Von Markus Fugmann
Die Älteren unter Ihnen kennen das Stück „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett. Darin warten zwei Männer auf die Ankunft eines Godot, der aber niemals kommt. Gestern hat uns Mario Draghi die Botschaft vermittelt: Wartet auf Godot – der kommt bestimmt! Faktisch also hat es Draghi geschafft, dass die Finanzmärkte in der Situation der beiden auf Godot wartenden Landstreicher sind, die auf Godot warten – aber der kommt und kommt nicht.
Im Grunde ist das alles ein grosser Bluff von Draghi. Nachdem er intern schwer in der Kritik war (Reuters berichtete über die Palastrevolution vieler EZB-Mitglieder gegen ihn) war seine Hauptbotschaft gestern: alle haben für mein Programm der Bilanzausweitung gestimmt. Subtext: auch Bundesbankchef Weidmann. Das sollte den Märkten signalisieren: wenn Weidmann in Sachen Bilanzausweitung auf den Stand von März 2012 auf 3 Billionen Euro mit an Bord ist, wird er auch ein „echtes QE“ mittragen, sprich Staatsanleihekäufe. Aber genau das ist der Bluff: selbst wenn Weidmann der Bilanzausweitung zugestimmt hat, heisst das noch lange nicht, dass Deutschland einem QE nach amerikanischem Muster zustimmen wird. Das wäre nämlich die Schlachtung einer den Deutschen so heiligen Kuh.
Solange die Märkte Draghi glauben, dass er es ernst meint und auch die Macht hat, seinen Willen durchzusetzen, werden die Aktienmärkte steigen. Aber wenn eben diese Märkte Monat für Monat auf Godot warten, und der dann immer noch nicht kommt, wird es ungemütlich. Wir gehen daher davon aus, dass die Aktienindizes so lange haussieren werden, bis der Zweifel über die Ankunft Godots Überhand gewinnt. Das könnte ab Frühling 2015 der Fall sein.
Bis die Märkte Draghis Bluff durchschauen, ist sein Ziel die Schwächung des Euro. In einer für Notenbanker seltenen Klarheit sagte Draghi gestern:
“The main message is that our balance sheet will keep expanding in the coming months and will continue expanding while the balance sheets of other central banks is bound to contract.”
Frei übersetzt: Wir pumpen weiter, während andere Notenbanken den Rückwärtsgang einlegen. Deutlicher kann eine Botschaft eigentlich nicht sein. Es ist die direkte Aufforderung für Hedgefunds, den Euro zu verkaufen. Damit auch das Gegenteil übrigens des „Draghi-Schwurs“ aus dem Juli 2012, als er die Bereitschaft der EZB klar machte, den Euro zu retten, „whatever it takes“. Damals drohte Draghi den Märkten, sich gegen ihre Euro-Shortpositionen zu stemmen, gestern drohte er, sich gegen die Euro-Long-Positionen zu stemmen. Und Hedgefunds und andere Dickfische am Finanzmarkt wetten nur dann gegen eine Notenbank, wenn sie riechen, dass diese schwach ist und nicht mehr die Kraft hat, sich zu wehren. Das ist bei der EZB (noch?) nicht der Fall.
Für den Euro heisst das: 1,20 wir kommen! Aber vielleicht geht es dann noch viel tiefer, etwa auf die Parität. Man darf gespannt sein, wie die Amerikaner reagieren wenn sie merken, dass ein zu starker Dollar negative Folgewirkungen für die US-Konjunktur haben wird. Aber Draghi ist jetzt in der Offensive. Seine Botschaft an die Welt lautet: „Der Euro ist unsere Währung, aber euer Problem“!
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Herr Weidmann hat doch da schon lange nichts mehr zu sagen. Der musste glücklich sein, wenn er ein paar der angeblich 20.000 Kartons beim Umzug der EZB tragen durfte ;-)