Europa

Deutsche Wirtschaft und die spektakuläre V-Erholung

Man reibt sich verwundert die Augen über die Zahlen für die deutsche Wirtschaft: Am Freitag kamen die neuesten monatlichen Daten der Einkaufsmanagerindizes verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungen von IHS Markit – und diese signalisierten nicht nur Rückkehr zu Wachstum, sondern sie kletterten sogar höher als vor der Coronakrise.

Könnte es tatsächlich zur viel angezweifelten V-Erholung für die deutsche Wirtschaft, wie vom DAX angedeutet, kommen – oder sind diese Daten nur ein monatlicher Ausrutscher?

Die überraschenden Daten und die deutsche Wirtschaft

Natürlich sind einige Branchen, wie die Luftfahrtindustrie oder auch der gesamte Veranstaltungsbereich noch weit weg von Wachstumsraten die auch nur in der Nähe der Vor-Corona-Zeit herankommen. Aber wie kann es zu solchen Daten für die deutsche Wirtschaft kommen, die der Informationsdienstes IHS Markit unter 1000 ausgewählten Firmen in der deutschen Industrie und im Servicesektor erhoben hat?

Der Einkaufsmanagerindex von Markit stieg für den Monat Juli auf 55,5 Punkte (Juni 47,0), was nicht nur Wachstum signalisiert, sondern ein 23 Monatshoch bedeutet.

Die Unterkomponenten:

Index Dienstleistungen 56,7 (Juni 47,3), ein 30-Monatshoch
Index Industrie 53,2 (Juni 46,6), ein 22- Monatshoch

Damit liegen alle Komponenten deutlich im Wachstumsbereich, wesentlich deutlicher als erwartet. Von Reuters befragte Volkswirte hatten im Juli mit einem Anstieg auf 50,3 Punkte gerechnet.

Etwas Wasser gießt Phil Smith, Associate Director bei IHS Markit, in den Wein, indem er kommentiert:

„Eines der Hauptprobleme bleibt allerdings der Arbeitsmarkt und die anhaltenden Stellenstreichungen insbesondere in der Industrie, wo sich der Jobabbau im Juli sogar nochmals leicht beschleunigt hat. Ungeachtet dessen haben sich die Auftragsbestände in der Industrie stabilisiert und die Geschäftsaussichten insgesamt weiter aufgehellt, was die Hoffnung nährt, dass sich der Stellenabbau in der Industrie in den nächsten Monaten verlangsamt.“

Die deutsche Wirtschaft könnte damit etwas schaffen, was die meisten Ökonomen nicht für möglich gehalten hatten.

Wenn das kein V ist!

Auch für Europa meldet IHS gute Einkaufsmanagerindizes. Damit muss die Rezession aktuell noch nicht überwunden sein, aber die Zahlen sind doch mehr als überraschend. Findet damit in Europa tatsächlich etwas statt, was die meisten Wirtschaftsexperten nicht für möglich gehalten haben? Eine V-förmige Erholung, kein U als bevorzugtes Szenario – und erst recht kein L, dem Symbol für eine Dauerrezession.

Der Vollständigkeit halber sollte man auch auf den GfK-Konsumklima-Index in Deutschland blicken. Ein ähnliches Bild:

Mai minus 23,1 Punkte – Juni minus 18,6 – Juli minus 9,4 und August (Prognose minus 0,3 Punkte)

Die ersten Erklärungen von Ökonomen zielen auf die Wirkungen der Deutschen Eindämmungsmaßnahmen ab, anders als in den USA. Besonders deutlich sei die Stimmungsverbesserung im Dienstleistungsbereich ausgefallen.

Jetzt kommt am Donnerstag mit der Veröffentlichung der Konjunkturdaten durch das Statistische Bundesamt für das vergangene Quartal (Prognose -8,5 Prozent) noch einmal ein Blick in den Rückspiegel. Die deutsche Leitbörse hat zur Verwunderung vieler am Freitag nicht auf die positiven Daten für die deutsche Wirtschaft reagiert. Aber der Dax ist auch schon weit vorausgelaufen mit seinem Plus von 50 Prozent auf über 13.000 Punkte. Das häufige Phänomen „Kaufe die Phantasie, verkaufe die Fakten“. Wobei Letzteres noch nicht im realen Zahlenwerk erkennbar ist.

Fazit

Für mich ist diese Entwicklung der Frühindikatoren wieder ein Indiz dafür ist, dass kein Ökonom auch nur die geringste Chance hatte, in so einer Situation, wie der weltweiten Pandemie um Covid-19, auch nur für ein paar Wochen valide Aussagen für die deutsche Wirtschaft zu treffen. Dafür gibt es kein historisches Vorbild, keine Blaupause. Wie schon öfters in den Raum gestellt: Wie es nach diesem Einkaufsmanagerindex aussieht, könnten wir zumindest hierzulande, die tiefste und schnellste Rezession aller Zeiten für die deutsche Wirtschaft erleben. Jedoch ist das Exportland Deutschland keine Insel, genauso wie es das Konsumland Nummer eins, die USA, keine ist.

Es ist finanzmathematischen im Quartalsvergleich auch logisch: Desto extremer der Einbruch in einem Quartal ist, desto leichter wird es im Vergleich kommender Quartale sein, wieder ins Wachstum zu kommen.

