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Die Nr 2 hinter Mario Draghi: Seit seinem Ausscheiden aus der EZB twittert er „frei“ seine Meinung

Ist ein Notenbanker in Amt und Würden, kann er sich quasi zu gar nichts äußern. Das gebietet seine Funktion als „Hüter von Stabilität und Geld“. Selbst zu Geldpolitik, Währungskursen und Inflation äußern sich Notenbanker stets nur extrem verschachtelt, zurückhaltend und allgemein. Bloß keine klaren Meinungen, bloß nie zu sehr auf etwas festlegen. Das gilt für Mario Draghi, und natürlich auch für seine Nummer 2, den Vize-Präsidenten der EZB Vitor Constancio.

Er ist aber Ende Mai aus seinem Amt bei der EZB ausgeschieden. Dieses Tätigkeitsende scheint eine Art große Erleichterung für Vitor Constancio zu sein. Endlich kann er seine Meinungen frei äußern, egal zu welchem Thema. Und wie Donald Trump auch, macht er davon Gebrauch den Kurznachrichtendienst Twitter fleißig zu nutzen. Bis Ende Mai gab es nur drei kurze Tweets. Seit Anfang Juni gab es 74 neue Tweets.

Vorab muss man eines beachten: Es handelt sich hierbei nicht um ein verifiziertes Twitter-Account. Also kann man nicht mit 100% Sicherheit sagen, dass Vitor Constancio auch wirklich selbst hinter diesen Tweets steht. Aber die Tatsache, dass noch keine Dementis folgten, und dass Branchenbeobachter die Tweets für authentisch halten, deuten doch auf die Echtheit des Kontos hin. Auch gibt es keine auffälligen, satirischen oder beleidigenden Tweets, die ein Fake-Account-Betreiber posten würde. Schauen wir mal, was er bisher so alles dachte, aber als EZB-Vize nicht sagen konnte oder wollte. Hier die interessantesten Tweets.

Da wäre zum Beispiel die Idee, dass alle Bürger direkt bei der jeweiligen Notenbank ein Konto haben. Das wäre der Tod für die Gewinnmargen der Geschäftsbanken! Aber Constâncio meint, dass man darüber diskutieren müsse.

Das italienische Wirtschaftswachstum sei schon seit Jahrzehnten schwach. Auch schon vor dem Euro-Eintritt habe es nicht gut ausgesehen.

Den ESM solle man nicht stärken, wenn seine Entscheidungen letztlich weiterhin im deutschen Bundestag gefällt werden. Ohhhhh, würde so jemals ein amtierender Notenbanker reden? Aber nein, das ist er ja nun nicht mehr.

Im Vergleich zu dem Bitcoin – oder Tulpen-Crash sei der Börsencrash von 1929 nun ein winziger Klacks gewesen. Zumindest kann man seine Meinung daraus ableiten, dass er diesen Chart postet.

Die Krise der Emerging Markets prallt gegen die Zinsanhebungen der US-Notenbank.

Constancio regt sich massiv darüber auf, dass öffentliche Investitionen in Europa in den letzten Jahren sogar rückläufig sind, obwohl die Staaten sich zu Negativrenditen verschulden könnten.

Constancio retweetet den DIW-Chef Fratzscher, der dem Nobelpreisträger Stiglitz widerspricht. Denn anders als Stiglitz es sage, würde Italien durch einen Euro-Austritt nicht profitieren. Noch gebe es eine Lähmung bei EU-Reformen, und Deutschland sei auch nicht der Teufel.

Es gebe keine Brexit-Dividende für die Briten. Constancio verweist auf eine Studie, dass der Brexit die Briten viel Geld kosten werde, und das schon vor dem Start des Brexit.

Inspiriert durch Donald Trump könne die Welt sich auf den Weg zurück in die 1930er-Jahre machen.

Constancio retweetet der Unicredit-Chefvolkswirt mit seiner Meinung, dass 95% der EU-Bürger seit Euro-Einführung mehr Einkommenszuwachs hatten als 95% der US-Bürger.

Er freut sich über die Ankerkennung durch die BIS (unser Artikel dazu hier) für die „Leistung“ der Notenbanken zur Stützung der Konjunktur.

Vitor Constancio
Vitor Constancio. Foto: Chatham House / Wikipedia (CC BY 2.0)



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1 Kommentar

  1. Aber da war doch nun auch nichts kontroverses bei.

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