Allgemein

Expertenkommentar Energiekrise: „Deutschland braucht seinen eigenen Marshallplan“

Der große Wurf soll die Energiekrise in Deutschland lösen.

Deutschland-Flagge vor dem Reichstag

Was tun in der Energiekrise? Kann es immer so weiter gehen mit einer kleinen Entlastung für die Bürger hier, ein bisschen was für die Unternehmen da? Katharine Neiss ist Chief European Economist bei PGIM Fixed Income. Sie vertritt eine klare Meinung – der große Wurf muss her – sie verwendet daher den Begriff Marshallplan. Hier ihr aktueller Kommentar im Wortlaut.

Wenn jemand immer die gleiche Antwort gibt, egal wie die Frage lautet, ist das ein Grund, misstrauisch zu werden. Ein Beispiel dafür ist die deutsche Finanzpolitik. Die Antwort nach der globalen Finanzkrise? Sparsamkeit. Die europäische Staatsschuldenkrise? Sparsamkeit. Russlands Einmarsch in der Ukraine? Wieder einmal scheint die Antwort des deutschen Finanzministers zu lauten: Sparen. Immer wieder die gleiche Antwort zu geben, zeugt nicht nur von mangelnder Kreativität. Sparsamkeit ist für Deutschland auch heute der falsche Weg.

Der Einmarsch Russlands war ein Schock für die Angebots- und Nachfrageseite in Deutschland. Das Finanzministerium und die Bundesbank scheinen diesen Schlag zu akzeptieren. Die von ihnen befürwortete straffere Finanz- und Geldpolitik würde die Nachfrage weiter dämpfen. Auf internationaler Ebene würde ihre Politik die Handelsungleichgewichte verschärfen und die transatlantische Einheit in dieser fragilen Zeit belasten.

Um den Schaden für das Angebot aktiv auszugleichen und die Auswirkungen der Inflation abzumildern, sollten deutschen Politiker stattdessen einen positiven Impuls erzeugen. Schon vor dem Einmarsch Russlands machte die Pandemie den deutschen Investitionsrückstand deutlich. Zusammen mit einer alternden Bevölkerung trug dieses Defizit zum schwachen Wachstum seit der globalen Finanzkrise bei. Dieser Trend spiegelte sich in der gesamten Europäischen Union wider.

Außerdem hatten die Spannungen zwischen dem Westen und China, einem wichtigen Exportmarkt für deutsche Produkte, die exportorientierte deutsche Wirtschaft gebremst. Chinas Streben nach Autarkie und die Fragmentierung der globalen Lieferketten werden das deutsche Geschäftsmodell weiter in Frage stellen.

Der Krieg in der Ukraine ist ein weiterer Schlag für die deutsche Industrie, die auf billige fossile Brennstoffe aus Russland angewiesen ist. In einem Worst-Case-Szenario eines plötzlichen Stopps der russischen Energielieferungen nach Deutschland schätzen wir, dass die kumulativen Auswirkungen einer unangemessenen Politik über mehrere Krisen hinweg bis zu 15 % des deutschen BIP ausmachen könnten.

Stattdessen könnte Deutschland in die öffentliche Infrastruktur investieren, und zwar in einer Größenordnung, die an den Marshallplan erinnert. Insbesondere Investitionen in die Energieinfrastruktur, wie der Next Generation EU, den Deutschland während der Pandemie unterstützt hat, würden die Sicherheit des Landes erhöhen, den ökologischen Wandel beschleunigen und positive Innovations-Spillover-Effekte erzeugen.

Auch das Eigeninteresse spricht für Investitionen. Angesichts der Größe der deutschen Wirtschaft würden höhere Ausgaben die gesamte Europäische Union stärken. Die tiefe Integration des Landes in die EU-Wirtschaft würde wiederum dazu führen, dass die wirtschaftlichen Vorteile nach Deutschland zurückfließen.

Deutschland verfügt über die Talente und Ressourcen, die für die von uns vorgeschlagenen Investitionen erforderlich sind. Die Politiker der ersten Reihe sollten eine zuversichtliche Vision für die Zukunft des Landes entwerfen und darauf vertrauen, dass sich die Investitionen in ihr Land auszahlen werden. Ja, höhere Ausgaben bedeuten mehr Schulden, aber künftige Generationen werden das Vermögen erben, das durch diese Schulden aufgebaut wird. Nicht zu investieren, wird zu einem dauerhaften Verlust des BIP führen – ein schwacher Trost für jede Generation.

Laut Katharine Neiss braucht Deutschland in der Energiekrise einen Marshallplan Katharine Neiss ist Chief European Economist bei PGIM Fixed Income.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

9 Kommentare

  1. Tja, was soll man zu solchen witzigen Ideen noch sagen…

    Frau Neiss scheint als Chefsvolkswirtin das Thema Inflation völlig auszublenden. Jede, ich betone jede Investition in die Infrastruktur wird die Inflation weiter anheizen. Das Güterangebot ist bereits jetzt schon zu gering um die bestehende Nachfrage zu decken.

