäen, deren Expertise sogar in Fachmedien hochgelobt wurde. Manchmal trügt der Schein eben gewaltig.
Der Deal mit der Staatsanwältin: Eine schützende Hand aus Köln?
Doch zurück zur Kernfrage, die diesen Fall so fesselnd macht. Hatte Staatsanwältin Brorhilker ihre Finger im Spiel, um Steck einen Vorteil zu verschaffen? Die Indizien verdichten sich. Der damalige Anwalt von Steck, Professor Dr. Dierlamm, sagte vor Gericht aus, dass Brorhilker sich aktiv dafür eingesetzt habe, ein Verfahren gegen Steck in Wien nach Köln zu verlegen. Der O-Ton Dierlamm lässt aufhorchen: „Später kam dazu ein Verfahren in Wien, da hat sich Frau Brorhilker echt eingesetzt für den Angeklagten Steck und hat über eine internationale Vermittlungsstelle, so habe ich das in Erinnerung, zwischen Deutschland und Österreich versucht, das Wiener Verfahren nach Köln zu holen, damit Herr Steck da keine Probleme kriegt.“
Diese mutmaßliche „Rettungsaktion“ aus dem Jahr 2017 ersparte Steck erhebliche Schwierigkeiten. Brorhilker selbst hatte zwar laut Dierlamm keine „Zusage“ für eine Einstellung gemacht, aber das „gemeinsame Ziel“ einer Einstellung sei angestrebt worden – natürlich nur, wenn Stecks Aussagen sich als brauchbar erwiesen. Nach Informationen von Business Insider/WELT vom 15.05.2025 prüft aktuell die Aachener Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen die frühere Cum-Ex-Chefaufklärerin Anne Brorhilker.
Das Ganze mutet fast wie ein Katz-und-Maus-Spiel an, bei dem der Kronzeuge hofft, durch umfassende Kooperation einem härteren Urteil zu entgehen, und die Staatsanwaltschaft im Gegenzug bereit war, gewisse Anreize zu schaffen. Ob Brorhilker hier eine Schutzengel-Rolle spielte oder einfach nur pragmatisch im Sinne der Aufklärung handelte, bleibt eine der spannendsten Fragen dieses Mammut-Skandals. Das Urteil am 3. Juni 2025 wird hier sicher keine Überraschung geben. Die Verteidigung fordert Freispruch, die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten. In Deutschland wird aktuell noch gegen 1.800 Personen rund um die Cum-Ex-Affäre ermittelt.
Von Steinbrück (SPD) bis Schäuble (CDU): Das durchgängige Versagen bei Cum-Ex
Deutschlands größter Steuerraub ist eine Chronik des Versagens – ein dunkles Kapitel, das tief in die Strukturen von Politik, Finanzwelt und Aufsichtsbehörden blicken lässt. Im Zentrum dieser Affäre stand das Finanzministerium unter Peer Steinbrück, dem vorgeworfen werden kann, entscheidend zur Nichtschließung dieser milliardenschweren Lücke beigetragen zu haben.
Die Geburtsstunde eines Steuer-Monsters
Die Cum-Ex-Geschäfte entsprangen nicht dem Genie eines Einzelnen, sondern einer fatalen Mischung aus juristischer Fehlinterpretation und behördlicher Lethargie. Über einen langen Zeitraum, von mindestens 1990/1999 bis zum 1. Januar 2012, bot das deutsche Steuersystem eine Einladung zum Missbrauch. Der Schlüsselmoment war die Fehlinterpretation eines BFH-Urteils vom 15. Dezember 1999. Finanzakteure nutzten dies schamlos aus. Sie legten das Urteil so aus, dass die Eigentumsrechte an einer Aktie mehrfach übertragen werden konnten, während die Steuer nur einmal gezahlt wurde. Ein cleverer Trick, der ihnen mehrfache Steuererstattungen einbrachte.
Eine Kaskade des Versagens: Das Bundesfinanzministerium im Fokus
Die Hauptverantwortung für das Fortbestehen dieser Lücke liegt beim Bundesministerium der Finanzen. Es war ein Systemversagen, das durch gezielte Einflussnahme noch verstärkt wurde.
Zwischen 2005 und 2007 versuchte man zwar, gesetzliche Maßnahmen gegen Cum-Ex einzuführen. Doch diese Gesetze wurden maßgeblich von der Bankenlobby beeinflusst. Ein Name sticht hier besonders hervor: Arnold Ramackers, ein Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums, der später von Bankenverbänden bezahlt wurde. Er sorgte dafür, dass der Gesetzesvorschlag des Bankenverbands nahezu identisch übernommen wurde. Das Ergebnis? Cum-Ex-Geschäfte über inländische Depotbanken wurden zwar unterbunden, doch es entstand eine „falsche Legalität“ für Transaktionen über ausländische Depotbanken. Der Cum-Ex-Boom war die erschreckende Konsequenz.
