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Die Türkei und die Ratingagenturen: Nächste Woche wird es interessant

Ja, die Türkei und die Ratingagenturen. Die scheinen sich verschworen zu haben, so vermutet es Präsident Erdogan. Zwei große Ratingagenturen haben die Türkei jüngst schon herabgestuft. Die dritte große...

FMW-Redaktion

Ja, die Türkei und die Ratingagenturen. Die scheinen sich verschworen zu haben, so vermutet es Präsident Erdogan. Zwei große Ratingagenturen haben die Türkei jüngst schon herabgestuft. Die dritte große Agentur könnte Ende nächster Folge folgen, was ernsthafte Folgen haben könnte. Denn traurigerweise, was wir auch schon bei Notenbanken, EU-Institutionen sowie Banken kritisch bemerkt haben, scheinen sich irgendwie alle auf die Ratingagenturen zu verlassen, obwohl die in der Finanzkrise kläglich gescheitert waren (vorsichtig formuliert). Niemand scheint mehr Interesse zu haben selbst Risiken bewerten zu wollen, daher haben Ratingagenturen leider eine so große Bedeutung. Ob die ihren Job gut oder schlecht machen, wird zur Nebensache. Den Markt interessiert nur noch ihr Daumen rauf, oder Daumen runter. So ist derzeit die Türkei im Fokus.

Nach dem Putschversuch und im Zuge der derzeitigen Erdogan-Politik ist es unklar, in wie weit die Wirtschaft der Türkei in Mitleidenschaft gezogen wird. Und es stellt sich jetzt die Frage, ob die Ratingagenturen mit ihren Downgrades erst Verursacher einer möglichen Kapitalflucht sind, oder ob sie lediglich auf Probleme hinweisen, die objektiv bestehen. Fest steht jedenfalls: Große Investoren verlassen sich auf die Ratings und sind quasi gezwungen Geld abzuziehen, wenn die Ratingagenturen Länder oder Unternehmen schlechter bewerten. Letzte Woche hatte die weltweite Nummer 1 S&P das Rating der Türkei (Bewertung der Schuldenrückzahlungsfähigkeit für langfristige Anleihen) von BB+ auf BB gesenkt. Damit sind die Anleihen der Türkei bei S&P nicht mehr als hochwertig (Investment Grade) eingestuft. Fitch, eine der drei großen Agenturen, folgte letzte Woche und senkte in seinem Bewertungs-ABC die Türkei um eine Stufe herab auf BBB-.

Jetzt fehlt noch Moodys, die dritte große Agentur. Sie wird nächste Woche Freitag verkünden, ob sie das Rating der Türkei ebenfalls herabsenkt. Im dortigen Buchstaben-Wirrwarr hat die Türkei derzeit ein Baa3. Senkt auch Moodys, hätte die Türkei bei zwei der drei großen Agenturen ein sogenanntes spekulatives Rating. Damit wären vor allem Anleiheinvestoren gezwungen türkische Staatsanleihen abzustoßen, die als Mindestanforderung für ihre Anleihe-Portfolios ausweisen, dass diese Anleihen bei zwei der drei Agenturen ein hochwertiges Rating aufweisen müssen. Sie wären dann wirklich gezwungen zu verkaufen.

Verkauf von in Lira notierenden Anleihen hieße auch Verkauf der türkischen Lira und Umtausch in die Hauptwährungen der Anleger, also Dollar, Euro, Pfund etc. Im Augenblick notiert die Lira schon auf einem Allzeittief bzw. knapp darunter. Der US-Dollar vs. Lira liegt momentan um die 3,04 (Hoch 3,09). Die Finanzierungskosten des türkischen Staates sind jüngst auf das Durchschnittsniveau der Emerging Markets angestiegen, wo sie zuletzt während der Finanzkrise 2008 waren. Die Türkei muss im nächsten Jahr mehr als 40% der externen Schulden zurückzahlen/verlängern, was eine Summe von gut 170 Milliarden Dollar darstellt. Die momentane politische Lage macht das nicht gerade einfacher. Die Renditen dürften steigen, da die ja nichts anders sind als eine Risikoprämie. Aber ob die Türkei letztlich durch Erdogans straffe Hand wirtschaftlich den Bach runtergeht, oder ob einfach gar nichts passiert, weiß man wie immer erst in ein oder zwei Jahren. Aber momentan liegt alles an Moodys. Tja, der geneigte Investor schätzt eben selbst kein Risiko mehr ein, sondern betreibt Outsourcing der Risikobeurteilung – alles liegt in den Händen dieser drei Agenturen. Irgendwie traurig, oder?



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2 Kommentare

  1. Ich als Türkendeutscher ( jemand der beide Kulturen lebt ) hoffe das Moodys nicht das Rating der Türkei herab stuft. Aber die letzten Monate haben wir Terroranschläge gehabt und dann die verfehlten Anschuldigungen von unserem Erdogan und als würde das alles nicht reichen der Putschversuch. Das alles kann natürlich zu einer Überprüfung unseres Ratings führen.
    Bin mal gespannt was bei einer Abstufung passiert.
    Fazit: das lebbe geht weiter

  2. Hallo Liebe FMW-Redaktion,

    Sie haben wundervoll die Situation dargestellt und richtig am Ende ihres Beitrages die Frage in den Raum gestellt ob denn die Abhängigkeit von Ratingagenturen nicht traurig ist. Ja! Die Abhängigkeit ist traurig, zumal die genannten Ratingagenturen S&P, Fitch und Moody’s allesamt US-Ratingagenturen sind. Sie haben auch die Geschichte richtig wiedergegeben. Diese Ratingagenturen sind schon einmal gescheitert und viele Bewertungsmethoden sind höchst spekulativer Natur. Diese enorme starke Abhängigkeit der Türkei von, ich möchte es erneut betonen US-Ratingagenturen, stellt eindeutig die Objektivität dieser Agenturen in Frage. Eine weiterer trauriger Aspekt ist, dass große Investoren sich auf die Bewertungen dieser Agenturen verlassen. Ein Land darf nicht der Willkür einer oder mehrerer gleichgeschalteter Ratingagenturen zum Opfer werden. Die Türkei investiert viel mehr als in den Letzten Jahren in ihre Wirtschaft und es sind bis dato haben Unmengen an Großinvestoren in das Land investiert. Weitere möglichen Planung von Investitionen werden immer wieder zu Wort gebracht. Fazit: Die Investoren haben Teilschuld, dass Ratingagenturen so mächtig wurden. Auch nach der Krise, die sie verursacht haben, haben die Ihre Macht nicht verloren. Es ist Zeit Transparenz zu schaffen, dies liegt definitiv nicht vor. Falls das nicht passiert wird wohl oder übel weitere Krisen die Investoren treffen!

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