Ein Gastbeitrag von Ernst Wolff
Am Sonntag, den 1. März 2015 teilten das österreichische Finanzministerium und die Aufsichtsbehörde FMA mit, dass die Heta Asset Resolution abgewickelt werde und ein Konkurs nicht auszuschließen sei. Die Rückzahlung fälliger Schulden werde mit sofortiger Wirkung ausgesetzt. Bereits einen Tag später wurden 25 Mio. Euro aus dem Schuldscheindarlehen eines institutionellen Investors nicht zurückbezahlt.
Bei der Heta Asset Resolution handelt es sich um eine „Bad Bank“, die im Herbst 2014 als Auffanggesellschaft der Hypo Alpe Adria, der ehemals sechstgrößten österreichischen Bank, gegründet wurde. Die Rettung der Hypo Alpe Adria kostete die österreichischen Steuerzahler insgesamt 5,6 Mrd. Euro. Eine Rettung der Heta Asset Resolution würde nach Schätzungen von Experten bis zu 20 Mrd. Euro verschlingen. Der Betrag entspräche in etwa 6 % der Wirtschaftsleistung Österreichs.
Finanzminister Schilling bekräftigte am Montag, dass die Regierung in Wien nicht finanziell einspringen und auch nicht für das Bundesland Kärnten geradestehen werde. Kärnten haftet mit 10,7 Mrd. Euro für die Bank und ist somit von der Zahlungsunfähigkeit bedroht.
Obwohl dieser Vorgang in den Mainstream-Medien außerhalb Österreichs kaum Beachtung fand, ist er von allergrößter Bedeutung: Sollte es tatsächlich zum Konkurs kommen, würden mit großer Sicherheit Kreditausfallversicherungen fällig werden. Weil dieser Markt unreguliert ist, kann niemand deren Höhe genau beziffern. Sie dürften sich aber in Größenordnungen bewegen, die nicht nur das österreichische Finanzsystem, sondern auch das globale Finanzsystem gefährden könnten.
Um diesen Fall mit allen Mitteln abzuwenden, werden Insidern zufolge derzeit Vorbereitungen für einen „Bail-In“, also die teilweise Konfiszierung der Einlagen von Anlegern und Sparern, getroffen. In der Tat wäre dies die einzig realistische Möglichkeit, einen systemgefährdenden Domino-Effekt zu vermeiden. Sollte es allerdings dazu kommen, träte Europa endgültig in die dritte Phase der globalen Krise ein, die am Ende unausweichlich zum Crash des gesamten Weltfinanzsystems führen wird.
Die erste Phase wurde 1998 durch den drohenden Zusammenbruch des Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) eingeläutet. Damals brachten die im Fall eines Crashs fälligen Kreditausfallversicherungen das globale Finanzsystem zum ersten Mal in seiner Gesamtheit in Gefahr. Um einen Crash zu verhindern, wurde LTCM von einem Bankenkonsortium mit einer Summe von 3,75 Mrd. US-Dollar gerettet.
Die zweite Phase begann 2008 nach dem Zusammenbruch der US-Großbank Lehman Brothers mit dem drohenden Kollaps des größten Versicherungskonzerns der Erde, AIG. Auch hier bedrohte die Fälligkeit von Kreditausfallversicherungen das globale Finanzsystem. Die notwendigen Gelder übertrafen allerdings bei weitem die Summen, die bei der Rettung von LTCM geflossen waren und schlossen eine Rettung durch andere Finanzinstitute aus. Deshalb sprang damals die US-Regierung ein und rettete den Konzern (und nicht nur ihn) unter dem Vorwand, er sei „too big to fail“, mit Steuergeldern.
Zahlreiche Regierungen in aller Welt folgten dem amerikanischen Beispiel. Ihr Eingreifen riss allerdings riesige Löcher in die Staatshaushalte. Um diese zu stopfen, wurden den arbeitenden Menschen in den betroffenen Ländern anschließend harsche „Austeritätsprogramme“ auferlegt. Da sich aber schon bald abzeichnete, dass diese nicht ausreichen würden, um den Finanzbedarf zu decken und das System zu stabilisieren, schlug die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) 2010 vor, das Prinzip des „Bail-Out“ von Banken – ihre Rettung durch Steuergelder – durch ein „Bail-In“ – die teilweise Enteignung von Anlegern und Sparern – zu ersetzen.
