Allgemein

Deutsches Geschäftsmodell veraltet Deutschland: Keine Trendwende – Rezession statt Aufschwung

Deutsche Industrie. Foto: Alex Kraus/Bloomberg
Deutsche Industrie. Foto: Alex Kraus/Bloomberg

Kurz vor der vorgezogenen Bundestagswahl erhält Deutschland erneut ein schlechtes Wirtschaftszeugnis. Deutschland steht das zweite Jahr in Folge vor einem wirtschaftlichen Abschwung, was die Politiker vor den Neuwahlen im Februar an ihre gewaltige Aufgabe erinnert. Die Daten zum Bruttoinlandsprodukt dürften auch für das abgelaufene Jahr eine Rezession ausweisen – ein Aufschwung ist weiterhin nicht in Sicht. Um das Land aus der Rezession zu führen, muss die neue Regierung mehr Investitionen ermöglichen.

Analysten schätzen, dass das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal um 0,1 Prozent gewachsen ist – zu wenig, um für das Gesamtjahr 2024 ein positives Ergebnis zu erzielen. Es wird mit einem Rückgang der Produktion um 0,2 Prozent gerechnet, was im krassen Gegensatz zu dem Anstieg von 0,8 Prozent in der Eurozone mit ihren 20 Ländern steht.

Rezession: Deutsche Wirtschaft dürfte das zweite Jahr in Folge schrumpfen
Rezession: Deutschland dürfte das zweite Jahr in Folge einen Rückgang verzeichnet haben

Deutschland: Keine Trendwende in Sicht

Die am Mittwoch vom deutschen Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen sind die ersten für das Jahr 2024 aus einem G7-Land. Doch selbst wenn sie positiv überraschen sollten, lassen die jüngsten Daten wenig Zweifel daran, dass eine echte Trendwende – vor allem im schwächelnden verarbeitenden Gewerbe – noch in weiter Ferne liegt.

Entscheidend für die Wiederbelebung des Wachstums wird sein, wie die neue Regierung mit den strengen deutschen Haushaltsregeln umgeht.

„Wir erwarten für das vierte Quartal ein flaches Wachstum, da wir bei verschiedenen Indikatoren eine anämische Seitwärtsbewegung beobachten“, sagt Vincent Stamer, Volkswirt bei der Commerzbank. „Wir sehen auch einen schwachen Start ins Jahr 2025, bevor die Investitionen dank niedrigerer Zinsen allmählich wieder anziehen.

Die Daten der vergangenen Woche zeichneten ein ähnlich gemischtes Bild. Selbst einige positive Zahlen – die Industrieproduktion in Deutschland stieg im November – dürften laut Bloomberg Economics die wirtschaftliche Expansion zum Jahresende nicht gestützt haben.

Hilfe kommt von der Europäischen Zentralbank, die die Zinsen im vergangenen Jahr viermal gesenkt hat und weitere Senkungen in diesem Jahr plant, obwohl die Inflation zuletzt wieder gestiegen ist. Dies könnte die Investitionstätigkeit im gesamten Euroraum ankurbeln und den deutschen Herstellern zugute kommen. Steigende Haushaltseinkommen dürften den Konsum ankurbeln. Allein auf Zinssenkungen zu hoffen, dürfte aber nicht ausreichen, um Deutschland endgültig aus der Rezession zu führen.

Aussagen der Bloomberg-Ökonomen:

„Wir gehen davon aus, dass die Schwäche der Industrie die gesamtwirtschaftliche Aktivität weiter belasten wird und dass das BIP-Wachstum 2025 nach zwei Jahren der Schrumpfung sehr bescheiden ausfallen wird. Weitere Probleme im verarbeitenden Gewerbe, wie etwa eine mögliche Anhebung der US-Zölle auf europäische Exporte, könnten Deutschland leicht zurück in die Rezession treiben.“ -Martin Ademmer, Ökonom.

