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Dax fällt, Euro steigt – EZB ist der Grund – viele Expertenstimmen

Euro und Dax reagieren aktuell auf die Aussage von EZB-Chefin Lagarde, dass man mit dem Zinssenkungszyklus an sein Ende komme.

Euro-Bargeld
Foto: Bilanol-Freepik.com

Die EZB hat die Zinsen um 14:15 Uhr wie erwartet gesenkt von 2,25 % auf 2,00 % im Einlagensatz. Dann ab 14:45 Uhr fand die Pressekonferenz mit EZB-Chefin Christine Lagarde statt. Und hier wurde es interessant: Ab 15:10 Uhr sagte Lagarde zwei Mal, dass sich die EZB mit ihrer heutigen Zinssenkung dem Ende des Zyklus nähert. Also sind Zweifel angebracht, ob es in diesem Jahr überhaupt noch zu einer weiteren Zinssenkung kommen wird. Diese Aussicht lässt den Dax seit 15:10 Uhr fallen um 170 Punkte binnen einer Stunde, der Euro steigt gegenüber dem US-Dollar von 1,1428 auf 1,1473. Weniger Zinssenkungen sind schlecht für den Aktienmarkt und positiv für die jeweilige Währung!

EZB-Sitzung – Wirklich die letzte Zinssenkung?

Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, schreibt aktuell in seiner Headline-Aussage: Auf der heutigen Pressekonferenz betonte EZB-Präsidentin Lagarde, dass die EZB zum Ende des Zinssenkungszyklus komme. Trotzdem überwiegen noch die Argumente für einen weiteren, letzten Zinsschritt nach der Sommerpause. Die Kerninflation sollte wegen des gefallenen Ölpreises und der Euro-Aufwertung zunächst weiter sinken. Dieses Argument für eine weitere Zinssenkung werden sich die vielen Tauben im EZB-Rat wohl nicht entgehen lassen.

EZB senkt Zinsen – Expertenaussagen

Wie beurteilen Analysten und Ökonomen die aktuelle Zinssenkung der EZB? Hier die aktuelle Aussage vom deutschen Bankenverband: Nach der heutigen Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) spricht sich der Bankenverband für eine Zinspause in den kommenden Monaten aus. „Inzwischen gibt es sehr gute Gründe, über den Sommer hinweg erstmal auf weitere Zinsschritte zu verzichten“, sagt Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Der Leitzins liegt nach dem heutigen Beschluss bei 2,0 Prozent und damit am unteren Rand des neutralen Niveaus. „Weitere Zinssenkungen der EZB würden die Inflation wieder aktiv antreiben“, warnt Herkenhoff. „Das wäre nicht ohne Risiko – gerade jetzt, wo niemand genau weiß, welche Preiseffekte tatsächlich aus den Handels- und Zollkonflikten entstehen.“

Auch der Rückgang der Inflationsrate im Mai unter die 2-Prozent-Zielmarke der EZB ändere an dieser Einschätzung nichts. Denn bereits im September 2024 lag die Teuerungsrate mit 1,7 Prozent kurzzeitig unter dem Zielwert. „Doch das hielt nicht lange. Anfang des Jahres waren wir wieder bei 2,5 Prozent“, erinnert der Chef des Bankenverbandes. „Zudem sprechen eine expansivere Finanzpolitik, die Neuausrichtung globaler Produktions- und Lieferketten sowie die historisch niedrige Arbeitslosigkeit im Euroraum gegen eine dauerhaft zu niedrige Inflationsrate“, so Herkenhoff. Sein Fazit: „Die europäischen Währungshüter sind gut beraten, wenn sie bei den Leitzinsen nun eine längere Zinspause einlegen. Es wäre ein Zeichen von Augenmaß und Stabilität.“

Nachfolgend zeigen wir Aussagen, zusammengestellt von Bloomberg.

Gunter Deuber, Chefvolkswirt, Raiffeisen Bank International

Mit der heutigen Senkung sind die Leitzinsen klar im neutralen Bereich angekommen, aber noch nicht am unteren Rand dieser Zinsspanne. Nicht wenig überraschend ging Präsidentin Lagarde behutsam mit Signalen über das weitere Vorgehen um, jedoch wurde klar kommuniziert, dass man mit dem aktuellen Zinsniveau “gut positioniert” ist. Eine Zinssenkung auf der nächsten Sitzung im Juli erscheint daher unwahrscheinlich. Aber die vorgenommenen Abwärtsrevisionen beim Inflationsausblick, welche die Inflation bei oder unter dem 2%-Ziel sehen, sprechen für weiteren Zinssenkungsspielraum. Ob und wenn ja und wann im dritten Quartal mindestens eine weitere Zinssenkung vorgenommen wird oder sogar mehr, hängt angesichts des konstruktiven Inflationsausblicks auch maßgeblich von politischen Ereignissen im Sommer ab, endet doch am 9. Juli die Schonfrist der Trump-Zölle.

