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Deflation statt Inflation! Gute Argumente von Wirtschaftsforschern

Beispielbild einer Geldbörse - Coronakrise bring Deflation oder Inflation?

Bekommen wir nun im Zuge der Coronakrise Inflation oder Deflation? Bekannte Kommentatoren der Kapitalmärkte wie Dirk Müller, Marc Friedrich oder Markus Krall sind sich sicher, dass die Inflation kommen wird, aber so richtig kräftig. Auch auf FMW gibt es Autoren, die die Inflation im Anflug sehen, weil die Geldmenge durch Notenbanken und viel neue Schulden der Staaten extrem schnell anwächst, bei begrenztem Angebot. Das kann so kommen, aber sicher ist das nicht.

Gute Argumente für die Deflation

Aber es gibt auch die entgegengesetzte Meinung. Der Ölpreis ist kollabiert, und bringt uns geraume Zeit erstmal deutlich niedrigere Preise für Benzin und Heizöl. Einzelhändler in der Bekleidungsbranche dürften die nächsten Monate auch versuchen vorhandene Bestände mit großen Rabatten abzustoßen. Auch bei den Verkaufspreisen von Immobilien sowie Mietpreisen sieht es derzeit eher nach Deflation als Inflation aus (mehr dazu hier). Aktuell hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ein Papier veröffentlicht, in dem man auch der Meinung ist, dass wir Deflation vor uns haben. Trotz der Geldschwemme der Notenbanken sei aber nicht mit einem Anstieg der Inflation zu rechnen – wahrscheinlicher sei vielmehr eine Deflation. Man muss es stets betonen: Welche Seite recht hat, wissen wir vielleicht erst in sechs oder zwölf Monaten. Aber hier und heute, da sind die Argumente des IW aufschlussreich und interessant. Lesen Sie hier im Wortlaut:

Die Corona-Krise hat in vielen Industrien die Produktion gestoppt. Viele Menschen sorgen sich daher, dass die Preise steigen. Zusätzlich beflügelt werden die Inflationssorgen durch eine nie gekannte Geldschwemme. Um den Unternehmen in der Krise zu helfen, haben viele europäische Länder umfangreiche Hilfsprogramme gestartet. Allein Deutschland stellt insgesamt 750 Milliarden Euro bereit. Zusätzlich hat die Europäische Zentralbank ihre Anleihenkäufe ausgeweitet. Dennoch stehen die Zeichen jetzt eher auf Deflation als auf Inflation – und zwar aus drei Gründen.

Nachfrage der Unternehmen und Haushalte ist niedrig

Erstens: Den Unternehmen sind die Umsätze eingebrochen, es drohen hohe Verluste. Manager sind froh, wenn sie mit den Hilfsgeldern jetzt Gehälter, Zinsen und bestellte Waren zahlen können – an Investitionen ist kaum zu denken. Da die Unternehmen die Hilfskredite zurückzahlen müssen, werden sie Investitionen auch in naher Zukunft eher aufschieben und stattdessen Schulden abbauen. Durch die Zurückhaltung bei den Investitionen fehlt dann Nachfrage, wodurch die Preise stagnieren.

Zweitens: Die Nachfrage der Haushalte trägt ebenso wenig zur Inflation bei. Zwar werden die Konsumenten bald einige Ausgaben, zum Beispiel für den Friseur, nachholen, dann jedoch ihr Kaufverhalten in gewohntem Muster fortführen. Restaurants, Konzerte oder Fußballspiele können sie nicht nachträglich besuchen; zudem werden Veranstaltungen dieser Art wahrscheinlich ohnehin eine Zeit lang gar nicht möglich sein. Zudem haben die Hamsterkäufe am Anfang der Corona-Krise die Vorratskammern gefüllt, die entsprechenden Produkte werden jetzt kaum nachgefragt. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Haushalte aus Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Krise jetzt mehr Geld sparen, wodurch ebenfalls die Nachfrage sinkt – und damit kaum Inflationsdruck entsteht.

