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Deutsche Bank: Automatisierung ist kein Jobkiller, alles wird gut

Es gibt ein Totschlag-Argument, das derzeit auch beim Thema Automatisierung von vielen Ökonomen und Kommentatoren benutzt wird. Vereinfacht gesagt geht es so: Es gab im Lauf der letzten Jahrhunderte doch immer wieder Neuerungen. Und alle Befürchtungen, dass die Menschen massenweise in die Arbeitslosigkeit verdrängt werden, blieben doch nur überdrehte Ängste, die sich nicht bewahrheiteten… So wird oft angeführt, dass im Zuge mehrerer Wellen der Industrialisierung beispielsweise unzählige Menschen in Europa in der Textilindustrie ihre Jobs verloren – aber dass sie danach in anderen Branchen neue Jobs fanden.

Das ist inhaltlich auch richtig. Nur, so meinen wir: Ist dies eine dauerhafte Gesetzmäßigkeit? Wenn etwas ganz Neues kommt, ist dann automatisch dafür gesorgt, dass neue Branchen und neue Tätigkeiten die Entlassenen mit neuen Arbeitsmöglichkeiten versorgen? Wir sind da sehr kritisch, dass dieser Mechanismus beim Thema Automatisierung in unserer Zeit ebenso funktioniert. Denn sie betrifft alle Branchen gleichzeitig wie zum Beispiel Landwirtschaft, Industrie, Bürotätigkeiten, Logistik etc.

Es wird zwar neue Jobs durch Roboteringenieure, Softwareentwickler etc geben. Aber ob eine gigantische Masse an einfachen Arbeitern in solchen Tätigkeiten untergebracht werden können? Wie soll das gehen? Nun folgt die nächste große Institution namens Deutsche Bank, die genau so argumentiert wie schon viele andere Ökonomen und Beobachter vor ihr. Die Automatisierung sei kein Jobkiller, so lautet der Titel einer aktuell erschienen 80-seitigen Studie der Deutschen Bank (hier einsehbar).

Maßgeblich geschrieben wurde diese ausführliche Analyse vom Deutsch-Banker Jim Reid in London. Hier eine Art Kurz-Zusammenfassung der Analyse, die man sich bei Interesse durchaus im Detail antun kann. Wie wir schon schrieben: Wir sind da „etwas“ kritischer als Mr. Reid.

In den letzten Jahren habe ich nie einen Hehl daraus gemacht, dass meiner Meinung nach der
Anstieg der globalen Erwerbsbevölkerung zwischen 1980 und 2015 die Hauptursache für niedrige Reallöhne, das niedrige Infl ationsniveau, hohe Unternehmensgewinne und sogar für die Zunahme des Populismus war. Verstärkt wurde diese Entwicklung dadurch, dass sich China zum ersten Mal seit Jahrhunderten für die Weltwirtschaft geöffnet hat, womit eine riesige Welle billiger Arbeitskräfte in den globalen Arbeitsmarkt gespült wurde. Dies hat den Abwärtsdruck auf Löhne und Gehälter einer zunehmend globalisierten Arbeitnehmerschaft verstärkt. Das Wachstum der Erwerbsbevölkerung in den wirtschaftlich bedeutendsten Regionen der Welt, auch in China, flacht jedoch ab, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten dürfte die Erwerbsbevölkerung voraussichtlich schrumpfen. Daher bin ich der Ansicht, dass wir eines Tages auf die Mitte dieses Jahrzehnts als Wendepunkt in Bezugauf das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, das sich mit dem Ende der 1980er Jahre etabliert hat, zurückblicken werden. Endlich gewinnen die Arbeitnehmer einen Teil der Lohnsetzungsmacht zurück.