Michael Holstein, Chefvolkswirt, DZ Bank

Die Zinssenkung auf 2,0% beim Einlagesatz war erwartet worden. Es ist auch keine Überraschung, dass die EZB bei ihrem “Meeting-by-Meeting-Approach“ bleibt und sich auf den weiteren geldpolitischen Kurs nicht festlegt. Vor dem Hintergrund der großen Unsicherheit, besonders mit Blick auf Trumps Zollpolitik, müssen sich die Währungshüter alle Optionen offen halten.

Bei einer aktuellen Inflationsrate von 1,9% ist der reale Zinssatz bei ungefähr Null. Damit ist die Geldpolitik bereits leicht expansiv ausgerichtet. Die Möglichkeit, den Realzins noch deutlich ins Negative zu steuern, hält sich die EZB offen. Vor der Sommerpause wird sie diesen Schritt jedoch vermutlich nicht vornehmen, sondern erst einmal abwarten. Im Juli laufen die Fristen bei den Zollerhöhungen Trumps ab. Das könnte nicht nur die Exporte des Euro-Raums belasten, sondern auch zu Abwärtsdruck bei den Preisen durch mehr Importe aus China führen. Die Prognose der EZB, dass die Inflationsrate im Jahr 2027 wieder bei 2,0% und damit genau auf dem Zielwert stehen wird, bekräftigt, dass derzeit kein weiterer Handlungsbedarf für die Geldpolitik besteht. Die Notenbanker können zunächst abwarten, wie sich die geo- und handelspolitischen Risiken in den kommenden Monaten weiterentwickeln.

Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt, IKB

Aktuell wird der neutrale Zinssatz in der Spanne von 1,75% bis 2,0% gesehen. Die EZB ist also im neutralen Bereich angekommen.
Trotz erhöhter Konjunkturrisiken ist eine Zinspause von der EZB nun zu erwarten. Denn Inflationserwartungen geben der EZB aktuell wenig Raum für eine expansive Geldpolitik. Auch ist die EZB nach Jahren der erhöhten Inflation in der Bringschuld. Inflationsprognosen reichen alleine nicht aus, Erwartungen bei 2% zu verankern. Deutlich sinkende Renditen am langen Ende der Zinskurve sind kurzfristig nicht zu erwarten.

Alexander Krüger, Chefvolkswirt, Hauck Aufhäuser

Die EZB hat die Leitzinsen binnen Jahresfrist halbiert. Ihre Rhetorik bleibt im Kern bestehen. Danach sind künftige Leitzinsentscheidungen weiter von der Datenlage abhängig. Die Hürde dürfte jetzt aber höher liegen, führt der nächste Zinsschritt doch in den leicht expansiven Bereich. Diesen Vorstoß bedarf es eher nicht, da sich der Rückgang der Kerninflationsrate auf 2,3% erst noch beweisen muss. Zudem sind wohl eine Reihe schwächerer Konjunkturdaten erforderlich, die sich zurzeit nicht abzeichnen. Dies auch deshalb, weil die deutsche Wirtschaft die Kurve zu bekommen scheint. Für die Wirtschaft wichtiger als niedrigere Zinsen bleiben Strukturreformen. Auch wegen des ungeklärten Zollthemas wird sich die EZB vorerst einen Zinssenkungsstopp verordnen. Die Tür für Leitzinssenkungen bleibt dennoch geöffnet.

Thomas Haas, Volkswirt, BVR

Die EZB dürfte nach der heutigen Zinssenkung in eine geldpolitische Sommerpause gehen. Der Einlagesatz wurde erwartungsgemäß auf 2,0% gesenkt — ein Schritt, der angesichts des bislang preisdämpfend wirkenden Handelskonflikts mit den USA, sinkender Lohndynamik und zuletzt schwächeren Inflationszahlen gut begründet ist. Die Geldpolitik bewegt sich nun klar im neutralen Bereich. Angesichts des fragilen gesamtwirtschaftlichen Umfelds dürften weitere Zinsschritte aber frühestens mit den neuen Projektionen im September folgen.

Ulrich Kater, Chefvolkswirt, DekaBank

Wir sind langsam am Ende der Zinstreppe nach unten angekommen. Ein oder maximal zwei Schritte könnten noch folgen, dann hat die EZB ein neues Gleichgewicht erreicht. Damit kann auch vorläufig ein Haken an den Inflationsschock von vor zwei Jahren gemacht werden. Zwar sind immer noch nicht alle Inflationsviren ausgeschwitzt, denn insbesondere bei Dienstleistungen steigen die Preise noch zu schnell. Aber in den kommenden Monaten sollten vor allem die Energiepreise für weitere Entlastung bei der Inflationsentwicklung sorgen. Die Geldpolitik unterstützt mit ihren niedrigen Leitzinsen nun auch die Konjunktur im Euroraum, wo gegenwärtig erste Aufschwungshoffnungen aufkommen.