Skeptiker werden einwenden, dass aber eine zweite Welle ist doch weltweit zu beobachten sei. Die Zahl der globalen Infektionen sei doch über 16 Millionen Fälle gestiegen. Ja,  das stimmt – aber die Zahl der Gesundungen hat auch schon die 10 Millionen-Grenze überschritten, aktive Fälle 5,87 Mio. Vor genau einem Monat war das Verhältnis: Gesamtzahl 9,7 Mio – Gesundungen 5,42 Mio – Aktive 3,97 Mio.

Am heutigen Montag ist auch der Ifo-Index weiter angestiegen, nach seinem größten jemals gemessenen Anstieg von Mai auf Juni von 79,7 auf 86,2 Punkten, im Juli schließlich auf 90,2 Punkte. Das sieht doch ganz nach einem „V“ aus..

Schafft die deutsche Wirtschaft tatsächlich eine V-Erholung



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9 Kommentare

  1. Christoph Koppenwallner

    @Herrn Müller- V-Erholung
    Ökonomen haben für die „Erholung“ keine Blaupause, aber Firmenvorstande- BWLer, Juristen, Buchhalter- wissen, wo es langgeht.😂😂😂😂

  2. @Wolfgang Müller

    Eine wohltuende Analyse im Meer der Untergangspropheten.
    Ich fürchte, Sie werden von verschiedenen „wissenden“ Kommentatoren noch Einiges einstecken müssen, aber keiner weiß, wie es kommen wird.

  3. @Wolfgang Müller

    Columbo hat es treffend beschrieben. Keiner weiß was kommen wird.
    Eine Sache ist mir allerdings bei der ganzen Pandemie suspekt.
    Es wird soviel davon berichtet wieviel Menschen erkrankt, genesen und auch leider gestorben sind.
    Es wird aber eigentlich nichts zu den Ausfallzeiten der Arbeitnehmer und dem damit verbundenen Schaden sowie die langfristigen Auswirkungen in der Wirtschaft berichtet.
    Das ist doch ein Faktor der nicht vernachlässigt werden darf oder sehe ich das falsch ?

  4. Wirtschaft ist Psychologie.

    Was soll man auch machen.Immer nur die Realität predigen ?
    Die Überbringer der schlechten Nachrichten werden geköpft.

    Die Hoffnung stirbt zuletzt und so kann mann allem wesentlich Schlechteren meist
    auch etwas Gutes abgewinnen. Wir sind ja menschliche Individuen –
    selbstbestimmt oder fremdbestimmt ?

    1. @Franco33

      Die Hoffnung stirbt zuletzt…aber sie stirbt😉

    2. @Franko33, NEIN, um Himmels Willen, bitte keine Realität „predigen“ bzw. argumentieren!!!! 😱 🥶

      Schlagartig wären mit der Realität Untergangspropheten wie Herr Doktor Krall, der biblische Johannes, Nostradamus, Mühlhiasl, all die Zeugen Jehovas und so viele andere obsolet und stünden nackt, hilflos und entlarvt vor dieser grausamen Welt voller Realismus.

      Dann wären nicht einmal mehr die paar rechtschaffenen Helden selbstbestimmt, oh Schreck und Graus, die ganze Welt wäre fremdbestimmt. Sogar die Überbringer der schlechten Nachrichten würden geköpft, nicht einmal der Bote überlebt.

      Da ich sehr selbstbestimmt bin, gewinne ich der Situation Gutes ab. Ich stelle mich dem drohenden Untergang, lebe frech und tapfer einfach weiter, fuck the Knall 🖖

  5. Dann ist doch schon wieder alles gut. Buy the Dip.
    Wen jucken schon KGVs von 300, wenn alle doch so gut gelaunt sind…
    Wie war das nochmal mit dem Gesellschaftsleben? Ach das kann immer noch nicht stattfinden, da sonst die scheinbar so niedrigen Zahlen in die Höhe schnellen würden?
    Aber stimmt sind ja nur noch 6 Mio. aktive bestätigte Fälle…Ach so, die täglichen Fälle steigen immer noch? Kann nicht sein. Fake News!
    Was die Industrieproduktion erholt sich bei Weitem nicht so gut, wie die Konjunkturerwartung von Schwachsinns-Indikatoren? Kann nicht sein. Fake News!

  6. Frag nicht den Chef. Sondern die Angestellten. Die werden dir die ehrlichere Antwort geben.
    Ansonsten Insider Käufe und Verkäufe beobachten — gleichzeitig Beschäftigungsentwicklung des Unternehmens beachten. Adhoc Mitteilungen runden das Bild ab.
    Ab November herrscht wahrscheinlich Klarheit über die Insolventen Firmen.

    Ein V wird es nicht, aber es geht langsam bergauf.

    Bleibt gesund, und viel Glück euch allen!!!!

  7. IFO GUT- ALLES GUT

    Immerhin hat der sonst Super optimistische Fratscher ein sehr düsteres Bild der noch kommenden Auswirkungen heraufbeschworen u.dies mit wirklichen Beispielen von Handelsfirmen. Wenn sie 200000 Euro Kredit aufnehmen müssen für Lohnzahlungen wird Ihnen der gute IFO Index eher lästig sein.

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