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Die Briten haben ein kleines Problem: eine unschöne Handelsbilanz mit der EU!

FMW-Redaktion

Die Befürworter eines Brexit sagen: wenn wir aus der EU ausscheiden, handeln wir einfach neue Handelsbedingungen mit der EU aus – und fertig. Aber ist das wirklich so einfach? Eines nämlich ist klar: die Briten sind zweifellos sehr wichtig für die EU, aber für die Briten selbst steht mehr auf dem Spiel als für die EU.

Das zeigen schon die Handelsströme zwischen UK und der EU – hier wird klar, wie groß vor allem für UK die faktische Abhängigkeit im Handel mit der EU ist. So hat UK, das zeigen die heute veröffentlichten Daten zur Handelsbilanz im ersten Quartal, Waren und Güter im Wert von knapp 24 Milliarden Pfund mehr eingeführt als in die EU exportiert. Das ist das größte Defizit mit der EU seit Aufzeichnung der Daten, also seit dem Jahr 1998. Vor allem Autos, Maschinen und chemische Artikel haben die Briten aus der EU nachgefragt, während das Land gleichzeitig weniger Öl in die EU exportiert hat (bzw. der Wert des exportierten Öls im Preis gesunken ist aufgrund des Preisverfalls vor allem zu Beginn des Jahres).

Eines ist klar: die Briten exportieren knapp die Hälfte ihrer Güter in die EU – während umgekehrt der Export der EU nach UK schon aufgrund der Größe der EU deutlich kleiner ist. Man kann es daher drehen oder wenden wie man will: sollte es zu einem Brexit kommen, wären die Briten darauf angewiesen, möglichst schnell eine Erstatz-Vereinbarung mit der EU zu treffen, um das Schlimmste zu verhindern. Erfahrungsgemäß dauern aber solche Abkommen Jahre, bis sie ausverhandelt sind.

Das Defizit von UK gegenüber dem „Rest der Welt“ (also alles außerhalb der EU) ist dagegen mit 13,3 Milliarden Pfund deutlich geringer als das mit der EU, wenngleich auch hier die Tendenz steigend ist (im Vorquartal hatte das Defizit noch 12,2 Milliarden Pfund betragen). Damit produziert UK mit der EU fast zwei Drittel seiner Defizite in der Handelsbilanz.

Faktisch ist die britische Wirtschaft eine reine Dienstleistungswirtschaft geworden, die ihren Auftrieb vor allem der Blase am Immobilienmarkt verdankt. Da die meisten Briten Immobilieneigentümer sind, steigt ihr Vermögen mit den Hauspreisen. Das kann jedoch nicht ewig gut gehen – Rückzahlungen von Immobilienkrediten zu Lebzeiten, wie von der Wohnimmoblienkreditrichtlinie der EU ultimativ gefordert, sind etwa in London völlig ausgeschlossen.

Eines der Steckenpferde der Wirtschaftskraft in UK ist vor allem der Londoner Finanzmarkt, wo auch der Euro mit am Abstand größten Volumen gehandelt wird. Aber die EZB könnte und dürfte nicht zulassen, dass ihre Währung außerhalb der EU gehandelt wird – Paris, vor allem aber Frankfurt würden daher von einem Brexit profitieren und Londons bislang unangefochtene Stellung im Falles eines Brexit zumindest gefährden..



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4 Kommentare

  1. Damit würde nur aufgedeckt, dass man in der Vergangenheit über die Verhältnisse gelebt hat und dies durch die Druckerpresse finanziert wurde. Besser jetzt die bittere Medizin, als ein weiter so mit der Konsequenz, komplett abhängig von Importen zu werden und im eigenen Land nichts mehr zu haben, was auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist. Jaguar ist ja schon an die ehemalige Kolonie verkauft. Rolls Royce an BMW usw.

  2. „So hat UK, das zeigen die heute veröffentlichten Daten zur Handelsbilanz im ersten Quartal, Waren und Güter im Wert von knapp 24 Milliarden Pfund
    m e h r e i n geführt als in die EU exportiert. “

    Wenn ich bei euch einen sich widersprechenden Sachverhalt von einem Absatz (in dem Fall der 2.) zum anderen zu erkennen glaube, bekomme ich zur Antwort, dass das so schon seine Richtigkeit hätte. (So war es zuletzt bei dem zusätzlich freien Tag in Venezuela).

    So wird es wohl auch heute sein, wenn ich behaupte, dass das für GB kein Problem wäre, sich andere B e s c h a f f u n g s märkte aufzutun.
    Aber evtl. wird Deutschland aufheulen, wenn GB nicht mehr soviel einführt aus der EU und aus Deutschland.

    In euren nächsten Abschnitten lese ich die IMport/EXport-Zahlen dann sowieso etwas anders – als hätte GB nämlich ein D e f i z i t gegenüber der EU.
    Na, ja, schaun wir mal ob Venezuela grüßen lässt.

  3. Eine Behauptung ist falsch : Wenn die Briten weit mehr Produkte aus der EU importieren als in die EU zu exportieren, dann hat die EU im Falle des Ausscheidens Großbritanniens aus dem Binnenmarkt weit mehr zu verlieren als die Briten, die im Falle des Verlassen des EU – Binnenmarktes ihr Handelsbilanzdefizit minimieren können.

    1. @ Christian Peter: die Behauptung ist keineswegs falsch.
      Es geht um die RELATIVE Wichtigkeit: hier stehen 5%-EU gegenüber 45%-GB.
      Nimm einem Millionär 10 euro ab oder Deinem Sohn vom Taschengeld …

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