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Extreme Widersprüche DAX: Selbstzufriedenheit, gleichzeitig Zukunftspessimismus

Das gab es zuletzt im Sommer 2020

Dax Selbstzufriedenheit und Pessimismus

Der DAX ist in der letzten Woche erneut angestiegen. Bei geringer Volatilität, also unter geringen untertägigen Schwankungen, geht es kontinuierlich bergauf. Ferienbedingt ist das Handelsvolumen jedoch gering. Insbesondere die schwindenden Inflationsängste haben für Kauflaune bei den DAX-Anlegern gesorgt.

DAX: Selbstzufriedenheit und gleichzeitig Zukunftspessimismus

So ist das Anlegersentiment im DAX leicht auf 3% angestiegen (Vorwoche 2,7%). Erst ab Werten über 4% sprechen wir von Euphorie, somit ist die derzeitige Stimmung also noch als moderat positiv zu bezeichnen.

Auch die Selbstzufriedenheit ist mit einem Wert von 2,4% moderat positiv. Wenn der Wert selber auch nicht besonders auffallen mag, so ist er doch etwas Besonderes: Seit November 2021 waren unsere Umfrageteilnehmer nicht mehr so selbstzufrieden wie diese Woche. Sie werden sich erinnern, wie die Selbstzufriedenheit im Crashjahr 2022 in Verunsicherung umschlug und für ein Jahr kontinuierlich im negativen Bereich verharrte. Selbst die seit Ende September angelaufene Rallye konnte die Verunsicherung nur sehr langsam beseitigen und erst diese Woche springt der Wert erstmals wieder auf ein Niveau, bei dem ich von einer moderaten Selbstzufriedenheit sprechen würde.

Doch die Selbstzufriedenheit wird von einem großen Zukunftspessimismus begleitet: Mit einem Wert von -2,3% notiert die Zukunftserwartung auf dem niedrigsten Wert seit … bitte warten Sie einen Augenblick, ich suche noch … hmm, da auch nicht … oh, es ist der niedrigste Wert seit dem Sommer 2020, seit Corona! Bären dominieren das Stimmungsbild.

Und so ist es wenig verwunderlich, dass die Investitionsbereitschaft im DAX auf 0,0% steht (Vorwoche -0,1%). Auch die beiden Werte von 0,0% oder -0,1% sind die niedrigsten Werte seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges. Also auch die Investitionsbereitschaft ist auf einem extrem niedrigen Niveau.

Das Euwax-Sentiment der Privatanleger ist auf -3% leicht gefallen. Offensichtlich steigt die Nachfrage nach Absicherungsprodukten wieder leicht an.

Ein ähnliches Bild zeigt das Put/Call-Verhältnis der Eurex, über die sich institutionelle Anleger absichern. Der Wert von +2,3% zeigt eine verhältnismäßig starke Nachfrage nach Put-Absicherungen. Und auch das Put/Call-Verhältnis der CBOE in den USA zeigt eine leicht erhöhte Absicherungsneigung an.

US-Fondsmanager haben ihre Investitionsquote auf 59% reduziert (-14%-Punkte). Auch hier wird die defensive Ausrichtung sichtbar.

Die Bulle/Bär-Differenz der US-Privatanleger zeigt einen Bullenschwund: Nach 33% Bullen vor einer Woche bleiben diese Woche nur noch 26% übrig, der Rest ist ins Lager der Neutralen gewechselt. Das Bärenlager bleibt unverändert bei 35%. Damit verzeichnen wir nicht etwa eine Zunahme des Pessimismus, sondern eine Zielerfüllung bei den Bullen, die sich daher aus dem Geschehen verabschieden.

Der technische Angst und Gier Indikator des S&P 500 notiert bei 68% und zeigt leichte Gier an.

Interpretation der DAX-Stimmung

Der überbordende Pessimismus in unserer Umfrage sticht diese Woche heraus. Ich bin die Daten unserer animusX-Datenbank durchgegangen und muss feststellen, dass es nur sehr wenige Vergleichswerte gibt. Zunächst im Mai 2006, als wir auf die große Immobilienkrise zuliefen. Die Sentimentdaten haben die Katastrophe damals offensichtlich vorausgesagt. Dann im Juni 2009, also drei Monate nach dem Tiefpunkt des Immobiliencrashs, sowie im Januar 2010. Im Nachgang einer großen Finanzkrise blieb der Pessimismus also noch lange Zeit erhalten, die Erholung an den Finanzmärkten wurde ungläubig beobachtet. Schließlich gab es noch einen Extremwert im Juni 2022, also im vergangenen Sommer, als offensichtlich wurde, dass der Ukrainekrieg keine kurze Angelegenheit ist.

Ich würde den heutigen extremen Pessimismus in einer Linie mit 2009 und 2010 sehen, als die Erholung nach dem Crash schon deutliche Kursgewinne hervorbrachte und die vielen negativen Ereignisse, die zunächst ursächlich für den Crash waren, noch nicht gelöst waren. Denn Sie werden sich erinnern, dass beispielsweise die Deutsche Bank nach der großen Finanzkrise über Jahre von einem Skandal zum anderen stolperte.

Ein Tief im Aktienmarkt bildet sich nicht dann, wenn die Probleme gelöst werden. Ein Tief bildet sich dann, wenn man die Tragweite der Probleme abschätzen kann. Die Aktienmärkte steigen schon wieder, während die Katastrophen in der Gesellschaft Fuß fassen. Kommt dann irgendwann endlich eine Lösung in Sicht, so befindet sich der Aktienmarkt meist schon in der Nähe seines Hochs.

Ebenfalls als Unterstützung für die derzeitige DAX-Rally würde ich den Umstand sehen, dass die steigenden Kurse dieser Woche von Anlegern für Gewinnmitnahmen genutzt wurden. Die Investitionsquote, die vor einer Woche noch auf extrem hohem Niveau lag, ist diese Woche deutlich zurückgegangen, ohne dass dies Druck auf die Kurse ausgeübt hätte.

Alles in allem haben wir also eine durchaus konstruktive Stimmungsentwicklung beim DAX. Zumindest kurzfristig dürften Rückschläge überschaubar bleiben. Offen bleibt natürlich, wie nah wir uns bereits am Hoch befinden und welche künftigen Krisen der Rally ein Ende setzen könnten.



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