Eine komplizierte Gemengelage bei der anstehenden Bundestagswahl, wieder steigende Arbeitslosigkeit und die kriselnde Autoindustrie — nach einer guten Erfolgsbasis für Deutschlands Unternehmen sieht es 2025 nicht aus. Der Blick auf die Gewinnprognosen ergibt jedoch ein etwas anderes Bild — zumindest für Großkonzerne. Dazu hier die Aussagen von Bloomberg: Die Unternehmen im Dax dürften 2025 beim Gewinn je Aktie ein mittleres Wachstum von mehr als 10% erzielen — laut von Bloomberg Intelligence zusammengestellten Daten wäre dies in Europa die größte Verbesserung. Der Index ist die einzige europäische Benchmark, für die bei den Firmengewinnen zweistelliges Wachstum erwartet wird — obwohl zu den 40 Dax-Werten auch die Autohersteller BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen gehören. Zum Vergleich: Im breiten Stoxx Europe 600 wird nur mit 7,1% Gewinnschub gerechnet und beim französischen CAC 40 mit 8,8%.
Nach Ansicht der Bloomberg-Intelligence-Aktienstrategen Kaidi Meng und Laurent Douillet gibt es jedoch einige Risiken. Ein großer Teil des Wachstums wird von der Erholung der konjunktursensiblen zyklischen Sektoren und — ganz entscheidend — von der angeschlagenen deutschen Automobilindustrie abhängen. Douillet rechnet damit, dass die Belebung erst in der zweiten Jahreshälfte einsetzen könnte. Das sei freilich “nicht garantiert“, betonten die Strategen und verwiesen dabei auf Risiken wie das hohe China-Exposure der Dax-Unternehmen, die Neuwahlen im Februar, die die innenpolitische Landschaft verändern könnten, und die mögliche Einführung neuer US-Zölle unter Donald Trump, der am 20. Januar als Präsident vereidigt werden soll.
Die Autohersteller dürften in den 2024er-Bilanzen wahrscheinlich einige Belastungen ausweisen, was laut Douillet mit Blick auf dieses Jahr bei den Zahlen für eine einfachere Vergleichsbasis sorgen dürfte. Der Löwenanteil des Dax-Wachstums sei von Deutsche Bank, Siemens, SAP, Adidas und Porsche zu erwarten. Unwägbarkeiten gebe es indessen viele, so Douillet. “Längerfristig droht dem deutschen BIP ein weiteres Jahr der Schrumpfung, so dass eine klare Gangart der Regierung und ein Bekenntnis zur fiskalischen Expansion entscheidend für die Wiederbelebung der sich verlangsamenden Wirtschaft und die Bewertung des Dax sein werden.”
In den Wahlumfragen in Deutschland führt die Union mit fast 33% Zustimmung, wie aus dem jüngsten Bloomberg-Umfragedurchschnitt hervorgeht. Die AfD liegt mit 18% an zweiter Stelle, die Sozialdemokraten mit 16% an dritter. Die Politik hat es bisher versäumt, Antworten zur Wiederbelebung der schwächelnden deutschen Wirtschaft zu finden. Sie wird nach den jüngsten Prognosen der Bundesbank 2025 kaum wachsen, nachdem sie im vergangenen Jahr geschrumpft ist.
Eine Unbekannte sei, ob die vorgezogenen Bundestagswahlen “gewisses Potenzial für eine Lockerung der Schuldenbremse” bringen werden, hatte Analystin Sophie Warrick von JPMorgan Mitte Dezember in einer Analyse angemerkt. Eine ausgabefreudigere, wachstumsfreundliche Regierung in Berlin wäre eine positive Überraschung, so die Analysten von Barclays in einer Mitteilung vom 4. Dezember.
Gegenüber den USA liegen die europäischen Börsen (FMW: Leitindizes wie CAC40 oder Dax) noch immer im Hintertreffen. Beim Euro Stoxx 50 wird 2025 ein Gewinnwachstum von 7,5% erwartet, nachdem es im letzten Jahr 4% abwärts ging. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Erholung zyklischer Sektoren, so bei aufschiebbaren Konsumgütern, Energie und Technologie sowie ein anhaltendes Wachstum in den Segmenten Industrie- und Finanzen, so Meng und Douillet von BI. “In Bezug auf das Wirtschaftswachstum ist Europa — und insbesondere sein deutsch-französischer Motor — derzeit das schwächste Glied und wird es auch 2025 bleiben“, schrieben die Oddo BHF-Strategen um Thomas Zlowodzki in einer Mitteilung vom 10. Dezember.
Einige Analysten haben damit begonnen, ihre Erwartungen für das europäische Gewinnwachstum im Jahr 2025 zurückzuschrauben. “Wir glauben, dass die Aktien der Eurozone noch eine Weile zu kämpfen haben werden, sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen“, sagte Warrick von JPMorgan. “Positiv zu vermerken ist, dass die Bewertungen und die Positionierung bereits gedrückt sind. Dies könnte zu einer gewissen Erholung führen, sobald die Zollrisiken, die Gewinnrisiken und die geopolitischen Risiken verdaut sind.“
FMW/Bloomberg
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