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„Deutsche Disziplin“ für die EU: Schäuble und Weidmann wollen EU-Kommission Kontrolle entziehen!

Ja, das ist in der Tat keine polemische Überschrift, sondern eine ernsthafte Forderung, die auch nachvollziehbar ist. Bisher "kontrolliert" die EU-Kommission die Budgetplanungen...

FMW-Redaktion

Ja, das ist in der Tat keine polemische Überschrift, sondern eine ernsthafte Forderung, die auch nachvollziehbar ist. Bisher „kontrolliert“ die EU-Kommission die Budgetplanungen der Eurozonen-Mitgliedsstaaten. Jeder sieht es, jeder weiß es, aber so richtig draufgehauen hat bisher noch niemand bei der bisher mehr als „freundlichen Auslegung“ der Regelverletzungen. Nach Wolfgang Schäuble fordert daher jetzt klipp und klar Bundesbank-Chef Jens Weidmann man müsse der EU-Kommission die Aufsicht über die Haushalte entziehen, und sie an eine Institution übergeben, die Haushalte „anhand transparenter und nachvollziehbarer Regeln“ analysiere und nicht den Eindruck erwecke sie berücksichtige politischen Kuhhandel und Ausreden für Zielverfehlungen, so Weidmann in einem aktuellen Interview.

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Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Foto: Deutsche Bundesbank

Rummmms, das hat gesessen. Damit wird die EU-Kommission ganz offen als schwach und als eine Art Basar-Händler gebrandmarkt. Ein gutes Beispiel waren jüngst die Haushalts-Verfehlungen von Spanien und Portugal. Darüber sah man komplett hinweg, damit ja keine Strafen gegen die beiden verhängt werden. Denn: Dort ist die politische Stimmung aufgrund der immer noch schlimmen wirtschaftlichen Lage mehr als labil – dann jetzt noch eine deftige Geldbuße aus Brüssel für den Staatshaushalt – sowas möchte die EU-Kommission „dem Volk“ vor Ort wohl im Augenblick lieber nicht zumuten.

Laut Weidmann interpretiere die EU-Kommission ihre Rolle als Aufseher stark politisch. Sie sei daher nicht geeignet eine Haushaltsüberwachung sicherzustellen. Weidmann denkt als zukünftige Aufsichtsorganisation für die Eurozonen-Haushalte wohl genau wie Wolfgang Schäuble an den europäischen Sicherungsmechanismus ESM, der (rein zufällig?) vom Deutschen Klaus Regling geleitet wird, der gefühlt eine Schäuble-Politik ausstrahlt. Weidmann sei genau wie Wolfgang Schäuble der Meinung, dass es einer Institution bedürfe, die frei von Interessenkonflikten sei.

Es ist wie in den letzten Monaten auch, nur diesmal nochmal ein Schritt schärfer, klarer, und diesmal gegen die EU-Kommission gerichtet, und nicht gegen die EZB. So bezweifelt Weidmann, dass die Eurozone weitere Konjunkturprogramme auf Pump benötige, da die wirtschaftlichen Kapazitäten bereits auf Normalauslastung laufen würden. Nicht neue Schulden, sondern Strukturreformen müssten her, so die „deutsche Lehre“ in Sachen Eurozonen-Krise. Das hat man während der Griechenland-Krise schon so oft gehört. Aktuell sagt Weidmann dazu es sei eben mit dem Charakter der Währungsunion nicht vereinbar, dass solide Staaten Schulden machen sollen um in weniger soliden Ländern die Konjunktur anzuschieben. Da ist er wieder, der alte Konflikt aus den letzten Jahren. Nur diesmal schießen sich die beiden auf die EU-Kommission ein.

Was sagen wir Ungläubigen von FMW dazu? Weidmann und Schäuble stehen in der Eurozone ziemlich alleine da. Die Schuldenmacher und Gelddrucker haben eindeutig die Mehrheit, bei EZB wie auch bei der EU-Kommission, wie auch im EU-Parlament. Was wollen die beiden machen, mit dem Deexit drohen, Deutschlands EU-Austritt oder Eurozonen-Austritt??? Wenn man in eine Währungsunion eintritt mit Ländern, die ganz anders strukturiert sind, und auch ganz andere Ziele verfolgen, muss man mit den Konsequenzen leben, wenn diese Ländern die Mehrheit inne haben! Hier der wichtigste Ausschnitt aus dem Interview:


Das sollten Sie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagen, der gerade eine expansivere Fiskalpolitik fordert.

Ich bezweifle, dass der Euro-Raum angesichts nahezu erreichter Normalauslastung wirklich ein schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm braucht. Die Probleme in vielen Ländern sind doch eher struktureller Natur. Abgesehen davon: Hinter dieser Forderung verbirgt sich die Vorstellung, dass wir in Europa eine zentral gelenkte fiskalische Ausrichtung brauchen und dass Länder mit soliden Haushalten Schulden machen sollen, um die Konjunktur in anderen Ländern anzuschieben. Das ist nicht vereinbar mit dem derzeitigen Charakter der europäischen Währungsunion. Ganz bewusst liegen die Haushaltspolitik und ein Großteil der Wirtschaftspolitik in nationaler Verantwortung. Wenn national entschieden wird, müssen die Folgen dieser Entscheidungen auch national getragen werden. Es kann also nicht darauf gesetzt werden, dass nachdem der eigene Handlungsspielraum ausgeschöpft ist, andere mit Ausgabenprogrammen in die Bresche springen.

