Anleihen

Die EZB entdeckt den Unterschied zwischen Stimmung und harten Daten

Heute fällt die Inflationserwartung der Märkte für die Eurozone auf den tiefsten Stand seit November. Und die EZB entdeckt ein neues Argument zur Rechtfertigung ihrer ultralaxen Geldpolitik: die Stimmung sei doch viel besser als die Lage, wie Chefvolkswirt Peter Praet heute kundtat..

FMW-Redaktion

Die Fed, vor allem am letzten Freitag der Gouverneur der New York Fed, William Dudley, machen sich Sorgen. Nicht, dass die Notenbanker das so offen aussprechen würden, aber der Verweis auf die Tatsache, dass Stimmungs-Daten wie das US-Verbrauchervertrauen deutlich besser sind als etwa harte Daten wie die US-Einzelhandelsumsätze, scheint die Fed nachdenklich zu machen. Faktisch heißt das nämlich: die Stimmung ist deutlich besser als die Lage.

Nun aber hat auch die EZB dieses Thema scheinbar entdeckt – darauf deutet ein Interview mit Peter Praet, dem Chef-Volkwirt der Notenbank hin, das heute von der EZB veröffentlicht worden ist.


EZB-Chefökonom Peter Praet. Foto: EZB

Bislang war das Thema immer: ja, die Inflation ist gestiegen, aber nicht nachhaltig, weil nur die Energiepreise wirklich gestiegen seien, in der Kernrate die Inflation jedoch noch weit unter dem Zielkorridor der EZB liege. Das wiederholte Peter Praet heute einmal mehr:

„It’s headline inflation that has picked up, and this is significantly affected by volatile elements such as oil and food prices. Underlying inflation, which is an indicator of price stability over the medium term, remains subdued.“

Nun kamen die EU-Verbaucherpreise am vergangenen Freitag deutlich unter der Erwartung mit nur +1,5% – und das zeigt sich heute deutlich an den Märkten: der Euro weiter unter Druck, aber vor allem fällt ein für die EZB sehr wichtiger Gradmesser für die kommende Inflation, die Five-Year-Five-Year-Forwards (die die von den Märkten erwartete Inflation in fünf Jahren für die dann kommenden fünf Jahre bepreisen) fallen heute mit 1,559% auf den tiefsten Stand seit November 2016. Mithin ist also das europäische Pendant des Reflations-Trades, also die Erwartung anziehender Inflation mit dann hawkisher Antwort der Notenbank EZB, ziemlich schnell in sich zusammen gefallen!

Die EZB sieht sich naturgemäß durch die letzten Daten in ihrer Einschätzung bestätigt. Nun aber nimmt sie scheinbar eine Anleihe bei der Fed und erklärt, warum man die Geldpolitik, leider leider, noch nicht straffen könne: die Stimmung sei auch hier besser als die Lage, sprich die Stimmungsdaten besser als die harten Daten. So sagte Praet, man sei nun auch optimistischer, aber warte ab, dass ich dieser Optimismus auch wirklich durch die Daten bestätige:


We anticipate that the recovery will be reflected in hard data and not only in confidence indicators. We have more confidence in the economic outlook. Incoming data are making us more confident that the economic expansion will continue to firm and broaden. But the important question is whether the adjustment of the path of inflation towards below, but close to, 2% would continue without our expansionary monetary policy. At the present time, I would have to say no, but it’s clear that the tone of our communication has changed – we are now more optimistic on the economic outlook. Our monetary policy stance thus remains appropriate. Of course, it is our job to continuously assess the appropriateness of our stance.“

Zwar komme absehbar keine weitere Lockerung („probability of us having to provide more monetary accommodation to meet our objective has reduced considerably“), aber eben auch keine Straffung der Geldpolitik. Aber mit dem Verweis auf die sich nicht wirklich in den harten Daten nieder schlagende gute Stimmung hat die EZB nun ein neues Thema – und faktisch die Rechtfertigung dafür, warum sich in Sachen Geldpolitik so schnell nichts ändern wird..



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7 Kommentare

  1. Der nächste Schritt ist das Inflationsziel anzuheben – 2% passt eben nicht mehr, wenn man nicht gewillt ist, den Leitzins anzuheben:

    http://www.zerohedge.com/news/2017-04-03/central-banks-rethink-2-inflation-target-wrong-direction-course

    Mich beschleicht das Gefühl, die EZB ist die Sprechpuppe der Finanzindustrie. Aber ja, nur so ein Gefühl. In Wirklichkeit ist sie natürlich der unabhängige Fels in der europäischen Brandung.

