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Das Jahr geht, die Zweifel werden immer größer! Abschwächung oder Rezession? Eine Kurzbetrachtung vor dem Jahresende

Plötzlich sinniert man über eine inverse Zinskurve und gar über die Möglichkeit einer Rezession. Woher dieser schnelle Stimmungsumschwung?

Eine Kolumne von Wolfgang Müller

Irgendwie ging der Stimungswandel doch sehr schnell – zu schnell wie manche meinen. Man war zwar von einer US-Wachstumsabschwächung im Jahr 2019 ausgegangen, nach gut 20% Gewinnwachstum in diesem Jahr sollte es im nächsten auf ca. 8 – 10% zurückgehen. Doch plötzlich sinniert man über eine inverse Zinskurve und gar über die Möglichkeit einer Rezession. Woher dieser schnelle Stimmungsumschwung und wo liegen die Problemfelder?

Die Furcht vor den Zinssteigerungen und der Bilanzkürzung

Heißt es am 19. Dezember „one and wait“ oder „one and done“ oder nach dem 1500-Punkteeinbruch des Dow binnen zwei Tagen etwa „wait and see“? Gemeint ist das letzte Notenbanktreffen der Fed in diesem Jahr und die hohe, wenngleich gesunkene Wahrscheinlichkeit einer Leitzinsanhebung der US-Notenbank – der neunten in diesem Wirtschaftszyklus. Am 28. November hatte Fed-Chef Powell mit seiner Aussage „just below neutral“, auf die Zinsrate bezogen, einen Riesenschwenk getätigt und damit eigentlich auch Spekulationen bestätigt, dass es mit der boomenden Konjunktur nicht mehr so weiter gehen könnte. Je „dovisher“ die Fed wird, desto nervöser werden die Märkte, könnte man meinen.

Wann stellten denn je in den vergangenen Jahrzehnten Leitzinsen von 2,25 oder 2,5% eine bedrohliche Schwelle für ein Wirtschaftswachstum dar? Schlussfolgerung: Die Fed muss erkannt haben, wie problematisch die Verschuldung von corporate America sein könnte, wie gefährlich Trumps Zollkrieg für alle ist und dass höhere Leitzinsen die Wirtschaft gefährden können. Die plötzlich sehr beobachtete Zinskurve ist im Vergleich der 2 und 5-jährigen US-Zinsen bereits invers, bei dem wichtigeren Vergleich von 2 zu 10 Jahren fehlt gerade noch ein gutes Zehntel.

Bisher hat die Fed noch keine Äußerungen getätigt über das Prozedere der Bilanzrückführung von 50 Mrd.$ monatlich, die zusammen mit der gut einer Bio.$ starken Neuverschuldung, infolge der Ausfälle durch die Steuerreform, einen großen monetären Gegenwind darstellen wird. Sollte man am „Tapering“ rütteln, was dann? Alles in allem steht die Notenbankpolitik zum Jahresende aber ein bisschen unter dem Tenor Entspannung.

 

Der Handelskrieg mit seiner willkürlichen Pause

Ähnliches hätte man auch zum großen Thema Handelskrieg USA – China schreiben können, nach dem seltsamen 90-Tage-Waffenstillstand, ja, wenn da nicht die schnell aufgekeimten Zweifel wären, was man denn bei den großen widerstreitenden Interessen der beiden Großmächte in drei Monaten erreichen kann. Dann kam das ganz seltsame Prozedere um die Verhaftung der Finanzchefin von Huawei Meng Wanzhou in Kanada, welches sofort mit einer Eskalation des „Wirtschaftskriegs“ (Aufruf zum Boykott von US-Waren) in Verbindung gebracht wurde, allen Dementis zum Trotz.

Sehen wir uns das Szenario einer Anhebung der Zölle auf 25% an, aus den bisherigen Erfahrungen der bereits getätigten Zölle. Diese belasten Unternehmen und Verbraucher, weil sie wie eine Steuererhöhung wirken und damit die Wirkung der schuldenfinanzierten Steuerreform sogar konterkarieren. Über die Nöte der Bauern (wegen der Gegenzölle), der Reaktionen von Firmen wie Harley Davidson oder General Motors wurde hier schon viel geschrieben.

Die Absicht GM´s acht Werke schließen zu wollen (vier in den USA, zwei im Rostgürtel), dabei 14 000 Arbeiter zu entlassen, sind für Trump eine Art „Worst Case Scenario“, weil dies genau das Gegenteil davon ist, was er mit Zöllen erreichen will. Er, der „Tariff Man“, wie er sich selbst bezeichnet hat, will Arbeitsplätze in die USA zurückholen und vorher durch die Zölle höhere Steuereinnahmen generieren.

Trump handelt gegen die Interessen seiner eigenen Wirtschaft, am besten veranschaulicht durch die Aussage eines US-CEO ˋs.

Der Chef des Dow Jones Mischkonzerns United Technology, 100 Mrd.$ schwer, Gregory Hayes, sagte im Fernsehen: „Zölle nutzen niemandem, sie bringen keine Jobs zurück in die USA, sie wirken wie eine Steuer auf die Konsumenten, sie heben die Inflation an und sie drängen die Fed die Zinsen weiter zu erhöhen, summa summarum – sie schaden der US-Wirtschaft!“ Finanzminister Steven Mnuchin weiß um die Gefahren des Wirtschaftspokers für die Konjunktur, sein Widersacher Peter Navarro, der Autor des umstrittenen Buches „Death by China“, ist hingegen ein protektionistischer Ideologe, der mit allen Mitteln China in die Knie zwingen will. Dazwischen Dealmaker Trump, der die komplexe Auseinandersetzung scheinbar nicht mehr richtig im Griff hat. Diese Überlegung muss einem bei dem Kommunikationsdebakel vor und nach dem G20-Gipfel zwangsläufig kommen. Es geht um mehr als um „Tit for Tat“.