Fallender Ölpreis trägt zur Deflation bei

Drittens: Die Inflationsrate wird zu einem großen Teil durch die Veränderung des Ölpreises erklärt – sinkt der Ölpreis, fällt in der Regel auch das Preisniveau. Derzeit ist der Ölpreis sehr niedrig. Dazu hat auch die geringe Benzin- und Kerosinnachfrage aufgrund unterlassener Reisen beigetragen. Was den Zusammenhang zwischen Ölpreis und Inflation angeht, sind verschiedene Szenarien denkbar: Inflationsdruck könnte in Zukunft über den Benzinpreis entstehen: Menschen, die früher eher mit Bus und Bahn unterwegs waren, fahren in Zeiten von Infektionsrisiken mehr mit ihren eigenen Autos. Es ist aber auch möglich, dass dienstliche Reisen ausbleiben, da Video-Konferenzen und digitales Arbeiten stark an Akzeptanz gewonnen haben.

Insgesamt ist ein Anstieg der Inflation nicht wahrscheinlich. Vielmehr könnte Corona uns in eine Deflation führen. Fallende Preise wirken auf Verbraucher erst einmal attraktiv, aber für die Wirtschaft sind sie gefährlich: Wenn Unternehmen und Konsumenten erwarten, dass Waren und Dienstleistungen immer günstiger werden, schieben sie viele Ausgaben auf. So kann sich die Deflation schnell verfestigen und die wirtschaftliche Entwicklung bremsen.



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6 Kommentare

  1. Na, ob man der Deflation so genau trauen sollte, sei mal dahingestellt.
    Es geht in der Preisfrage letztlich um essenzielle Güter sprich Wohnen, Essen, etc. Dinge, die man nunmal einfach braucht, auch wenn die Wirtschaft still steht. Dieser virtuelle Warenkorb hat noch nie Sinn ergeben. Der Preis für Kraftstoff ist niedrig, weil ihn aktuell keiner benötigt. Hat hier irgendjemand die Illusion, dass der Liter Super weiterhin 1,109 Euro kosten wird, wenn wir uns hier wieder einigermaßen normalisiert haben?
    Die Miet- und Kaufpreise für Immobilien haben sich kaum verändert, sind sogar leicht gestiegen. Die Einkommen hingegen sind gefallen (Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit), während die Geldmenge erhöht wurde. Eine virtuelle Inflation gibt es schon. Und eine offene Inflation in einigen Bereichen auch (z.B.Lebensmittel).
    Die Notenbanken lassen keine Deflation zu. Es ging und wird auch weiterhin mMn nur die eine Richtung gehen.

    1. Ein genereller Warenkorb ist immer problematisch. Aber eben auch der Tatsache geschuldet das man eine Komplexe Wirklichkeit eben nicht in eine einzige Kennzahl packen kann. Da Menschen aber mit Komplexität nicht gut umgehen können ist das halt eine Krücke.
      Das eigentliche Problem ist, dass aus dieser Übersimplifizierung Schlussfolgerungen gezogen werden, die sich gar nicht ziehen lassen.

      Aber ich sehe auch vor allem eine deflationäre Phase. Denn die gigantischen Liquiditätsschwemmen kommen bei der breiten Masse nicht au und die Supervermögenden erzeugen keine Inflation bei Frühstücksmüsli oder Aldi Gartenmöbeln.

      Erst wenn das Angebot auf Grund von Pleiten oder Geschäftsaufgabe stärker einbricht als die Kaufkraft wird es zur Inflation kommen.
      Und da kann eine Deflation natürlich den Anlass für liefern. Können die Unternehmen ihre Kosten nicht im gleichen Maße senken, wie ihre Preise verfallen dann kippt das genau aus diesem Grund irgendwann.
      Deswegen wird es auch keine „Rückabwicklung“ der Globalisierung geben. Denn das kann sich schlicht niemand leisten. Und sollte der Staat das z.B. durch Importverbote oder Zölle zu erzwingen versuchen werden die entsprechenden Produkte entweder vollständig vom Markt verschwinden oder genau diese Aktion die Inflation auslösen.

  2. Herr Kummerfeld
    Meine bescheidene Meinung zu den Argumenten des IW:
    Deflation oder Inflation? Was das IW hier schreibt läßt mich zweifeln, ob jemand über die Konsequenzen seiner Ausführungen überhaupt nachgedacht hat! Die notwendige Fortführung der aufgelisteten Argumente des letzten Absatzes des IW sind entweder verlustig gegangen, oder wohlwollend dem Nirwana überlassen worden. Dies ist allerdings unerläßlich, da folgenreich. Dies auszuführen aber müßig. Selbst angehende Ökonomen würden diese Ausführungen kopfschüttelnd begleiten. Aber nicht ob ihrer Richtigkeit wegen, sondern der fehlenden, daraus zu folgernden, Schlüsse der Autoren.

