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Der ESM müsste für Griechenland seine Regularien komplett über Bord werfen

Von Claudio Kummerfeld

Der europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist bereits der größte Gläubiger Griechenlands. Alexis Tsipras möchte, obwohl er und das griechische Volk ja verkündet haben weitere Auflagen zu verweigern, jetzt frisches Geld aus dem ESM anzapfen. Hierfür müsste der ESM seine Regularien komplett über Bord werfen.

ESM Chef Klaus Regling mit Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem
ESM-Chef Klaus Regling (rechts) wird durch den Wunsch von Alexis Tsipras vom ESM frisches Geld erhalte zu wollen, neben EZB-Chef Mario Draghi zum Hauptakteur der Griechenlandrettung. Je nachdem wie er seine eigenen Regularien auslegt, kann Griechenland ganz schnell in die „endgültige“ Staatspleite rutschen.
Foto: ESM

IWF

Das erste große Problem, dass sich bei einem neuen Antrag Griechenlands beim ESM ergibt, ist der Zahlungsausfall gegenüber dem IWF vom 30.06.2015. Damit ist die Staatspleite nämlich schon eingetreten, und der ESM hat dies bereits „offiziell zur Kenntnis genommen“. Er schreibt hierzu nämlich am 03.07.2015:

„Following the IMF Managing Director’s notification of the IMF Executive Board, this non-payment results in an Event of Default by Greece, according to EFSF financial agreements with Greece.

In line with a recommendation by the EFSF’s CEO Klaus Regling, the EFSF Board of Directors decided not to request immediate repayment of its loans nor to waive its right to action – the other two possible options. By issuing a Reservation of Rights, the EFSF keeps all its options open as a creditor as events in Greece evolve. The situation will be continuously monitored and the EFSF will consider its position regularly.

Mr Regling said: “The EFSF is Greece’s biggest creditor. This event of default is cause for deep concern. It breaks the commitment made by Greece to honour its financial obligations to all its creditors, and it opens the door to severe consequences for the Greek economy and the Greek people. The EFSF will closely coordinate with the euro area Member States, the European Commission, and the IMF on its future actions.”

Der ESM (EFSF) verkündet also öffentlich, dass man zutiefst besorgt darüber ist, dass Griechenland seine Versprechen, alle Gläubiger zu bedienen, gebrochen hat. Auch schreibt man der ESM wird erst einmal die bestehenden Kredite „nicht sofort zurückfordern“, was als gelbe Karte Richtung Alexis Tsipras zu werten ist.

Sieht der ESM die Schuldentragfähigkeit gewährleistet?

Der ESM hat jetzt die Institutionen (EU-Kommission/IWF/EZB) gebeten eine Schuldentragfähigkeitsanalyse zu erstellen – also zu gucken ob Griechenland neue vom ISM zu gewährende Kredite überhaupt zurückzahlen kann. Nur wenn die Antwort JA lautet, wird der ESM überhaupt darüber nachdenken neue Gelder auszuzahlen. Das Problem ist hier u.a., dass IWF-Chefin Christine Lagarde erst gestern erneut darauf gedrängt hat, dass die europäischen Institutionen (ESM + EZB) Griechenland einen Schuldenschnitt gewähren, weil das Land anders nicht mehr zu retten ist. Genau diese Aufforderung beantwortet ja die ESM-Anfrage schon mit NEIN!

Doch selbst Alexis Tsipras verkündet quasi täglich Griechenland könne gar nichts zurückzahlen und wolle auch nichts zurückzahlen – man brauche einen Schuldenschnitt. Wie soll der ESM unter diesen Bedingungen die Schuldentragfähigkeit positiv bewerten? Das geht nur, wenn man einfach die Fakten ignoriert und politisch handelt – also gegen die Fakten, aber im Sinne eines bestimmen Ziels, nämlich Griechenland weiter am Leben zu halten.

Ganze Eurozone gefährdert?

Auch kann der ESM nur neue Gelder auszahlen, wenn er eine Gefährdung der Eurozone als Ganzes erkennt. Auch hier gibt es ein Problem. Europäische Politiker Land auf Land ab haben in den letzten Wochen immer wieder verkündet (auch Angela Merkel), dass Europa in den letzten Jahren Mechanismen geschaffen habe, die das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro verkraftbar machen würden. Europa und speziell die Euroländer könnten also auch ohne Griechenland und wären nicht in ihrer Stabilität beeinträchtigt – also keine Gefahr für das Konstrukt Eurozone an sich, wenn man den Politikern glaubt. Aber durch diese Aussagen müsste der ESM auch hier seine eigene Regularie über Bord werfen und so tun, also sei durch den Grexit die Eurozone als Ganzes gefährdet. Dass die wichtigsten Politiker Europas das Gegenteil verkünden, müsste man einfach ignorieren.

Weitere Erosion der Vertrauenswürdigkeit?

Macht der ESM aus einer nicht existenten Schuldentragfähigkeit eine intakte Schuldentragfähigkeit, und legt der ESM den möglichen Grexit so aus, dass die Eurozone als Ganzes gefährdet wäre, könnte er weiteren Krediten im Prinzip zustimmen. Dafür müsste er aber auch ignorieren, dass Griechenland schon den IWF nicht mehr bezahlen konnte. Ignoriert der ESM aus politischen Gründen all diese Fakten, wird wohl aus seinem Topf frisches Geld an Griechenland fließen. Der politische Preis hierfür ist eine weitere Erosion der Vertrauenswürdigkeit selbst gegebener Regeln. Ist dies der Preis für eine Griechenlandrettung (abgesehen vom Geld) ?

 



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2 Kommentare

  1. 8. Tritt ein Verlust ein oder ist ein ESM-Mitglied nicht mehr zahlungsfähig, so wird der ausgefallene Betrag auf die anderen Mitglieder umgelegt. Die müssen dann binnen 7 Tagen die Zahlung übernehmen (Art. 9,10,25) Wer wird als Letzter übrig bleiben?

  2. Burkhard Müller-Späth

    na wer schon, Deutschland :-)

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