Die deutsche Misere

Trotz anhaltender Hoffnungen setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass ein Großteil der deutschen Misere auf Probleme zurückzuführen ist, die sich über Jahre aufgebaut haben – darunter eine sich verschlechternde Demografie, ein Mangel an moderner Infrastruktur und eine abnehmende Wettbewerbsfähigkeit. Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte gegenüber Bloomberg, die Konjunkturschwäche sei „kronisch“.

Diese Situation bestimmte einen Großteil der öffentlichen Debatte im Vorfeld der Wahlen am 23. Februar. Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen fragile Ampel-Koalition mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und der russischen Invasion in der Ukraine zu kämpfen hatte, wird voraussichtlich von Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der konservativen CDU/CSU, geschlagen werden.

Während die Parteien eine Reihe von Maßnahmen zur Sanierung der Wirtschaft vorschlagen, liegt der Schwerpunkt auf der in der Verfassung verankerten Obergrenze für die Staatsverschuldung, der so genannten Schuldenbremse.

Scholz‘ Sozialdemokraten und die Grünen, die laut Umfragen mit den Konservativen eine Regierung bilden könnten, befürworten eine Überarbeitung der Regeln, um mehr Investitionen zu ermöglichen.

Kann die neue Regierung Deutschland aus der Rezession führen?
Deutsche Konservative auf dem Weg zur nächsten Regierung | Wöchentlicher Umfrageprognosen

Wirtschaft ankurbeln

Beide Parteien fordern zehnprozentige Investitionszuschüsse, Kaufprämien für Elektroautos, um die angeschlagene Autoindustrie zu beleben, und einen Fonds von mindestens 100 Milliarden Euro (103 Milliarden Dollar) für öffentliche Investitionen. Außerdem wollen sie niedrigere Strompreise und Netzentgelte.
Die entscheidende Frage ist, ob die Konservativen, die in den Umfragen deutlich vorne liegen, bereit sind, die Schuldenbremse zu reformieren. In ihrem Wahlprogramm halten sie an der Schuldengrenze fest und setzen stattdessen auf umfangreiche Steuersenkungen, um Deutschland wieder auf die Beine zu helfen.

Merz zeigte sich jedoch offen für Anpassungen, um mehr Investitionen zu ermöglichen. Silvia Ardagna, Ökonomin bei Barclays in London, sagte, sie erwarte, dass die Wahl letztlich die Art der Haushaltskonsolidierung beseitigen werde, die Scholz‘ Koalition anstrebe.

„Es geht eher darum, eine weitere Straffung zu vermeiden, als einen sehr großen Anreiz zu schaffen“, sagte sie. „Das wird definitiv helfen, aber der Zeithorizont ist auch wichtig. Jedes Investitionsprojekt wird wahrscheinlich mindestens ein Jahr brauchen, bevor es sich auf das Wachstum auswirkt.

Deutschland: Regierung muss mehr Investitionen ermöglichen
Deutsche Industrieproduktion seit Jahren rückläufig

Deutschlands Geschäftsmodell

Jahre der Haushaltsdisziplin geben der nächsten Regierung Spielraum für mehr Investitionen. Die Anleihemärkte gehen davon aus, dass sich die Finanzierungskosten für Deutschland nicht wesentlich erhöhen würden, wenn es rund 220 Mrd. € mehr ausgeben würde, was 5% des BIP entspricht. Dies deutet darauf hin, dass die Märkte auch einen breiten politischen Konsens zur Erhöhung der öffentlichen Investitionen eingepreist haben.

