Europa

Deutsche Wirtschaft im Handelsstreit gefangen – und was uns der Rohstoff Weizenstärke verrät

„Die fetten Jahre sind vorbei“, so der Tenor der Wirtschaftsinstitute zur deutschen Konjunktur, aber es wird nicht zu einer Rezession kommen. Wirklich nicht?

„Die fetten Jahre sind vorbei“, so der Tenor der Wirtschaftsinstitute und einiger Regierungsmitglieder zur deutschen Konjunktur, aber es wird nicht zu einer Rezession kommen. Wirklich nicht? Es beschleichen einem doch große Zweifel, angesichts des weltwirtschaftlichen Umfelds und der sich mehr und mehr verschlechternden Indikatoren.

 

Die Zeichen der Abschwächung

Wie bereits dargelegt, fällt der recht aussagekräftige Ifo-Index nun schon seit August 2018, im Mai von 99,2 auf 97,9 Punkte und der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe stagniert bei rezessiven 44 Punkten. Selbst die Bundesregierung rechnet nur noch mit einer Wachstumsrate von 0,5 Prozent für das Jahr 2019, sehr dürftig – und diese Schätzung berücksichtigt bestimmt noch nicht die weitere konjunkturfeindliche Eskalation des Handelsstreits.

Rohstoffe wie Öl, Kupfer, Nickel, Zinn, sogar Holz und vor allem die Zinsen sind in letzter Zeit gefallen, alles Zeichen, die auf eine Abschwächung des Wachstums der Weltwirtschaft hindeuten. Vor Kurzem konnte man über den Rückgang im Umsatz eines weiteren Rohstoffs lesen, dem man kaum große Signifikanz zuordnen würde: Weizenstärke. Dieser Rohstoff wird in der Lebensmittelindustrie, in der Pharma- und Chemieindustrie und als notwendiges Material für Klebstoffe, mit denen man Wellpappe herstellt, verwendet.

Der Stoff, der für viele Formen des Transports von Waren benötigt wird und bei geringerer Nachfrage einen deutlichen Hinweis für rückläufige Warenlogistik liefert. In Deutschland schlug kürzlich der wichtigste Lieferant von Wellpappe, Crespel & Delters, Alarm mit dem Hinweis, dass die Bestellungen deutlich nachgelassen haben. Ein weiteres Indiz für die deutsche Wirtschaft, angesichts von Millionen Paketen, die gerade im Onlinehandel benötigt werden.

Der Dax ist im Mai bisher nur drei Prozent gefallen, eigentlich sehr wenig, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Signale.

Erste Bremssignale im Abbau der Arbeitslosigkeit, im Dienstleistungssektor und im Bau

Der Rückgang im industriellen Bereich wurde bisher überkompensiert durch die Sektoren Dienstleistung und Bau. Stabilisierend fungierte der Beschäftigungsaufbau, der den Konsum am Laufen hielt, ablesbar am GfK-Konsumindikator (die heute veröffentlichte Gfk-Zahl von 10,1 jedoch so schwach wie seit zwei Jahren nicht mehr!). Hier könnte sich ein langjähriger Trend seinem Ende zuneigen. Im neuesten Ifo-Beschäftigungsbarometer gab es einen Rückgang im Mai von 101,5 auf 100,3 Punkte, ein Trend, der schon seit Jahresanfang zu beobachten ist. Betrachtet man die Rationalisierungsmaßnahmen in manchen Industriesparten, so käme ein Ende des Beschäftigungsaufbaus nicht überraschend.

Bisher hält sich der Dienstleistungssektor bärenstark, aber auch das Teilbarometer des Ifo für die Dienstleister fiel gerade so kräftig wie seit sechs Jahren nicht mehr. Nach der Bewertung des Ifo-Konjunkturchefs Klaus Wohlrabe zeigte sich der Rückgang vor allem in der Transport- und Logistikbranche.

Immer noch top ist die Baubranche, im Vergleich zum ersten Quartal 2018 – plus acht Prozent. Aber das Statistische Bundesamt meldete zum Wochenschluss für die ersten drei Monate des Jahres einen Rückgang der Auftragseingänge. Nach sechs Jahren ein erstes Schwächeanzeichen?

 

Fazit

Aufgrund der großen Abhängigkeit der Deutschen Industrie vom Zustand der Weltwirtschaft sollte es keine Eskalation mehr im Kampf um Zölle und Einfuhrbeschränkungen geben. Zu sehr stehen im Dax einige Unternehmen schon im Rationalisierungsmodus. Mit jeder Woche Fortgang des Nervenkriegs werden die Auswirkungen stärker – sie sind ein „Sargnagel“ für die Konjunktur!

Aus optimistischer Sicht darf ein bedeutsamer Vorteil der deutschen Ökonomie aber nicht vergessen werden: Die deutsche Staatsverschuldung liegt derzeit bei 58 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt und damit weit niedriger als in den anderen großen westlichen Industriestaaten. Bei Aufgabe der „schwarzen Null“ für etwaige notwendige Infrastrukturprojekte (Verkehrswege, Brücken, Breitbandausbau u.w.) wäre angesichts von Nullzinsen großer Spielraum für Investitionen durch Schuldenaufnahme da. Die USA und China machen von stimulierenden Maßnahmen schon heftig Gebrauch. In Berlin will man von Stützungsmaßnahmen offiziell noch nichts wissen, noch nicht..!

 

Von Jürgen Matern – Eigenes Werk (JMatern_071104_8454-8458_WC.jpg), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3064083



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