Der Dax rennt auf immer neue Höchststände, man kommt gar nicht mehr hinterher beim Betrachten der Charts. Die letzten fünf Tage ist es ein Plus von 3,2 %, seit Jahresanfang sind des +12,6 % auf aktuell 22.551 Punkte. Neben guten Quartalszahlen und sinkenden Zinsen kam seit gestern Abend als neues „Bullen-Narrativ“ meiner Meinung nach noch hinzu, dass Trumps gestern Abend verkündete große Zoll-Offensive erst in sechs Wochen fertig aufbereitet ist, und dass große Handelspartner bis dahin mit ihm noch „Deals“ aushandeln könnten, damit die ganze Sache im Sand verläuft. Das wäre ein mögliches Szenario, was Dax und Co aktuell wohl spielen. Denn gerade deutsche Exporteure wären von umfangreichen Zöllen der USA massiv betroffen.
Aber natürlich ist das eine hochriskante Sichtweise, dass die Zölle doch nicht so schlimm kommen wie befürchtet. Donald Trump wirkt deutlich entschlossener als in seiner ersten Präsidentschaft, den Erdball mit US-Zöllen zu pflastern. Aber das jüngste Trump-Putin-Telefonat hilft natürlich kurzfristig. Hoffnung auf ein Ende des dreijährigen Debakels in der Ukraine hebt die Stimmung. Abseits von diesem fundamentalen Faktoren wirft das deutsche Team von Bloomberg News aktuell einen Blick auf die Markttechnik, und betitelt seinen Text mit den Headlines „Dax kennt kein Limit“ und „Was tun bei RSI 80?“. Hier die Aussagen im Wortlaut: Europäische Aktien und insbesondere der Dax sind derzeit nicht zu bremsen. Solide Unternehmens- und Konjunkturdaten, schwindende Zollängste und die zumindest kleine Chance auf ein Ende des Ukraine-Krieges heben die Stimmung. Das Momentum ist so stark, dass fast alle europäischen Leitbörsen in den überkauften Bereich vorgedrungen sind. Dazu muss der Relative-Stärke-Index über 70 Punkte steigen. Beim Dax liegt der Wert auf Basis des Schlusskurses vom Donnerstag sogar über 80.
Normalerweise wird ein solch hoher Wert als Warnsignal gewertet. Betrachtet man die Historie jedoch genauer, fällt das Urteil eher gemischt aus. Von den 53 Fällen, in denen der Dax ein solches Niveau erreichte, fiel er in den Zeiträumen von 5 und 20 Tagen nur in der Hälfte der Fälle. Die durchschnittliche Bewegung in beide Richtungen in den folgenden 5 Tagen betrug 1,8%. Über den längeren Zeitraum betrug der durchschnittliche Gewinn 3,7%, gegenüber einem durchschnittlichen Verlust von 2,1%.
Kein unmittelbarer Grund zur Beunruhigung also. Klar ist aber auch, dass Märkte auf diesem Niveau immer anfälliger für negative Überraschungen werden und mögliche Kurskorrekturen plötzlicher und heftiger ausfallen können als normal. Mit der Bundestagswahl in nur einer Woche besteht zudem die Möglichkeit, dass Investoren in der kommenden Woche das Risiko etwas reduzieren.
FMW/Bloomberg
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Vielleicht einer der wichtigsten Artikel der letzten Tage hier auf FMW. Viele (Klein-)Anleger haben sich durch voreiliges Shorten des Dax eine blutige Nase abgeholt, auch durch die schon seit Wochen bestehenden Hinweise nicht weniger „Marktbeobachter“, der Dax sei stark überkauft.
Vielleicht konzentriert man sich mehr an den fundamentalen Dingen. Ist der Ukraine-Krieg wirklich kurz vor dem Ende? Heute hat sich der Kreml sehr verwundert über die Äußerung von Vance gezeigt, man verfüge über hinreichend starke ökonomische UND militärische Mittel, die Russen zu einem Friedensschluss zu bewegen. Drohungen wie bei Gaza („sonst bricht die Hölle aus“)? Putin hat schon viel zu viel investiert, um sich auf Konditionen einzulassen, die unterhalb dessen sind, was er seit Jahren verkündet.
Noch wichtiger wird sein, was am 1. März geschieht. Was wurde Trump in den letzten Tagen dafür verspottet, dass nach seinen Ankündigungen von 25% Zoll auf alles aus Kanada und Mexiko nichts mehr übrig blieb, und dies als Gegenleistung für „etwas Grenzsicherung“.
Es ist kaum vorstellbar, dass Trump tatsächlich die Sache hiermit ad acta legen wird. Ein realistisches Szenario könnte darin bestehen, dass Trump den beiden Ländern Anfang März mitteilt, dass aufgrund ihres guten Willens zur Zusammenarbeit bei der Grenzsicherung es keine Zölle von 25% geben wird – sondern eben nur von 15%.
Bereits ein allgemeiner Zoll von 5-10% auf alles aus Kanada und Mexiko sollte zu einem deutlichen Rücksetzer der US-Märkte führen. Ob sich der Dax dem entziehen können wird?