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Ein großer bisher unbeaufsichtigter Markt fällt durch den GroKo-Beschluss unter die Aufsicht der BaFin

Ein sehr großer und wichtiger Bereich der Finanzdienstleistungsbranche erfreute sich bislang an seinem "Offshore-Status" in Sachen Finanzaufsicht. Das ändert sich nun aber durch die aktuelle Vereinbarung der alten/neuen Großen Koalition...

FMW-Redaktion

Wer Finanzportfolioverwaltung betreibt (Vermögen für Dritte verwalten), muss ständig tonnenweise Dokumentationspflichten nachkommen, und wird von der BaFin fortlaufend kontrolliert. Das selbe gilt für Finanzdienstleister und One Man-Finanzvermittler, die Kunden an Broker weiter vermitteln. Natürlich sind auch Banken und Versicherungen bei der BaFin voll unter der Fuchtel.

Ein sehr großer und wichtiger Bereich der Finanzdienstleistungsbranche erfreute sich bislang an seinem „Offshore-Status“ in Sachen Finanzaufsicht. Das ändert sich nun aber durch die aktuelle Vereinbarung der alten/neuen Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Die sogenannten „freien Finanzanlagevermittler“ sollen wie alle anderen Finanzdienstleister und Berater auch der Aufsicht der BaFin unterstellt werden.

Wer sind diese freien Finanzanlagevermittler?

Das sind genau diejenigen, die vielleicht bei Ihnen zuhause Abends schon mal auf der Couch gesessen haben. Und das sind auch genau diejenigen, die in den Goldgräber-Jahren vor der Finanzkrise 2008 unbedarften Anlegern auf dem Sofa die Unterschrift unter Verträgen für Schiffsfonds etc abgerungen haben. Wie waren diese Vermittler bislang beaufsichtigt? Sie wurden offiziell durch die kommunalen Gewerbeämter „kontrolliert“.

Aber jeder weiß es, wie das in Wirklichkeit lief. Man musste minimalste formale Anforderungen erfüllen, und das nur einmal bei der Gewerbe-Anmeldung für diese Finanzvermittlung. Danach folgte im laufenden Geschäft keinerlei Kontrolle oder sonstige regelmäßigen Prüfungen. Denn wie man weiß: Gewerbeämter haben weder personalle Kapazitäten, noch geschultes Personal, noch regulatorische Vorgaben, um irgendwas zu prüfen oder zu beschränken.

Eine rein theoretische und rein formale Aufsicht war das bisher, die in der Praxis nicht existierte. Wer sich einmal seinen Schein vom Amt holte, konnte drauf los vermitteln, und geschlossene Fonds (Immobilien, Schiffe etc) zu horrenden Provisionen an den Mann und die Frau bringen. Dabei flossen von den Einzahlungen der Anleger oft 15% oder mehr von der Anlagegesellschaft zurück an den Vermittler, ohne dass der Kunde das so wirklich mitbekam. Somit arbeiteten oft nur 85% des eingezahlten Geldes im Finanzprodukt, was schon zum Start der Geldanlage den Renditedruck auf die restlichen 85% erhöhte.

Durch die Zuständigkeits-Verschiebung an die BaFin dürfte sich das aber ändern. Denn sie darf seit letztem Jahr auch Produktinterventionen vornehmen, also Produkte beschränken oder Verbote aussprechen (siehe CFD-Beschränkung letztes Jahr). Man sah zuletzt auch, dass die BaFin ihre Aufsichtsrolle deutlich aktiver auslebt als in all den Jahren zuvor. Und bei diesen Wild West-Couch-Beratungen dürfte es so einiges zu regulieren geben!

Auch möglich wäre es, dass die BaFin für diese riesige Masse von angeblich 40.000 bundesweiten Vertrieblern (oder Berater, Vermittler, wie auch immer man es nennen will) Nachschulungen und Prüfungen auf Tauglichkeit und finanzielles Allgemeinwissen anordnet. Noch ist das Zukunftsmusik, aber wenn man dort mal genauer hinguckt, könnte es zu interessanten Überraschungen kommen, welche Personen sich in dem Markt tummeln. Auf jeden Fall kann die BaFin strukturell bundeseinheitlich Maßnahmen ergreifen. Die Gewerbeämter waren in der Hinsicht bislang eine leere Aufsichtshülle.


In Cointainerschiffe flossen Milliarden an Anlegergeldern über „Geschlossene Fonds“. Sehr viel Geld ging verloren, und Kunden erfuhren erst später, dass sie unbegrenzt nachschusspflichtig sind. Gemeinfreies Foto



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1 Kommentar

  1. Die Schiffsfonds waren ganz überwiegend als KG organisiert und der Haftung des Anlegers als Kommanditisten beschränkte sich auf seine Einlage.

    Zudem ist es bei den Vermittlern wie mit allen Berufen: Es gibt eine Gaußche Normalverteilung.

    Und schließlich wurden der Boom dieser zweifelhaften Anlagen erst durch den Fiskus und den Gesetzgeber ermöglicht. Man wollte kurzfristige Beschäftigungseffekte in den ensprechenden Branchen, die HSH füttern, oder war den Lockrufen der Lobby erlegen. Da liegt die eigentliche Ursache, die zu kritisieren lohnte.

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