    Momentan müssen wir uns um die Inflation kümmern ern, die Inflationserwartung lässt sich ich durch ein Infrastrukturprogramm oder ein 100 Mrd. BW-Aufbauplan lösen, solche Ansätze steigern die Inflation und füttern die Inflationserwartung wie ein Monster an.

    Benötigt wird eine Angebotserhöhung bei gleichzeitiger Nachfragesenkung!

    Wie erreichen?

    Derzeit sehr einfach:
    1. Gasangebot erhöhen durch NS2-Inbetriebnahme bei gleichzeitiger Verlängerung der Restlaufzeiten dreier, noch im Betrieb befindlicher AKWs
    2. EZB-Leitzinserhöhung von mindestens 100 Basispunkten, solange bis Inflationserwartung gebrochen ist. Der Leitzins muss über das Niveau der Inflation kommen, um die Inflationserwartung zu brechen. Mit Minischritten wird es leider nicht mehr funktionieren, da man zu lange zusah wie der Inflationserwartungszug Fahrt aufnahm. Alles unschön, da schmerzhafte Nebenwirkungen für sämtliche Wirtschaftssubjekte, jedoch langfristig am besten.

    Später: 3. Umschichtung im Bundeshaushalt: D muss den Bau von Stromspeichern im Inland anschieben, nachdem die Inflationserwartung gebrochen worden ist, dafür sollte es eine Sonderabschreibung einführen. Dann wird auch der Umbau zur Erneuerbaren Energie gelingen, ohne Speicherkraftwerke, sollten wir keine weiteren grundlastunfähige WKAs und Solarparks mehr anschließen, da nicht ressourcenschonend.

    1. @Jörg: NS2 in Betrieb nehmen?… NS1 ist (abgesehen von der momentanen „Wartung“) zu 20% ausgelastet, das überschüssige Gas wird in Russland abgefackelt. Aber ja, lass NS2 in Betrieb mehmen, sodass dann beide Pipelines zu jeweils 10% ausgelastet werden…

      1. Ja, ein Versuch wäre es wert, da Gazprom gewinnmaximierend wirtschaftet werden sie dann viel mehr liefern. Aber ich weiß, viele in der Regierung denken so verquer wie Sie Anton, Sie wünschen sich genau dieses Verhalten, aber die Russen ticken total anders.

        Wissen Sie warum man sich mit Händen und Füssen gegen NS2 sträubt?

        Nicht wegen Ihrem lächerlichen Einwand.
        Man befürchtet, Gazprom könnte wieder eine Pipeline vollauslasten!

        Ihr Einwand ist ein Scheineinwand, da man damit perfekt die Russen vorführen könnte!

        Daher würde Gazprom auch viel mehr liefern, die Russen waren beinahe 50 Jahre vertragstreu aber das zählt bei Ihresgleichen nichts. Genau wegen dieser Art Menschen habe ich D verlassen!

        In D herrscht nur noch Neid, Missgunst und Schadenfreude. Übrigens im Englischen hat man für Schadenfreude gar kein eigenes Wort, so abstruss ist diese Regung, daher übernahm man den deutschen Ausdruck vergleichbar dem Wort Kindergarten.

        1. „Die Russen waren beinahe 50 Jahre vertragstreu“
          Die Russen waren das letzte Jahrzent vor allem deswegen Vertragstreu, weil auf ihre geopolitischen Aktionen (Georgien, Krim-Annexion) keine Reaktionen kamen. Unter Merkel wurde so etwas halt kleinbei geschluckt, die Wirtschaft zu spottpreisen wichtiger als Stabilität am Rande Europas. Und was soll das überhaupt für ein Argument sein? Wenn Ihr Postbote Ihnen 20 Jahre lang ohne Auffälligkeiten die Post bringt, dann plötzlich versucht, den Nachbar zwei Häußer weiter einfach mal so zu erschießen, weil er Lust drauf hat, dann finden Sie den natürlich trotzdem weiterhin toll? Wohlgemerkt ist das Regime Putin nicht „die letzten 50 Jahre“ Russland…

          „Man befürchtet, Gazprom könnte wieder eine Pipeline vollauslasten!“
          Können sie, NS1 ist voll funktionsfähig. Aber Russland liefert nicht… was im übrigen vollends von Gazprom ausgeht. Was hier im moment passiert, war die letzte Karte, die Russland in der Hand hatte, um Europa mit Gas zu erpressen. Gebracht hat das Russland nun vor allem einen weiteren, noch schnelleren Weg zum finanziellen Ruin. Ein vertrauenswürdiger Vertragspartner ist das nicht…
          Vielleicht sollten Sie sich erst einmal ein Basiswissen über Politik, Wirtschaft und die Energieversorgung aneignen, bevor Sie versuchen, unnötig Luft mit Ihren leeren Argumenten zu wärmen.