Die Abschwächung der Konjunktur – weltweit

Das größte Problem für die Märkte ist – hört, hört, nach all den wochenlangen Diskussionen um Zinsen und Zölle, für die Märkte plötzlich die sich abschwächende Konjunktur – weltweit. Dabei ist die trumpsche Wirtschaftspolitik gerade eine zentrale Mit-Ursache für das rückläufige Wirtschaftswachstum. Große Unternehmen verfallen in Attentismus, denn wer will schon groß investieren, wenn Zölle oder gar Sanktionen (Iran) drohen?

Gewiss fallen die Frühindikatoren weltweit, besonders in Europa und China mit Werten knapp an der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, aber in den USA? Die letzten Einkaufsmanagerindizes für November (verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungen) lagen höher bei 60 Punkten und damit deutlich im Wachstumsbereich.

Haben die Märkte, allen voran die Bondmärkte, mit der Furcht vor der kommenden Rezession übertrieben?

Selbst IWF-Chefin Christine Lagarde meldete sich Donnerstag mit der Feststellung, die USA stünden nicht vor einer Rezession. („Investor fears about recession seem overdone!“)

Erinnern wir uns an das Jahr 2008, da gab es Unternehmenschefs, die selbst im Sommer noch keine Rezession im Anzug sahen, wenige Monate später startete in Deutschland der stärkste Einbruch in der Wirtschaft seit dem 2. Weltkrieg mit minus 5%.

Viele Optimisten klammern sich jetzt an eine starke statistische Regel für die Wirtschaft, die besagt: das 3. Jahr eines Präsidentschaftszyklus hatte zumeist gute Börsen.

 

Fazit:

Obwohl hier nur ein kleiner Streifzug durch mögliche Problembereiche getätigt wurde, wage ich folgende Feststellung. Die nächsten Wochen könnten ein heftiges. weiteres Hin-und-Her an den Märkten bringen, ein Hoffen und Bangen. Sowohl Bullen und Bären ist klar, dass bald 10 Jahre Aufschwung vorüber sind – ein Anstieg von 6547 auf 26828 Punkten Im Dow und von 3666 auf 13559 im Dax – Tempi passati?

Die Fed-Politik wird ungewollt dazu beitragen, da sie „data driven“ agieren will und damit keine langfristige Strategie mehr verfolgt, sondern auf volatile Konjunkturdaten achtet.

Das wird weiter für Volatilität sorgen (die Daytrader mögen jubeln) und für mich bleibt die Erkenntnis: Die Börsenverfassung (diesseits und jenseits der künftigen Seidenstraße) verträgt weder eine Eskalation im Zollstreit noch weitere Geldverknappung, sonst nimmt die Schwerkraft ihren Lauf, bildlich gesprochen. Die Wahrscheinlichkeit einer technischen Rezession, also der Wachstumsschrumpfung für zwei Quartale in 2019, ist ziemlich groß. Ich hatte bereits in meinen Kommentaren im Frühjahr 2018 – im ubiquitären Goldlöckchen-Umfeld – immer wieder erwähnt, dass ich von einer Rezession im kommenden Jahr ausgehe. Eine heißlaufende Konjunktur noch mit einer billionenschweren Steuerreform zu befeuern, das ist wie bei einem Leistungssportler, der in Hochform unterstützende Mittel erhält, aber dann sein Dopingmittel absetzen muss.

Deshalb bleibe ich weiter bei meinem Szenario Rezession 2019, es stellt sich nur die Frage, ob Trump ihr Eintreten beschleunigt oder die Fed dieses hinausschiebt. Kurzfristig sollte es nochmal zu einer Gegenbewegung kommen, in den Dax-Kursen ist ein Abschwung bereits eingepreist.

Aber, ich will hier nicht übermütig werden mit meinen Vorhersagen, denn Börsenvorhersagen sind bekanntermaßen noch schwieriger als Wettervorhersagen und da haben wir trotz Satelittentechnik noch nicht einmal eine 90% -Wahrscheinlichkeit für die nächsten paar Tage erreicht.

 

 

Von André Karwath aka Aka – Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=36138

 



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1 Kommentar

  1. Noch ein Grund für eine eher abschwächende Wirtschaft.
    Das obere Drittel der US- Bevölkerung hatte 10 Jahre steigende Vermögenszuwächse mit den unüblichen gleichzeitigen Steigerung von Aktien,Immobilien u.Anleihen.Ende dieses Jahres wird wegen der Verluste der meisten Anlageklassen dieses Drittel eine negative Jahresbilanz haben, was nicht konsumfördernd wirkt.
    Die unteren ca. 50% werden mit den Zöllen bestraft, weil sie praktisch von der Hand in den Mund leben oder sogar verschuldet sind. Die grossen Dicken, die von den schuldenfinanzierten Steuererleichterungen am meisten profitieren, werden je nach Geschick Ende Jahr reicher oder ärmer sein.Wenn ich denke, dass sogar der Gretzky der Finanzwelt aus Nebraska sich wegen zu viel Äpfelkonsum einen Durchfall erlitten hat,
    könnten auch noch andere an der einseitigen FANG – Positionierung gelitten haben.
    Diese Leute beeinflussen zwar die Konsumgesellschaft nicht zu stark, haben sie doch schon 10 Ferraris
    u.10 Villen an den steuergünstigsten Plätzen. Sie würden den Markt höchstens beeinflussen, wenn sie dann
    verkaufen würden oder müssten u.andere bisherige Bewunderer nicht mehr zu Käufen auf höchstem Niveau
    animieren würden.

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