    Jede! durch eine Krise hervorgerufene Inflation findet ihre Basis in der Deflation. Eine Deflation ist eine zwingende, aber zeitlich begrenzte Phase die der Inflation vorauseilt. Um ein langanhaltendes deflationäres Szenario(welches jede Ökonomie in eine Abwärtsspirale bugsieren würde) zu vermeiden, muß auf monetärer Basis entgegengewirkt werden.
    Die Geldbazookas werden erst aufhören zu donnern, wenn die Deflation in ein inflationäres Geschehen umschwenkt. Dies ist ein äußerst schwer zu steuerndes Element, welches historisch belegt fast immer scheiterte. Ein gesteuertes Inflationsziel mit einem Zielkorridor (bisher ca. 2% in der EU) ist in einer derart breitgefächerten, mit einer unglaublichen Vehemenz auf uns zurollenden Krise NICHT MÖGLICH.

    Wie so etwas endet ist nicht schwer zu erraten. Deflation-Inflation-Hyperinfaltion-Neuaflage des Euros(eventuell eines verkleinerten EU-Währungsraumes) bzw. Rückkehr zur DM.
    Alles Andere sollte unter dem Fach: „Augen zu und durch“ abgeheftet werden.

  3. Man sollte nicht außer Acht lassen,die Fraktion der „Inflation“wird leider
    ebenso Recht bekommen
    Der Markt,sprich das Angebot an Waren wird sich entsprechend ändern.
    Restaurants,Bars und Klubs und Läden werden schließen,das heißt hier wird es ein schmaleres
    Angebot geben.Stimme dem Verfasser aktuell durchaus zu,wir werden eine Deflation
    erleben,die sich gewaschen hat.Dies wird zur Folge haben,daß Maschinen/Produktionslinien
    zur Herstellung der jetzt nicht mehr abgefragten Waren komplett entfallen.OK – Asien wird
    einige dieser Lücken füllen,doch zu welcher Qualität? Sie wird sinken und die Verschiebung Richtung Weltmacht China könnte sich beschleunigen.Ebenso steigt eine
    Abhängigkeit – siehe als Beispiel Pharmabereich.Es wird meiner Meinung nach sehr darauf
    ankommen Produktionsketten schnell,preisgünstig und gut aufstellen zu können,um nicht
    in eine Verwerfung abzurutschen,wie die Hyperinflation.

  4. BENEDIKT MÜLLER

    Untergang Untergang und nochmals Untergang. Muss jedesmal lachen wenn einer mit Hyperinflation daherkommt xD …
    Frag mich auch wie lange es dauern wird bis alle begriffen haben, dass wir in einer Währungsgemeinschaft leben und nicht nur Deutschland das Maß aller Dinge ist.

  5. Der Beitrag ist richtig gut! Prima. Eigentlich bin ich der selben Meinung wie Sie, Herr Kummerfeld.

    Ob der Preis für die Nudeln und die Tomatensauce steigt, ist einerlei. Doch wenn bei einem Anlagenbauer 2 Aufträge zu je 2 Mio. Euro weniger eingehen, hat dies über die komplexe Herstellungskette eine ganz andere Relevanz für den Markt.

    Auch wer zu Hause am Schreibtisch sitzt und Videokonferenzen führt, wird kaum den neusten Luxus-Schlitten von Audi, BMW oder Daimler fahren wollen. Das Ego hat solche Ausgaben in der Krise nicht nötig (…und von der Modeindustrie gar nicht erst zu sprechen).

    Auch ist der Wohnort nicht mehr derart ausschlaggebend. Eine Wohnung in 10 Min. Reichweite zum Arbeitsplatz ist nicht mehr nötig bei geringerem Einkommen wegen Kurzarbeit. Da lohnt sich schonmal der Umzug ins (günstigere) Umland. Das erzeugt langfristig Verhandlungsdruck mit dem Vermieter.

    Problematisch ist, dass viele Medien immer dieselben Experten fragen. Das führt zwar dazu, dass eine Meinung in der Bevölkerung prägend wird, aber sie entspricht nicht unbedingt dem Relevanten.

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