Trotz dieser optimistischen Einschätzung bin ich in fast jedem Kundengespräch, in dem ich diese Ansicht vertreten habe, auf eine entschiedene Gegenmeinung gestoßen. Automatisierung und Robotik, so heißt es dann, würden die Situation der Arbeitnehmer bald weiter verschlimmern. Die Menschen haben Angst davor, dass Löhne und Inflation strukturell niedrig bleiben. Diese Argumentation ist zwar nachvollziehbar, die Erfahrungen aus der Vergangenheit sprechen aber eher dagegen. Die erste industrielle Revolution liegt 250 Jahre zurück, mit Beginn etwa 1765. In der Wirtschaftsliteratur ist zudem von einer zweiten und dritten Revolution ab 1870 bzw. ab etwa 1969 zu lesen. Derzeit stellt sich die Frage: Stehen wir an der Schwelle einer vierten industriellen Revolution, die durch Roboter und Automation geprägt ist? Falls dies der Fall ist, wird diese Revolution andere Auswirkungen für die Arbeitnehmer zeitigen als die vorherigen drei? Ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen großer Volkswirtschaften für dieses Vierteljahrtausend legt nahe, dass die endlosen (teils verblüffenden) Maßnahmen zur Einsparung menschlicher Arbeit keinen langfristigen strukturellen Einfluss auf die Arbeitslosenquote gehabt haben. Die Art der Tätigkeit mag sich verändern, was für die Betroffenen verständlicherweise eine Belastung darstellt, doch die Automatisierung dürfte neue Arbeitsfelder schaffen und der wirtschaftliche Fortschritt der letzten 250 Jahre wird wohl anhalten. Wenn die Prognose zutrifft, dass weniger Arbeitnehmer Teil dieses Fortschritts sein werden, dürfte dies zu einem strukturellen Anstieg der Reallöhne führen.

Bei der kommenden AutomatisierungsRevolution bestehen einige Unterschiede. Die heutigen Roboter dienen eher der Automatisierung kognitiver Aufgaben als physischer Tätigkeiten, wie in der Vergangenheit. Doch angesichts der zahlreichen historischen Belege, die für die Automatisierung sprechen, dürfte die Beweislast, dass es diesmal anders kommen könnte, eher bei den Skeptikern bezüglich der Wohlfahrtseffekte der Automatisierung liegen als bei denen, die die Automatisierung als einen Weg zur Verbesserung des Lebensstandards begrüßen. Daher fordern wir Sie auf, Ihren Kollegen Roboter, wenn schon nicht zu lieben, doch zumindest wertzuschätzen. In dieser Ausgabe von Konzept betrachten wir die Zukunft der Automatisierung aus verschiedenen Blickwinkeln.

Unser Leitartikel befasst sich mit der makroökonomischen Sichtweise. Als roter Faden zieht sich durch diese Ausgabe der Argumentationsstrang, dass Roboter und Automatisierung menschliche Arbeitskraft ergänzen und so die Welt verändern können. Sie werden das Gefüge der Arbeitswelt nicht zerstören. Betrachten wir einmal folgende Zahlen: 1907 gab es auf britischen Straßen 40.000 Autos. 1939 waren es bereits 2.000.000. Bis heute hat sich diese Zahl noch einmal verzehnfacht. Werden Roboter im 21. Jahrhundert eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wie das Auto damals?

Automatisierung - Kuka-Roboter
KUKA-Roboter. Foto: KUKA Roboter GmbH / Gemeinfrei



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7 Kommentare

  1. …in den kommenden Jahren und Jahrzehnten dürfte die Erwerbsbevölkerung voraussichtlich schrumpfen … dass wir eines Tages auf die Mitte dieses Jahrzehnts als Wendepunkt zurückblicken werden … Ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen großer Volkswirtschaften für dieses Vierteljahrtausend legt nahe …
    Wo und in welchen Zeiträumen lebt dieser Mensch? In Vierteljahrtausenden gedacht kann jeder mit hoher Trefferquote vor sich hin philosophieren, vor allem mit dürfte und legt nahe. In 250 Jahren wird jede Prognose einmal zutreffen, sogar die, dass die Deutsche Bank auch ohne Roboter und Automatisierung zig 1000 Angestellte gefeuert hat, um ihre Aktionäre zu befriedigen und ihre Verfehlungen und Skandale zu kaschieren.
    Produktionsroboter mit Autos zu vergleichen heißt Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Autos sind ein, wenn nicht DAS Konsumgut, in Deutschland inzwischen sogar zum Heiligtum hochstilisiert. Kaum einer wird sich jedoch einen Schweiß- oder Schraubroboter für zuhause kaufen, außer vielleicht die eine oder andere Ehefrau, die ihren Mann gerne mal wieder von der Werkstatt ins Schlafzimmer locken möchte ;)