Dieser Mechanismus, der den Eintritt in die dritte Phase der globalen Krise einleitete, wurde erstmals im März 2013 auf Zypern angewandt. Dort mussten Sparer und Anleger mit Einlagen über 100.000 Euro anteilig für die Spekulationsverluste zweier Banken in Höhe von 5,8 Mrd. Euro aufkommen. Die Aktion verlief in den Augen von Politikern und Bankern erfolgreich, da größere Proteste der Bevölkerung und ein zunächst befürchteter Run auf die Banken ausblieben.
Dass ein solcher Bail-In nun in Österreich und damit im Herzen Europas ins Auge gefasst wird, zeigt allerdings, dass der Finanzindustrie das Wasser inzwischen bis zum Hals steht. Oder rechnet sie wirklich damit, dass Einleger und Investoren ihre teilweise Enteignung unwidersprochen hinnehmen – bei einer Bank, die bis zu ihrem Zusammenbruch das Rating AAA hatte und deren Sicherheit sowohl durch die Unterstützung eines Bundeslandes wie auch des Staates garantiert schien? Geht sie allen Ernstes davon aus, dass Investoren und Anleger anderer Banken diesem Schauspiel tatenlos zusehen werden? Muss sie nicht befürchten, dass Investoren wie auch private Anleger aus reinem Selbstschutz massenweise ihre Depots räumen und damit einen Banken-Run auslösen, der sich möglicherweise auf die gesamte Eurozone ausweitet?
Mit Unterstützung von Politik und Medien versucht die Finanzindustrie bereits, die Angelegenheit herunterzuspielen und die Öffentlichkeit in Sicherheit zu wiegen. Alle beschwichtigenden Worte aber können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Fall Alpe Hypo Adria zeigt, in welcher Klemme die globale Finanzindustrie inzwischen steckt: Nachdem 1998 ein einzelnes Institut (der Hedgefonds LTCM), durch andere gerettet wurde, mussten im Zuge der Krise von 2007 / 2008 eine große Anzahl Banken mittels Bail-Outs durch die Staaten gerettet werden. Inzwischen sind die Staatskassen so leer, dass weitere Bail-Outs nicht möglich sind. Da die Finanzindustrie Banken wie die Hypo Alpe Adria aber wegen der dann fälligen Kreditausfallversicherungen und wegen des Risikos eines Domino-Effekts für den Rest der Branche nicht fallen lassen kann, bleibt nur eine Lösung: Einleger und Sparer müssen – zumindest teilweise – enteignet werden.
Die rechtlichen Grundlagen für eine derartige Enteignung sind in den vergangenen Jahren weltweit geschaffen worden. Ob in den USA, Kanada, der Schweiz oder der EU – überall haben die Gesetzgeber die notwendigen juristischen Vorkehrungen für einen solchen Schritt getroffen. Nur eines konnten die Technokraten nicht in ihr Kalkül einbeziehen: die mögliche Reaktion der Betroffenen.
Mark Twain hat einmal gesagt, die Geschichte wiederhole sich nicht, könne sich aber gelegentlich reimen. Im Jahre 1931 löste der Crash der österreichischen Credit-Anstalt den Zusammenbruch des globalen Finanzsystems aus. Es ist nicht auszuschließen, dass wir bald feststellen werden, dass Heta Asset Management und Credit-Anstalt einander in der Sprache der Finanzwelt deutlich ähneln.
Ernst Wolff ist freiberuflicher Journalist und Autor des Buches „Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs“, erschienen im Tectum-Verlag, Marburg.
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Danke für diesen guten Artikel. Wann begreifen.die Menschen, dass sowohl unser krankes Finanzsystem mit so verbrecherischen Dingen wie Spekulationen auf Lebensmittel als auch unbegrenztes Wachstum nicht funktionieren? Da Ressourcen begrenzt sind, kann jemand immer nur dann Profit machen, wenn jemand anders verliert.
Nur gemeinsam mit Teilen, helfen und gegenseitiger Unterstützung funktioniert es langfristig. Jeder für jeden – und es werden alle satt, wenn.niemand drauf bestehen muss, mehr als andere zu haben.
Danke, wichtiger Hinweis!
Wer sind die Gläubiger der Heta Asset Resolution und wie ist ihre Struktur?