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Die EM 2024 und die finanziellen Risiken für Deutschland

Gastbeitrag von Christina Reim

Ende September stimmte die Führung des europäischen Fußballverbands UEFA darüber ab, wo die EM 2024 stattfinden soll. Mit großer Mehrheit setzte sich Deutschland gegen die Türkei durch. Die Freude bei den Verantwortlichen des DFB war selbstverständlich groß, und auch die deutsche Politik zeigte sich überwiegend begeistert davon, dass Deutschland in sechs Jahren die Europameisterschaft ausrichten wird. Ein so großes Turnier ist allerdings auch eine finanzielle Kraftanstrengung – die Frage stellt sich, ob Deutschland ihr gewachsen ist.

EM 2024 in Berlin
Das Berliner Olympiastadion. Foto: Martijn Mureau CC BY-SA 4.0

Touristen bringen Geld

Wenn sich Länder für ein wichtiges Sportereignis bewerben, tun sie das vor allem aus einem Grund: um Besucher anzulocken und sie von der Schönheit des Landes zu überzeugen. Seien es die Olympischen Spiele, die Welt- oder die Europameisterschaft im Fußball – Sport-Events bringen Tausende von Touristen ins Land, die ihrerseits viel Geld ausgeben. Das kommt dem Staat und seiner Wirtschaft in Form von Steuereinnahmen in Millionenhöhe zugute. Allerdings verursacht ein sportliches Großereignis zunächst Kosten. Stadien und andere Sportstätten müssen gebaut oder renoviert werden, oft ist auch die Infrastruktur nicht für einen so enormen Ansturm von Besuchern ausgelegt. Die Hoffnung der Gastgeberländer ist also zum einen, dass die Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Zum anderen herrscht stets die Überlegung, dass die frisch errichteten und runderneuerten Sportstätten auch in Zukunft genutzt werden. Dass das oftmals ein Trugschluss ist, zeigen die Weltmeisterschaften 2010 in Südafrika und 2014 in Brasilien. Beide Länder hatten die Hoffnung, durch das Turnier ihre Wirtschaft anzukurbeln, wurden aber enttäuscht.

Leere Stadien in Südafrika und Brasilien

Südafrika konnte im Jahr 2010 zwar Einnahmen generieren, die 0,2 bis 0,4 Prozent seines Bruttoinlandprodukts entsprachen, was vor allem der Bauindustrie und dem Tourismus zu verdanken war. Ein dauerhafter Aufschwung der Wirtschaft hat sich allerdings nicht ergeben, ebenso wenig verbesserte sich die Arbeitssituation. Was die WM jedoch gebracht hat, waren zusätzliche finanzielle Belastungen durch die extra errichteten Stadien. So kommen zu den 280 Millionen Euro, die der Bau des Cape Town Stadiums in Kapstadt gekostet hat, jährlich rund fünf Millionen Euro für den Betrieb und die Instandhaltung hinzu. Einnahmen bringen vor allem unregelmäßig stattfindende Konzerte. Der Zuschauerschnitt vom Klub Ajax Cape Town, der seine Heimspiele im 55.000 Personen fassenden Stadion austrägt, lag in der vergangenen Saison lediglich bei 6.000. Ähnlich sieht es in Brasilien aus. Auch dort wurden Stadien gebaut, die seit der Weltmeisterschaft kaum genutzt werden. Ein extremes Beispiel ist das Estádio Nacional de Brasília Mané Garrincha in der Hauptstadt Brasília. Dessen Errichtung kostete rund 450 Millionen Euro, wodurch es das teuerste WM-Stadion war. Der Betrieb und die Instandhaltung kosten rund 180.000 Euro pro Monat, was sich die unterklassigen heimischen Vereine nicht leisten können. So fanden 2015, also im Jahr nach der WM, nur zwei Partien im Stadion statt. Seitdem parken Busse auf dem Gelände, und etwa 400 Beamte haben dort ihre Büros. Zumindest kurzfristig hat sich die Weltmeisterschaft finanziell für Brasilien gelohnt. Den acht Milliarden Euro, die das Turnier gekostet hat, stehen zehn Milliarden Euro Einnahmen gegenüber, die unter anderem durch ausländische Touristen generiert wurden. Weitere Einnahmen in Höhe von 330 Millionen Euro sind Brasilien allerdings entgangen, weil der Staat gezwungen war, dem Weltverband FIFA die Steuern auf dessen Gewinne zu erlassen.


Philipp Lahm. Foto: Harald Bischoff / CC BY-SA 3.0

Deutschland ist gut gerüstet für 2024

Selbst als Frankreich die EM 2016 ausgerichtet hat, wurden dafür vier neue Spielstätten gebaut. Das bleibt Deutschland erspart: Bei der EM 2024 werden die Partien in zehn Stadien ausgetragen, die zum Teil schon während der WM 2006 genutzt wurden. Die anderen Stadien sind Spielstätten von Bundesligisten und daher für einen großen Zuschaueransturm gerüstet. Darum müssen lediglich Renovierungsarbeiten geleistet werden, was deutlich weniger Kosten verursacht als Neubauten. Wie bei den Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien werden zur Europameisterschaft 2026 sehr viele Ausländer nach Deutschland kommen, um die Spiele und die Atmosphäre vor Ort zu erleben. Das wird der deutschen Wirtschaft viele Milliarden Euro einbringen. Bei der WM 2006 waren es bis zu zehn Milliarden Euro und damit rund 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts – für die EM 2026 sind ähnliche Zahlen zu erwarten. Eines steht fest: Deutschland wird sich mit der Europameisterschaft in sechs Jahren definitiv nicht finanziell überheben. Im Gegenteil wird das Turnier die Wirtschaft im Land zusätzlich ankurbeln.

Quellen:

DWN

TM

TS

ME

FAZ



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