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Der Ölpreis-Krieg: Schützengräben ausbauen und abwarten, dass etwas passiert

Der Ölpreis-Krieg zwischen den Golfstaaten und der amerikanischen Fracking-Industrie dauert nun schon fast zwei Jahre. Und jetzt so langsam scheint eine Situation einzutreten, die man noch vor 6 Monaten...

FMW-Redaktion

Der Ölpreis-Krieg zwischen den Golfstaaten und der amerikanischen Fracking-Industrie dauert nun schon fast zwei Jahre. Und jetzt so langsam scheint eine Situation einzutreten, die man noch vor 6 Monaten kaum für möglich gehalten hätte. Keiner gewinnt, aber alle verlieren. Nicht nur die Golfstaaten und die Amerikaner, auch die Venezuelaner, Nigerianer, Kanadier usw. Durch ihre kräftige Erhöhung der Fördermenge wollten die Golfstaaten 2014 die explodierende Fördermenge der Fracker zurückfahren.

Was viele Marktbeobachter wie auch wir unterschätzten: Die Fracker konnten sich viel länger als erwartet am Leben halten. Aus heutiger Sicht gut nachvollziehbar gelang ihnen das vor allem durch die zuvor jahrelang betriebene Geldschwemme der Federal Reserve sowie deren Niedrigzinsen, und somit gigantischen Geldmengen, die am Kapitalmarkt umherschwirrten – diese Geldmengen suchten natürlich nach gewinnträchtigen Anlagemöglichkeiten. Diese Chance fanden sie in Form von Hochzinsanleihen (Schrottanleihen/Junk Bonds) von diversen kleinen unabhängigen Fracking-Buden, die mit Zinssätzen von teilweise über 10% p.a. ihr Fracking-Geschäft ankurbelten.

Das war auch super, solange der Ölpreis bei 100, 90 oder 80 Dollar lag. Je tiefer er fiel, desto enger wurde die Marge, bis sie nach und nach zu einer Minusmarge wurde, bei Ölpreisen von 50 und 40 Dollar. Aktuell aber liegt das Neuverkaufsvolumen von Hochzinsanleihen durch unabhängige Frackingfirmen in den USA auf einem 10 Jahres-Tief. Es geht um das mangelnde Vertrauen von Banken, Hedgefonds und sonstigen Investoren: Geht der Ölpreis denn nun nachhaltig weiter rauf auf 60, 70, 80 Dollar, lautet die unausgesprochene Frage? Dann könnten sie wieder kräftig neue Kredite geben. Aber der Ölpreis, er klemmt, er bewegt sich nicht. Beim Erreichen der 50 Dollar-Marke vor zwei Monaten war der Jubel der Bullen groß. Aber seitdem tut sich nichts. Der Preis (blauer kleiner Pfeil ganz rechts) ist eher rückläufig auf jetzt unter 45 Dollar.

Ölpreis
Der Ölpreis seit Ende 2013.

Eigentlich war in den letzten Monaten alles klar. Internationale Energie-Agentur, OECD und wie sie alle heißen verkündeten im Großen und Ganzen im Einklang: Die weltweite Ölnachfrage steigt bis Ende 2016 über das Volumen des Ölangebots. Aber bisher geht es nur schleppend in diese Richtung, und es fehlt am Markt der Glaube, dass sich die Ölscheichs wie schon vor 2014 von den Frackern ein zweites Mal die Butter vom Brot nehmen lassen (Marktanteile streitig machen).

Die Fracker haben ihre Produktionskosten durch Effizienzsteigerungen oftmals kräftig gesenkt. So dürfte bei vielen der Break Even irgendwo um die 50 Dollar liegen, mal mehr, mal weniger, je nach Größe des Fracking-Volumens und der Region. Große Ölkonzerne haben kostspielige Explorationen z.B. in der Arktis oder teure Ölsand-Abenteuer in Kanada erst mal abgesagt. Das spart auch Geld. Viele Fracker sind pleite, wurden gekauft, oder sind derzeit in einer Art Winterschlaf – warten auf höhere Ölpreise, dann fährt man die Produktion wieder hoch.

So hatten sich vor allem die Saudis das nicht vorgestellt. Man dachte wohl 2014 es würde reichen für 6 oder 12 Monate die Fördermenge drastisch raufzusetzen. Ein schneller Fördermengen-Schock, und die Fracker ziehen sich zurück. Aber so eindeutig ist die Lage nicht. Jetzt zahlen auch die Saudis und ihre Nachbarn einen hohen Preis für ihre Politik. Durch den niedrigen Ölpreis schmelzen ihre immer noch gigantischen Geldreserven in raschem Tempo dahin, um die oft großen Löcher in den Staatshaushalten zu stopfen. Schließlich wird gerade in Saudi-Arabien ein großer Teil der Bevölkerung durch den Staat mit sehr gut bezahlten Jobs glücklich gemacht. Das kann man nicht jahrzehntelang durchhalten bei so einem Ölpreis. Aller Reformankündigungen im Inland zum Trotz – es geht um den Ölpreis.

Tja, und der ist nicht weiter gestiegen auf 60 oder gar 70 Dollar – denn viele Marktteilnehmer scheinen Stand heute den prognostizierten steigenden Nachfragemengen und den gleichzeitig nicht weiter steigenden Angebotsmengen nicht so recht zu trauen. Wie geht es weiter? Bleibt es so wie jetzt, verlieren alle. Ach ja, es gibt doch noch einen Gewinner. Vor allem die europäischen und asiatischen Volkswirtschaften, die selbst keine eigene Ölindustrie haben, und somit reine Öl-Verbrauchsländer sind, profitieren vom immer noch relativ niedrigen Ölpreis als eine Art Konjunkturspritze. Was wir beim Ölpreissparen, schmilzt als Vermögen bei den Ölförderern von den Geldreserven ab.



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1 Kommentar

  1. Und ich dachte, daß der Brexit schuld ist, daß es in der Ölindustrie noch schlimmer kommt, als sowieso schon. Aber das Wort Brexit fehlt hier in dem Artikel ganz und gar. Anders dagegen hier:
    http://finanzmarktwelt.de/brexit-beschleunigt-sterben-der-oelindustrie-in-der-nordsee-37909/
    Seit dem (gelungenen!!!) Brexit sagt sogar hier fast jeder 10. Artikel: Der Brexit ist Schuld, z.B. daß die Großen und Investoren ihr Geld aus Europa abziehen. Aha, und wir dann in der totalen Armut versinken. 3. Weltland sozusagen. Da haben wirs wieder mal. Heißt sowas nicht Gehirnwäsche?
    Und das man an Griechenland sehe, wo England bald landen werde, nämlich in Armut und Chaos. (Und dabei hat Griechenland ja genau nicht für den Grexit gestimmt und ist deswegen jetzt in der Verzweiflung. Hups – Nicht so kleinlich sein!)

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