Reinhold Rickes, Chefvolkswirt, Deutscher Sparkassen- und Giroverband

Die neuen Projektionen der EZB und der heutige Leitzinsschritt zeigen deutlich an: Künftig werden die geldpolitischen Entscheidungen verstärkt die Konjunkturentwicklungen im Blick behalten. Nach den EZB-Projektionen zur Inflation sollte die Inflation bis 2027 moderat und sogar leicht unter dem Zielwert bleiben. Dabei sind drastische Aufwertungen des Euro zum US-Dollar nicht eingepreist — so schlummert am Horizont das Risiko weitere aufwertungsbedingter Preissenkungen im Euroraum. Die aktuelle Lage der Schweiz mit Deflation und baldigen negativen Leitzinsen sollte uns alle nachdenklich stimmen.

Doch wie kann ein solches Szenario verhindert werden? Die Antwort liegt auf der Hand: Wachstum, Wachstum und nochmals Wachstum! Und hier stellt sich die Frage, ob weitere Leitzinssenkungen über das so genannte neutrale Niveau hinaus helfen. Schon die letzten Zinssenkungen haben am langen Ende der Zinsstruktur kaum Senkungen gebracht. Zölle, Maßnahmen zur Überwindung der Stagnation beziehungsweise finanzielle Stabilität haben hier stärker auch das langfristige Zinsniveau gewirkt, welches für Investitionen und Häuslebauer entscheidungsrelevant sind.

So stellt sich die Schlüsselfrage für die Geldpolitik: Könnte bei anhaltender Wachstumsschwäche auch ein Leitzinsniveau unter 1% helfen, die Wirtschaft über vergünstigte Zinskosten zu stimulieren? Hier ist mit Blick auf die vergangenen Krisen doch Skepsis angezeigt. Die Wachstumsschwäche kann jetzt vor allem über die Wirtschafts- und Finanzpolitik überwunden werden. Dazu wurden gestern beispielsweise erste wichtige Reformen bei den Abschreibungen in Deutschland auf den Weg gebracht. Und weitere Maßnahmen wie der Abbau von Bürokratie (Stichwort: Omnibusse) müssen nun schnell zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europa folgen. Fazit: Die Geldpolitik sollte mit weiteren Zinssenkungen vorsichtig bleiben und die Wirtschafts- und Finanzpolitik jetzt handeln!“

Ulrike Kastens, Volkwirtin Europa, DWS

Mit der heutigen Zinssenkung reagiert die EZB auf die sich weiter verbessernden Inflationsaussichten, was sich auch in den Projektionen für die Inflationsrate der Jahre 2025–2027 widerspiegelt. Der Wachstumsausblick blieb dagegen unverändert. Insgesamt hat die EZB die Leitzinsen seit Juni 2024 um 200 Basispunkte gesenkt. Durch die heutige Senkung sollten sich die Finanzierungsbedingungen weiter verbessern, was eine willkommene Unterstützung für die Konjunktur darstellt.

Christian Lips, Chefvolkswirt, NordLB

Die heutige Zinssenkung war schon vorher in trockenen Tüchern, mit Spannung wurde hingegen der weitere Ausblick für die Geldpolitik erwartet.
Mit der Senkung des Einlagesatzes auf 2,0% hat die EZB nun endgültig den restriktiven Bereich verlassen. Die deutlich geringere Inflationsprojektion für 2026 (1,6% Y/Y) dürften die Debatte über das Risiko eines Unterschießens am Leben erhalten — die Projektion von 2,0% für 2027 spricht aber eher für einen “transitorischen“ Effekt, vor allem bedingt durch Eurostärke und niedrigere Energiepreise. Über allem schwebt derzeit das Damoklesschwert einer Eskalation der Handelskonflikte mit den USA. Kurzfristig dürften die Abwärtsrisiken für den Konjunktur- und Inflationsausblick dominieren. Auf mittlere Sicht besteht aber das Risiko, das Handelseinschränkungen als negativer Angebotsschock wirken und zu neuen Inflationsrisiken beitragen. Dies könnte zudem zeitlich mit dem positiven Nachfrageschock durch die Neuausrichtung der Fiskalpolitik zusammenfallen.

Der weitere Zinssenkungsspielraum dürfte daher — auch vor dem Hintergrund der Wirkungsverzögerungen geldpolitischer Maßnahmen — tatsächlich kleiner sein als der reine Blick auf die jüngsten Inflationszahlen oder die Erwartungen für 2026 vermuten lassen. Aufgrund der anhaltend hohen wirtschaftspolitischen Unsicherheit sprechen zudem gute Gründe dafür, dass die Währungshüter weiter auf Sicht fahren und von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Der Lockerungsmodus dürfte noch nicht ganz beendet sein, im Basisszenario rechnen wir aber nur noch mit einer weiteren Zinssenkung in Q3.

FMW/Bloomberg



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