SPD & CDU handelten nicht: Prioritäten verfehlt
Bereits 2007 warnte der deutsche Bankenverband, etwas halbherzig, das Finanzministerium vor den Risiken der doppelten Steuererstattungen. Eine deutliche rote Flagge! Doch die Regierung, damals unter Peer Steinbrück als Finanzminister (2005-2009), ignorierte diese Warnungen und beugte sich vermutlich dem Druck der Bankenlobby. Steinbrück schien seine Prioritäten anders zu setzen, fokussierte sich beispielsweise auf die „Mobilisierung seiner Kavallerie“ gegen die Schweiz.
Sein Vertrauen in Arnold Ramackers war fatal. Ramackers, einst Finanzrichter und Referent im BMF, brachte einen Gesetzesvorschlag durch, dem Steinbrück zustimmte.
Arnold Ramackers verhinderte als Referent im BMF Bemühungen, die Cum-Ex-Geschäfte zu unterbinden – gleichzeitig erhielt er Bezüge von Bankenverbänden.
War Ramackers ein Maulwurf der Banken? Ramackers verstarb 2020 und nahm viele Antworten mit in sein Grab.
Als im Juli 2009 der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar per E-Mail eine „wasserdichte gesetzliche Lösung“ forderte, erklärte Steinbrück die Geschäfte nicht zur Chefsache. Vielleicht vergaß er aber auch einfach die Mail von Weimar. Die Bundestagswahl stand kurz bevor, und das Thema versickerte in den Tiefen des Ministeriums. Dann übernahm Wolfgang Schäuble.
Die BaFin: Wächter im Schlaf?
Auch unter Schäuble ging die Misere weiter. Erst Ende 2010 kam wieder Bewegung in die Sache, als ein weiterer Insider das Ministerium warnte. Anfang 2011 gab es sogar den Hinweis auf einen „Maulwurf der Banken“ im zuständigen Referat.
Die Finanzaufsichtsbehörde BaFin trug ebenfalls eine schwere Mitschuld. Schon im Mai 2007 erhielt sie konkrete Informationen von einem Whistleblower über Cum-Ex-Transaktionen und beteiligte Banken. Doch die Reaktion? Inadäquat! Die BaFin war sich der Unrechtmäßigkeit, ja sogar Kriminalität, dieser Transaktionen bewusst, handelte aber nicht entschlossen.
Ein anhaltendes Echo des Versagens
Auch 2009 schlugen Whistleblower im Bundesfinanzministerium erneut Alarm. Eine erste Verordnung sollte die Transaktionen eindämmen, blieb aber weitgehend wirkungslos. Das Ministerium entsandte keine Finanzaufseher, stoppte keine Zahlungen, schaltete keine Staatsanwälte ein. Selbst 2010 sprach Wolfgang Schäuble das Problem an, doch die notwendigen Schritte blieben aus. Ein weiterer Versuch im März 2011, den Missbrauch durch eine Bescheinigungspflicht zu erschweren, blieb ebenfalls „weitgehend wirkungslos“.
Die Frage drängt sich auf: Warum tat man nichts? War es die Angst, dass die Wähler eine „Bankrotterklärung der absoluten Inkompetenz“ bei der nächsten Wahl abstrafen würden?
Eine Gesetzesreform setzte den Cum-Ex-Geschäften am 1. Januar 2012 technisch ein Ende, als sie die Kapitalertragsteuerabführung von der Aktiengesellschaft zur Depotbank verlagerte. Doch die ehemalige Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker wies darauf hin, dass die Täter die Geschäfte europaweit fortsetzten und Schlupflöcher in anderen Ländern nutzten. Die „Steuerraubzüge“ gingen auch nach 2012 weiter.
Wir warten jetzt gespannt auf das Urteil gegen Herrn Dr. Kai-Uwe Steck. Doch wie auch immer das Urteil ausgeht, die Ignoranz der SPD und CDU durch die Finanzminister Steinbrück und Schäuble ist vom Gefühl her genauso zu verurteilen wie die Vorstände der Banken, die Steck und Berger auf den Leim gingen, aber das ist auch nur mein Bauchgefühl!
In Kürze veröffentlichen wir zu diesem Thema einen zweiten Artikel. Darin werden wir mutig den E-Mail-Verkehr der damaligen Regierung veröffentlichen. Seien Sie gespannt!
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Naja- die durch die Politik weisungsgebundene Staatsanwaltschaft wird schon ihre Instruktionen dahingehend erhalten haben, wie gegen wen ermittelt wird und gegen wen nicht.
Viele Grüße aus Andalusien Helmut 4
Ich verlink nochmal einen anderen Aspekt, aber wahrscheinlich greift das Nichterinnern weiter um sich:
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/blackrock-staatsanwaltschaft-ermittlungen-merz-1.4200495