    Unabhängig davon scheitert dieser dilettantische Gedankenansatz bereits an der Dynamik der Bevölkerungsentwicklung seit Mitte des 18. Jahrhunderts:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Weltbev%C3%B6lkerung#/media/File:World-pop-hist-de-2.png

    Dennoch interessant zu lesen, welchen Müll ein hochbezahlter Managing Director und Head of Global Fundamental Credit Strategy in Kundengesprächen von sich geben darf, ohne dafür wegen Betruges oder arglistiger Täuschung belangt bzw. wegen Inkompetenz oder Schwachsinn gefeuert zu werden.

    1. Da Sie mit der Bevölkerungsdynamik argumentieren, hier mal die Entwikclung der globane Geburtenziffer:
      https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.TFRT.IN?

      Seit Jahrzehnten sinken weltweit die Geburtenziffern und die Weltbevölkerung wächst schon jetzt vorwiegend aufgrund der steigendne Lebenserwartung.

      1. Da Sie mit der Geburtenziffer argumentieren, hier mal die Kindersterblichkeit auf derselben Statistikseite: https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.IMRT.IN
        1990 kamen auf 1.000 Einwohner 26 Lebendgeburten pro Jahr, 2016 waren es nur noch 19
        Im gleichen Zeitraum sank die Kindersterblichkeit von 65 auf 30 pro 1.000 zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr.
        Bezieht man die Säuglingssterblichkeit noch mit ein, also die Kinder, die im Alter bis zu einem Jahr sterben, sank die Gesamtzahl von 95 auf 40
        Dies relativiert den so drastisch anmutenden Rückgang der Geburtenziffern doch ein schönes Stück. Da die Menschen immer älter werden und die Tendenzen zu längerer Lebensarbeitszeit gehen (die Glücklichen unter uns durften teilweise bereits mit 63 in Rente gehen, dann 65, jetzt 67, bald 70?), mildert dies den Rückgang der Erwerbsbevölkerung zusätzlich ab.

        Ich liebe Statistiken, die sind so schön flexibel, biegsam und an fast alles anpassbar :)

        1. Äh, 19 Lebensgeburten? Umgekehrt: Nur noch 19 je 1000 Kinder sterben. Aber schön, dass Sie die Erfolge nun auch anerkennen.

          Die Geburtenziffer sinkt, die Kindersterblichkeit sinkt und die Lebenserwartung steigt. Ein toller globaler Erfolg und ein Grund zur Freude.

          Inwiefern ist da etwas flexibel und biegsam? Die Daten sind eindeutig und zeigen in praktisch allen Bereichen klare Verbesserungen an.

          1. Nein, nein, das ist schon korrekt mit den 19 Geburten pro 1.000 Einwohner und Jahr…

          2. Ah, jetzt hab ichs. Auf 1000 Einwohner. Ungewöhnliche Angabe so. Normal wird angegeben, soundsoviel Totgeburten auf insgesamt soundsoviele Geburten. Und für Geburten wird mit der Fertilität gerechnet. Aber nun gut: Das wäre dann mit Ihren Zahlen ein Rückgang um 27%. Ein durchaus beeindruckender Rückgang
            .
            Und klar, das geht Hand in Hand mit steigender Lebenserwartung und sinkender Kindersterblichkeit. Sie scheinen das eher negativ zu sehen, obwohl das alles drei doch sehr, sehr positive Tendenzen sind.

  2. Die Alphatiere der „Nieten in Nadelstreifen“verstehen noch nicht einmal ihr Kerngeschäft.Wieso,sollen sie irgendeinen blassen Dunst von etwas wirklich Wichtigem in der zukünftigen Arbeitswelt,haben?Vielleicht würde die Umsetzung des abgewandelten alten DDR-Spruchs helfen:Deutschbanker in die Produktion!

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