  2. Der Herr Chefökonom übersieht nur eine diametrale Kleinigkeit im Vergleich zum besten aller Länder:
    Die Stimmung im EURO-Raum ist seit Jahren eher verhalten, während die harten Fakten im gleichen Zeitraum andere Bände sprechen. Hier bestünde also massives Aufwärtspotenzial.
    Nun pickt man sich einen passenden Monat für die Medien heraus, vermischt diesen mit „Five-Year-Five-Year-Forwards (die die von den Märkten erwartete Inflation in fünf Jahren für die dann kommenden fünf Jahre bepreisen)“ und übersieht welchen Terminus???
    …die von den Märkten erwartete Inflation …
    Und schon befinden wir uns wieder in der puren Spekulation. Jedes kleine Kind weiß inzwischen, dass sogar Märchen realistischer sind als das, was die Märkte erwarten. Spätestens seit der Erwartung, dass der USD dem Untergang geweiht sei, sollte die rotblonde narzisstische Fönwelle die Wahlen gewinnen, und der Tatsache, dass dem nach ein paar Tagen plötzlich gar nicht mehr so war, sollte doch allen denkenden Menschen bewusst sein, dass an den Finanzmärkten andere, eigene, seltsame Gesetze gelten.
    Dass allerdings inzwischen Notenbanken massiv in die Börsenkurse (notfalls mittels sog. Whistleblower) und sogar in die Politik mit eingreifen, sollte vernünftigen* Menschen ernsthaft zu denken geben.

    *(S)permabullen natürlich ausgenommen, Gehirnmasse in andere Regionen verlagert.

    1. Größtenteils haben Sie Recht, allerdings mischen sich nicht die Zentralbanken in die Politik ein, sondern genau andersrum: die Politik versucht die Zentralbanken zu steuern.

      Sogar Mafio Droghi (Begriff stammt leider nicht von mir) mahnt jedesmal verzweifelt Reformen an, für die aber jede Motivation fehlt, solange Sultan(in) Merkel ihre passive Scheckbuchpolitik betreibt: jeder, außer das eigene Volk, kriegt, was er will. Obergrenzen, egal in welchem Bereich, sind nazistisch.

      1. Nun, das ist wie die Frage nach der Henne und dem Ei.
        Man könnte auch sagen, die Motivation für Reformen fehlt, solange man kostenlos immer mehr Schulden machen kann bzw. dafür auch noch Zinseinnahmen verbuchen kann.
        Ich mag unsere Gluckhenne ja auch nicht besonders, aber ihr die Schuld für all das Chaos alleine aufzubürden, halte ich für sehr ambitioniert.
        Es gibt auch noch den einen oder anderen, von Germanien unabhängigen Staat in Europa, dem die „verzweifelt angemahnte Motivation für Reformen“ fehlt.
        Dürfte bzw. könnte ich jeden Monat 5.000 € neue Schulden aufnehmen, die ich nie zurückzahlen werde und würde im besten Fall auch noch Zinsen dafür erhalten, wäre meine Motivation für Disziplin und Änderungen meines Verhaltens auch recht gering.

        1. Ich stimme Ihnen zu, Michael. Schuld an der Entstehung des €-Zonen-Chaos‘ ist die merkel zugegeben nicht. Aber sie trifft die volle und uneingeschränkte Schuld am katastrophalen Krisenmanagement. Zwar war es absolut richtig, ein erstes Rettungspaket zu schnüren, um Spekulanten den Wind aus den Segeln zu nehmen und Zeit für einen geordneten, schonenden Exit zu gewinnen.

          Aber was sie danach veranstaltet hat, wird in den dunkelsten Annalen deutscher Geschichte noch lange Jahrzehnte lang vor sich hin rotten: mit irrsinnigen Hunderten von Milliarden nicht schützenswerte Finanzinteressen „gerettet“, das Siechtum der Südländer auf unbestimmte Zeit verlängert und den europäischen Integrationsprozess durch Erzeugung unkontrollierbarer Spannungen erheblich verlangsamt bzw. rückgängig gemacht.

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