Deutsche Anleiherenditen und Dax steigen heute quasi parallel kräftig an. Wie kann das sein? Denn eigentlich verlaufen beide doch eher gegenläufig. Denn je höher die Renditen für Anleihen, desto rentabler ist es für Anleger, Anleihen zu kaufen. Dann würde man eigentlich von Aktien hin zu Anleihen umschichten, was fallende Aktienkurse bedeuten würde?
Anleiherenditen + Dax kräftig rauf – die Erklärung
Aber nicht so heute. Wir sehen im Chart den Verlauf seit Donnerstag letzter Woche: In blau sehen wir die Rendite für zehnjährige deutsche Bundesanleihen. Von 2,38 % am Freitag Abend sehen wir heute einen Anstieg auf 2,51 %, ein deutlicher Sprung nach oben! In rot sehen wir den GER40 CFD für die 40 größten deutschen Aktien. Der Dax steigt heute kräftig an um 2,75 % weit über 23.000 Punkte – eine wirklich kräftige Aufwärtsbewegung.
Ein gleichzeitiger Anstieg von Dax und Anleiherenditen – dies ist heute möglich aufgrund einer geopolitischen Konstellation. Donald Trump hat den ukrainischen Präsidenten Selenskiy am Freitag kräftig brüskiert, vor aller Welt. Damit wurde den Europäern schlagartig klar gemacht, dass sie jetzt schnell in Eigenregie handeln müssen. Am Wochenende versprachen europäische Führer bei einem Treffen in Großbritannien eine „Koalition der Willigen“, um die Ukraine massiv zu unterstützen. Am Donnerstag steht ein EU-Treffen an. Geld und Rüstung muss aufgetrieben werden, Europa wird diese Bereiche hochfahren, und das wohl so schnell wie irgend möglich.
Und der vermeintlich neue Bundeskanzler Friedrich Merz dürfte nun Druck auf die SPD ausüben, die deutschen Rüstungsausgaben kräftig hochzuschrauben. Die Schuldenbremse dürfte für den Themenblock Nachrüstung + Ukraine aufgeweicht werden. Vermeintlich mehr europäische Schulden für die Nachrüstung und Ukraine-Hilfe – auch in Deutschland? Allerhöchst wahrscheinlich! Mehr neue Schulden, das erhöht die Anleiherenditen. Und der Dax kann heute steigen, weil zahlreiche Industriekonzerne – allen voran der Rüstungssektor – auf umfangreiche Aufträge hoffen kann. Es geht nicht nur um Rüstungsaufträge, sondern auch um Infrastrukturaufbau in der Ukraine. Und so wird es möglich, dass wir heute einen gleichzeitigen Anstieg von Anleiherenditen und Aktien in Deutschland sehen – kein häufiges Pähonomen!
Anleihenrenditen steigen, da Verteidigungsversprechen weltweit für Aufsehen sorgen
Die Anleiherenditen stiegen am Montag, als die europäischen Staats- und Regierungschefs über die Unterstützung der Ukraine und verbesserte Sicherheitsmaßnahmen für den Kontinent diskutierten, was die Anleger dazu veranlasste, sich auf einen Anstieg der Verteidigungsausgaben vorzubereiten, so Bloomberg. Weiter wird berichtet: Die Rendite für deutsche 30-jährige Wertpapiere stieg um 10 Basispunkte, den höchsten Wert seit vier Monaten, und erreichte 2,81 %. Auch die Renditen im Vereinigten Königreich und in Frankreich stiegen, während Verteidigungsaktien die europäischen Indizes stützten und der Euro stärker wurde.
Die beiden Parteien, die voraussichtlich die nächste Regierung Deutschlands bilden werden, prüfen Optionen für umfangreiche Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur, da Europa massive Ausgaben zur Stärkung der Sicherheit des Kontinents in Betracht zieht. Beamte erwägen die Einrichtung von zwei Fonds mit einem potenziellen Wert von hunderten von Milliarden Euro für Verteidigung und Infrastruktur, wie Reuters berichtet.
„Es wäre eine fiskalische Wende von historischem Ausmaß“, sagte Robin Winkler, Chefökonom für Deutschland bei der Deutschen Bank, in einer Kundenmitteilung. “Wenn sich die Berichte vom Wochenende als richtig erweisen, würden die beiden Fonds einen bedeutenden fiskalischen Impuls darstellen.“
Ein Druckventil, das auf Veränderungen im Angebot deutscher Staatsanleihen reagiert – der Bund-Swap-Spread – fiel auf ein Rekordtief, wenn man die Daten seit 2007 betrachtet. Dies spiegelt die Besorgnis der Anleger wider, die mit der Aufgabe betraut werden, mehr Verkäufe zu absorbieren. Der Anstieg der Anleiherenditen und des Euro wurde durch Daten verschärft, die zeigen, dass sich die Euro-Inflation im Februar weniger verlangsamt hat als erwartet, was darauf hindeutet, dass die Europäische Zentralbank dem Ende ihres Zinssenkungszyklus näher kommt.
Was Bloomberg-Strategen sagen: „Da die Inflation immer noch auf Sparflamme kocht und die europäischen Staats- und Regierungschefs Ausgaben für die Verteidigung in einer Größenordnung in Betracht ziehen, die es seit Jahren nicht mehr gab, wird die steilere deutsche Zinsstrukturkurve vorerst kaum eine Atempause finden.“
– Ven Ram, Cross-Assets Strategist, Dubai
Der Euro stieg gegenüber dem Dollar um 0,7 % auf 1,0444 Dollar, da sich der Dollar von einem Zwei-Wochen-Hoch zurückzog. Der deutsche Leitindex stieg um bis zu 2,4 %, angeführt von einem Anstieg der Verteidigungsaktien, und übertraf damit die Werte des Euroraums.
„Höhere deutsche/europäische Verteidigungsausgaben haben das Potenzial, für ganz Europa transformativ zu sein“, sagte Ales Koutny, Leiter der internationalen Kurse bei Vanguard Asset Management Ltd. “Dies sollte zu etwas höheren Anleiherenditen in ganz Europa führen, aber zu einer deutlichen Stärke und Stabilität des Euro.“
Die Bewegungen auf den europäischen Märkten trugen dazu bei, die globale Risikobereitschaft zu erhöhen, die seit dem späten Freitag aufgrund von Kursgewinnen bei US-Aktien und einem Anstieg bei Kryptowährungen am Wochenende gestiegen ist. Auch die US-Anleiherenditen stiegen, wobei der 10-Jahres-Satz vor der Veröffentlichung der US-ISM-Daten für Februar um vier Basispunkte auf 4,24 % stieg. US-Aktien-Futures legten zu. Für einige reichten die Gewinne bei Anleihen aus, um Wetten auf höhere Renditen zu decken. „Ein Großteil des erwarteten Angebots ist jetzt im Preis enthalten“, sagte Mike Riddell, Portfoliomanager bei Fidelity International.
FMW/Bloomberg
Kommentare lesen und schreiben, hier klicken