Wie beurteilen Sie die Rolle der EU-Kommission in dieser Frage?
Ich glaube nicht, dass eine Kommission, die ihr Mandat derart politisch interpretiert wie die derzeitige, am besten geeignet ist, die Haushaltsüberwachung in Europa sicherzustellen.

Das sagt der Bundesfinanzminister auch.

Richtig. Wolfgang Schäuble und ich, wir sind beide überzeugt, dass diese Aufgabe am besten auf eine unabhängige Institution verlagert werden sollte, die keinem offensichtlichen Interessenkonflikt unterliegt.

Auf die Europäische Zentralbank?

Nein. Ich denke nicht, dass man die Europäische Zentralbank auch noch damit belasten sollte, wo doch schon die gemeinsame europäische Bankenaufsicht die Gefahr von Interessenkonflikten mit der Geldpolitik birgt. Sinnvoll wäre eine eigene Institution, die Haushalte anhand transparenter und nachvollziehbarer Regeln analysiert und bewertet. Zwar würden weiterhin die Finanzminister beispielsweise über Sanktionen entscheiden. Aber Basis dieser Entscheidungen wäre dann eine unabhängige Analyse, die nicht den Eindruck erweckt, sie berücksichtige politischen Kuhhandel und Ausreden für Zielverfehlungen.

Die Schuldenstände sind in Europa massiv gestiegen in den vergangenen Jahren. Allein Italien ist mit über 130 Prozent des BIP verschuldet. In welchem Dilemma steckt dadurch die Geldpolitik in Europa?

Die Geldpolitik muss auf die Sicherung der Geldwertstabilität ausgerichtet sein und darf keine Rücksicht auf die Auswirkungen nehmen, die eine geldpolitische Normalisierung auf die Staatsfinanzen einzelner Mitgliedstaaten haben kann. Sie darf sich also nicht an der fiskalischen Solvenzsicherung ausrichten.




Quelle: Bundesbank/Handelsblatt



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4 Kommentare

  1. Wer im Glaushaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Schließlich war Deutschland das erste Land, das die EU-Stabilitätskriterien mißachtet hat.

    Besser wäre ein sofortiger Austritt Deutschlands aus der EU. Dann könnte der EURO so weit abwerten, dass der Klub Med wieder wettbewerbsfähig wäre.
    Bleibt Deutschland drin, dann droht es bald einsam zu werden. Italien und Frankreich lassen grüßen. Wenn es hart auf hart kommt (und das wird es) darf Deutschland am Ende auch die komplette Rechnung der EZB Schuldenorgie zahlen (einschließlich Target-Saldo, versteht sich). Dann hätte aber Schäuble die vom ihm herbeigesehnte große Krise, die die letzten Widerstände der Globalisierungsgegner, EU-Superzentralstaatsgegner und NWO-Skeptiker brechen würde.

    1. Rein geldsystemisch bekommt Schäuble diese Krise so oder so, …nur wahrscheinlich anders als ihm lieb ist. Ob er dann im Rhein samt AOK Chopper versenkt wird ,wenn der wohlstandsverwahrloste Michel merkt, dass Deutschland oder besser die BRD Simulation das Licht ausmacht?… Spannende Zeiten.

  2. Man mag ja die EU und selbst ihre Mitgliedstaaten eher für „Demokratiesimulationen“ halten, aber zumindest formaljuristisch gibt es wenigsten eine Verantwortlichkeit der Kommission und der Regierungen vor den jeweiligen Parlamenten.
    Der Gouverneursrat und das Direktorium des ESM sind dagegen zu vollständiger Geheimhaltung verpflichtet und damit auch nicht gegenüber Parlamenten auskunftspflichtig – und obendrein geschützt durch eine VOLLSTÄNDIGE Immunität, die im Falle der Gouverneursratmitglieder nur durch den Gouverneursrat selbst aufgehoben werden kann.
    Und dieses Gremium soll zur Kontrollinstanz gegenüber den Parlamenten in Fragen des Budgetrechts ausgebaut werden? Ganz klares Nein.
    Im Übrigen IST das Recht, einen Haushalt aufzustellen, eine politische Frage, und keine, auf die es eine einzig richtige, ökonomisch-wissenschaftliche Antwort gäbe – auch wenn die deutsche Ökonomenzunft gern etwas anderes suggeriert.

  3. Oh, oh: mit dem Stahlhammer „diktatorisch“ über ganz unterschiedliche Gemüter drüberfahren und in ein gemeinsames Zwangskorsett zwingen?

    Bei uns auf Arbeit ist das allein mit der „Kaffeordnung“ geschehen, danach waren (fast) alle drunter, drüber und „emotional aufgekratzt“. :-D Was wird hier wohl geschehen?

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