Man kann es wirklich als Opportunismus in Reinkultur bezeichnen. Sämtliche US-Großbanken sind die letzten Wochen aus Klima-Verbänden ausgetreten. Meta-Boss Mark Zuckerberg dient sich in Rekordzeit Trumps Weltsicht an – keine Faktenchecker mehr, Diversity-Stellen und Sonstiges werden hausintern eingestampft. Und auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos, wo Argentiniens Präsident Javier Milei im letzten Jahr noch ein Störenfried war, der die grün-diverse Weltsicht der mit Learjet angereisten Weltelite störte, schwenkt man nun ganz schnell um auf die konservative Weltanschauung von Donald Trump. Kein Konzern, keine Bank, kein super-reicher Opportunist will es sich verscherzen, also will man Grün auf einmal nichts mehr wissen.
Bloomberg berichtet aktuell: Persönlich wird er gar nicht erscheinen und seine Videoansprache wird zu einem Zeitpunkt stattfinden, an dem sich das Weltwirtschaftsforum 2025 bereits seinem Ende zuneigt. Aber Donald Trump ist in Davos noch immer Gesprächsthema Nummer Eins. Fans wie der argentinische Präsident Javier Milei feiern ihn. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj blickt hoffnungsvoll auf seinen neuen amerikanischen Amtskollegen. Trump-Kritiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz halten sich bedeckt.
In dem Schweizer Bergkurort gibt es kaum ein Gespräch, in dem nicht eine Einschätzung der Pläne des neuen Präsidenten fällt. “Wenn man das Spielfeld nicht versteht, auf dem Trump spielt, kann man seine Vision kaum verstehen“, sagte Milei am Mittwoch im Bloomberg House gegenüber Bloomberg-Chefredakteur John Micklethwait. “Die Leitlinien, die er vorschlägt, werden uns zweifelsohne eine bessere Welt bringen.“
Als libertärer Purist und erster ausländischer Staatschef, den Trump nach seinem Wahlsieg empfing, sieht Milei keinen Konflikt zwischen seinen Ansichten zum Freihandel und Trumps Vorliebe für Zölle. “Es ist nicht so, dass er ein Protektionist wäre, aber er weiß, welche Rolle die USA in der Welt spielen und dass ihre Handelspolitik Teil ihrer geopolitischen Strategie ist“, sagte Milei.
Andere Staats- und Regierungschefs zeigten sich zwar nicht ganz so begeistert, signalisierten aber, dass sie bereit seien, nach Trumps Regeln zu spielen. “Hören Sie auf das, was Präsident Trump zu sagen hat, und handeln Sie entsprechend“, sagte der finnische Präsident Alexander Stubb in einem Interview. “Ein Land wie Finnland wird das sicherlich tun.“ Einige waren etwas koketter. “Wenn das Golfspielen meinem Land und meinem Volk Vorteile bringt, dann kann ich den ganzen Tag lang Golf spielen“, sagte der vietnamesische Premierminister Pham Minh Chinh und löste damit Gelächter im Publikum aus.
Im Laufe eines Jahres hat sich viel verändert. Als Francine Lacqua von Bloomberg TV im Januar vergangenen Jahres die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, zur Aussicht auf Trumps Wiedereinzug ins Oval Office befragte, scherzte diese, sie brauche noch eine Tasse Kaffee, bevor sie die Frage beantworten könne.
Das Publikum hat damals gelacht. Aber jetzt lacht niemand mehr. Ein Chor von Staats- und Regierungschefs aus dem Euroraum hat in dieser Woche die Kritik der Vergangenheit gegen eine neue Nettigkeit ausgetauscht. “Wir müssen in unseren Beziehungen mit der neuen Regierung einen konstruktiven Ansatz verfolgen“, sagte der sozialistische spanische Premierminister Pedro Sánchez bei Bloomberg TV.
Vergangenes Jahr nahm Mark Rutte als niederländischer Premierminister an dem Treffen in Davos teil, während er sich um seinen derzeitigen Posten als Nato-Generalsekretär bewarb, und lobte Trump dafür, dass er die Europäer zu höheren Verteidigungsausgaben drängt. Diese — damals etwas umstrittene — Ansicht ist heute allgemein anerkannt.
Der Regierungschef eines der jüngsten Mitglieder des Bündnisses, der schwedische Premierminister Ulf Kristersson, wählte seine Worte mit Bedacht. “Die Politik wird in den Vereinigten Staaten anders gemacht als in den europäischen Ländern“, sagte er am Mittwoch gegenüber Bloomberg TV. Selbst führende Politiker, die sich im Visier von Elon Musk wiederfanden, dessen massive finanzielle und Social-Media-Unterstützung für Trump dazu beigetragen hat, ihm einen Platz im inneren Kreis des Präsidenten zu verschaffen, versuchten, höflich zu bleiben.
Scholz beantwortete eine Frage zu Musks zunehmend offener Unterstützung der AfD in Deutschland, ohne den reichsten Mann der Welt beim Namen zu nennen: “Wir haben in Europa Redefreiheit — und in Deutschland kann jeder sagen, was er will, auch wenn er Milliardär ist“, sagte der amtierende Regierungschef.
Die britische Finanzministerin Rachel Reeves lachte über Musks “Trollerei“, auch wenn Mitte-Links-Regierungen wie die britische mit Trump auf Kriegsfuß stehen und versuchen herauszufinden, ob sie Musk ignorieren oder sich mit ihm einlassen sollen. Die Teilnehmer fragten sich diese Woche, ob Trump, der 2018 per Hubschrauber in Davos landete, sie vielleicht persönlich überraschen würde. Polens scheidender Präsident, Andrzej Duda, wurde bei dieser Aussicht munter. Trump “denkt immer unkonventionell“, sagte er in einem Bloomberg TV-Interview.
FMW/Bloomberg
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