Die Europäische Zentralbank hat letzte Woche zum vierten Mal in diesem Jahr die Zinsen gesenkt. Doch auch nach vier Zinssenkungen geht die EZB davon aus, dass die Zinsen auf ihrem aktuellen Niveau die Wirtschaftstätigkeit noch immer dämpfen. Weitere Zinsschritte im kommenden Jahr sind daher sehr wahrscheinlich, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Montag in einer Rede signalisierte. Die meisten ihrer Kollegen sind ebenfalls der Meinung, dass die Geldpolitik allmählich zu einer neutralen Haltung übergehen kann, die das Wachstum weder bremst noch stimuliert. Nun hat sich auch EZB-Direktorin Isabel Schnabel, die dem Falken-Lager angehört, für weitere Zinssenkungen ausgesprochen, so ein Bericht von Bloomberg.
Zinsen weiter senken
Die Europäische Zentralbank kann nach Ansicht von Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel die Zinsen weiter senken, da das Vertrauen in einen nachhaltigen Rückgang der Inflation auf den Zielwert von zwei Prozent zunehme. Dabei müsse sie aber schrittweise und datenabhängig vorgehen.
“Preisstabilität ist in Reichweite”, sagte Schnabel am Montag in einer Rede in Paris. “Eine schrittweise Senkung der Leitzinsen auf ein neutrales Niveau ist die am besten geeignete Vorgehensweise.”
Das Wort “schrittweise” verwenden die Währungshüter der EZB oft, wenn sie an Zinssenkungen um 25 Basispunkte denken – im Gegensatz zu einem großen Schritt um 50 Basispunkte, wie ihn die Schweizerische Nationalbank gerade vollzogen hat. Weitere Zinsentscheidungen der Fed am Mittwoch sowie der Bank of Japan und der britischen Notenbank am Donnerstag folgen noch in dieser Woche.
Die Risiken für die Verbraucherpreisentwicklung bezeichnete Schnabel als “weitgehend ausgewogen”. Nach den vier Zinssenkungen in diesem Jahr näherten sich die Zinsen einem Niveau, das die wirtschaftliche Expansion weder einschränke noch stimuliere, so Schnabel.
Die Inflation im Euroraum ist in den vergangenen Monaten gestiegen. Mit 2,3 Prozent im November liegt sie aber immer noch unter dem Niveau, das die EZB noch vor wenigen Monaten erwartet hatte. In ihren Prognosen geht die EZB davon aus, dass sich die Inflationsrate ab dem zweiten Quartal des kommenden Jahres um die Zielmarke von zwei Prozent bewegen wird.
“Ein wichtiger Teil der Disinflation steht noch aus”, sagte Schnabel mit Blick auf die nach wie vor hohen Preissteigerungen bei Dienstleistungen.

EZB setzt auf schrittweise Lockerung
Für eine schrittweise Senkung der Zinsen sprechen laut Schnabel auch noch zwei andere Gründe: Neue Schocks, die die Wirtschaft des Euroraums immer wieder treffen — “von denen viele ein Aufwärtsrisiko für die Inflation darstellen” —, und die Tatsache, dass sich die Zinsen “dem neutralen Bereich nähern”.
Die Herausforderungen für die Geldpolitik werden sich laut Schnabel ändern, sobald die Preisstabilität wiederhergestellt ist. “Wenn die Inflation wieder von idiosynkratischen Schocks abhängt, können es sich die Zentralbanken leisten, moderatere Abweichungen vom Ziel – in beide Richtungen – toleranter zu handhaben”, so Schnabel.
“Angesichts des begrenzten Spielraums sollte sich die Geldpolitik darauf konzentrieren, energisch auf Schocks zu reagieren, die die Inflationserwartungen destabilisieren könnten, indem sie die Inflation mittelfristig messbar und nachhaltig von unserem Ziel von 2 % entfernen”, sagte sie. Strukturelle Probleme könne die EZB jedoch nicht lösen.
FMW/Bloomberg
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