LBBW-Ökonom Moritz Kraemer geht davon aus, dass die neue Regierung letztlich in diese Richtung gehen wird, auch wenn er die bisher vorgelegten Pläne für „vereinfachend“ hält. Er mahnt aber, dass die Unternehmen ihre eigenen Hausaufgaben machen müssen – indem sie mehr für digitale Technologien ausgeben, die im 21. Jahrhundert entscheidend sind. „Wir stellen immer noch die gleichen Produkte her wie 1990 und 2000, und das hat nichts damit zu tun, welche Koalition in Berlin regiert“, sagte er. „Es wird so weitergehen, bis wir eine Trendwende schaffen. Es gibt einen verzweifelten Wunsch, am Geschäftsmodell der Vergangenheit festzuhalten.

FMW/Bloomberg



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

5 Kommentare

  1. Moin, moin,

    „Deutschland: Keine Trendwende – Rezession statt Aufschwung“, ja bitte was wird da erwartet?

    Es kann keinen Aufschwung geben, woher soll der kommen? Eine 180 Grad Wende wird es in dieser Republik nicht mehr geben können, der Zeitpunkt wurde vor Jahren bereits verpasst. Noch leben wir von den Leistungen der Vergangenheit, aber dieses „Wohlstandskissen“ wird peu a peu immer mehr aufgebraucht. Und was macht der Deutsche Lindemann? Nichts, er sieht die Gefahr nicht und glaubt weiter an den Endsieg der etablierten Parteien. Was wird die etablierte Politik machen? Genau, richtig, sie wird nach Geld und Vermögen suchen. Tja, wer etwas besitzt wird weiter und weiter abgeben müssen, bis er auch nichts mehr hat. Solange dreht sich das Rad weiter in die falsche Richtung.

    Fazti: Patient BRD klinisch tot, fehlt nur noch der Totenschein

    1. Es kann immer eine Auferstehung geben, aber nicht mit dem politischen Personal. Das ist schon seit Jahrzehnten dabei und will das eigene Lebenswerk nicht scheitern sehen. Übrigens, genau das war der Grund warum die letzten 3 Kernkraftwerke weg mussten. Die Diagnose betrifft besonders CDU, CSU und SPD. Scholz Wahlkampf-Versprechen – keiner wird weniger bekommen – meint ja nichts anderes als: Wir haben nichts falsch gemacht. Die CSU kramt die Mütterrente wieder raus und Merz will wieder an den Steuerschrauben drehen, weil er das so noch auch der Kohl-Zeit kennt. Die Alternative wäre die „Kettensäge“, aber das geht gar nicht. Speziell im Energiebereich müsste man alle Verbote abräumen und den Markt machen lassen. Im Immo-Sektor wäre das auch nötig, aber der ist wohl Ländersache, weshalb nichts passieren wird.

      1. „Speziell im Energiebereich müsste man alle Verbote abräumen und den Markt machen lassen.“

        @Robert, möchten Sie wieder zurück zu dern Smog-Krisen der 60er bis 80er Jahre?

  2. Ganz falscher Weg, die Schuldenobergrenze aufzuweichen! Die Keynesianer finden das natürlich gut, ich gehöre eher zu der Friedman-Fraktion: Es ist genug Geld da! Es wird nur an den falschen Stellen ausgegeben. Die Staatsquote ist deutlich zu hoch und streigt immer weiter. Jeder zweite Euro wird mittlerweile durch den deutschen Staat ausgegeben. Bürokratie und staatliche Personalkosten haben ihren Preis. Dort und vor allem an den mit der Gießkanne unkontrolliert ausgegebenen Sozialkosten muss der Hebel angesetzt werden! Aber das wird wohl unter einer wahrscheinlichen GroKo nach der Wahl weiterhin Utopie bleiben….

  3. Wer gut aufgepasst hat, der hat schon vor 5 bis 7 Jahren sein Geld außerhalb der EU „geparkt“.
    Gibt es weiter zumindest eine Beteiligung der grünen Sekte an der nächsten Regierung oder nimmt eine neue Regierung nicht entscheidende Gesetze zurück, und beschließt nicht den Wiedereinstieg in die Atomenergie, sollte man, wenn möglich, seinem Geld folgen.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage