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Ein Stück Börsengeschichte veschwindet – und der Mensch gleich mit..

Von Markus Fugmann

Der Niedergang des sogenannten „Präsenzhandels“ hat seit gestern eine neue Dimension erreicht: die CME (Chicago Mercantile Exchange) verkündete gestern, dass die meisten Trading-Pits am Terminmarkt in Chicago und New York am 02.Juli diesen Jahres geschlossen werden. Damit verschwindet der Faktor „Mensch“ zunehmend von den Finanzmärkten.

Die Pits kenne viele aus Filmen: wild gestikulierende, brüllende Menschen, die per Handzeichen Käufe oder Verkäufe tätigen. Zuletzt lag das Volumen der Pits am Gesamthandel bei 1% – gehandelt weden insbesondere Futures auf Rohstoffe und Indizes wie den S&P500. Chicago war die „Hauptstadt“ des Rohstoffhandels: aus Kanada wurden über den Michigansee verschiedenste Produkte nach Chicago und dann weiter in die USA geliefert. In Chicago wurden in den 1860er-Jahren mit den Futures die Derivate erfunden.

Derzeit sind noch 300 Pit-Trader in Chicago, 75 in New York aktiv. Viele von Ihnen kommen aber nicht mehr täglich an die Börsen, sondern handeln zeitweise auch über den Rechner. Der „Faktor Mensch“ verschwindet durch die Entscheidung der CME also fast vollständig von den Märkten.

Ich erlebte das Pit-Trading 2007 live in Chicago. Eingeladen von einem Broker-Partner, über den wir Future-Kontrakte für unsere Kunden abwickelten, kamm ich auf das Parkett der CME. Mein „Führer“ war John Hackner, ein Veteran des Pit-Tradings – und an der CME bekannt wie ein bunter Hund. Jeder, wirklich jeder kannte John, sodass ich – da John in jeder Hinsicht kommunikativ war – auch so ziemlich jeden auf dem Parkett kennenlernte.

John erzählte mir, dass zu seiner Zeit die Trader noch Schulter an Schulter gestanden hatten, während zur Zeit meines Besuchs das Parkett schon stark ausgedünnt war. Fast die Hälfte des Handelssaals bestand aus verwaisten Pits des Brokers Refco, der 2005 skandalös bankrott gegangen war (Verhaftung des CEOs wegen Bilanzfälschung, nach Enron der größte Finanzskandal in den USA). Die Zeichen des Niedergangs waren damals also schon unübersehbar, schon 2007 war der elektronische Handel das Nonplusultra in Chicago.

Als wir den Saal verlassen wollten, trafen wir auf eine zügig in den Handelssaal eintretende Gruppe. Alle begrüßten John, lange nicht gesehen, wie gehts. Small talk über das Leben als solches und die Entwicklung der Märkte, John stellte mich als Gast aus Germany vor – manch einer hat sich bestimmt gefragt, wo dieses Germany genau liegt. Da gab es Typen, die aus einem schlechten Las Vegas-Film stammen könnten, sehr amerikanisch, proziger Goldring – daneben schnittige, moderne Typen. Als das Gespräch beendet war, sagte John zu mir: „Markus, this was the royalty of the CME“ – sprich die gesamte Vorstandsetage inklusive des damaligen CEO.

Für John, der 30 Jahre Pit-Trader war, ist die Nachricht über das weitgehende Ende der Pits (der Pit für den S&P-Future bleibt bestehen) eine Hiobsbotschaft: es versinkt ein gutes Stück seiner Lebensgeschichte in einer Zeit, als Börse noch viel mit Menschen zu tun hatte..



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1 Kommentar

  1. verstehe, allerdings ist das bedeutend ? wird in die geschichtsanalen verschwinden / arbeitsplätze werden verlagert / mir ist die elektr börse sympathischer -) menschen machen fehler -)

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