          1. Leider ist Ihre Argumentation nicht schlüssig!

            Sie sollten sich zuerst mit der Vorgeschichte vertraut machen, die unweigerlich dazu führen musste, dass es in der UA krachen wird. Das war glasklar und das wussten alle die es wissen wollten. Die USA haben RU in die UA hineingezogen, da sie sich nicht einmal zu Verhandlungen bereit erklärte. Sie sollten aber nicht erst mit dem Jahre 1990 beginnen, wenn Sie die Gründe aufarbeiten möchten.

            NS1 ist down wg. Ölleckage der letzten Turbine in einer russ. Verdichterstation. Gazprom hat sogar hierzu Bilder ins Internet gestellt. Siemens war, den Bildern zu urteilen, selbst mit Monteuren anwesend und soll die Mängelfeststellungen alle mit abgezeichnet haben. Gazprom wurde es sogar von der russ. Aufsicht untersagt die Pipeline mit diesen Mängeln weiter zu betreiben. Die Siemensturbinen haben alle mit demselben technischen Problem zu kämpfen. Das ist keine gute Werbung für Siemens Energy. Die in Mühlheim stehende Turbine hatte denselben Defekt bevor sie nach Kanada in Reparatur ging.

            Hätte RU das Gas zum Erpressen einsetzen wollen, hätte es doch vor über einem halben Jahr den Gashahn absperren müssen und nicht jetzt. Das wäre im übrigen eine logische Reaktion auf das Sperren der EUR-Währungsreserven und das Liefern von und Ausbilden an schweren Waffen durch die Bundeswehr gewesen.

            Da Sie in D wohnen, wünsche ich Ihnen alles Gute beim Erwärmen von Luft, Sie werden es jetzt voraussichtlich nötig haben.

            Grüße in die EU, die sich laut Lissabonvertrag zum dynamischsten Wirtschaftsraum entwickeln wollte.

            P.S.: An Selbstverblendung und -überschätzung hat es in Europa noch nie gefehlt.

  2. Energiekriese ? :

    Der Benzinpreis ist im Vergleich zum Preis VOR der Russeninvasion um ca. 8% gefallen in USD. Er ist vom Höhepunkt im Juni sage und schreibe 42 % GEFALLEN in USD ! Welcher Fake läuft hier eigentlich. Selbst wenn man die Schwäche des Euros inkludiert sind das immer noch gigantische Preisrückgänge die einer Erklärung bedürfen. Gäbe es noch investigativen Journalismus, hier wäre seine Chance. Ein Kartellamt gibt es ohnehin nur dem Namen nach. Was für ein Land ist das ?

  3. Die Politiker sollten ein mal in ihrem Leben ghar nichts entwerfen und uns von den Regularien und Sanktionen der vergangenen Jahre befreien.
    Wir brauchen noch nicht noch mehr Planwirtschaft! Ich bitte Sie, kommen sie von diesem Nannystaat denken weg. Der Staat allokiert Investitionen falsch und ineffizient.
    Sanktionen und Regularien bis auf den Stand der 1960ger streichen und alles natürlich nach dem Prinzip des MARKTES wieder wachsen lassen.
    Dieses ständige nach dem Staat rufen ist das Problem, nicht die Lösung.

  4. Sch…. auf die Inflation;) also die außerhalb Nahrung und Energie (Energieinflation m.M. reines Politikversagen). Infrastruktur bauen bis die Schwarte kracht. Dann hat die nächste Generation etwas davon und mit den kommenden globalen Währungsreformen wird eh alles genullt. Aber wird eh nicht passieren. Entlastungen sind ja unbedingt nötig für die die dem Staat eh nur auf der Tasche liegen. Nicht für die Leistungsträger ( und damit nicht die Reichen meine, sondern die die mit 60.000 schon fast den Steuersatz zahlen wie die mit 10Mio. Jahreseinkommen). Leider wird das so gut ausgedachte System unserer „Altvorderen“ die sozialen Marktwirtschaft von den Sozis so zerlegt und ins Ungleichgewicht gebracht, das armutserzeugender Sozialismus daraus wird. Ludwig Erhardt rotiert im Grab, der Arme. Aber hey, bald kommt sicher ein Sportevent, dann ist es sicher egal was real grad so passiert. DSDS startet oder im Dschungel ist die Hölle los. Das Land der Dichter und Denker wird mit allem fertig, selbst mit sich selbst;)))))

  5. Pingback: Expertenkommentar Energiekrise: „Deutschland braucht seinen eigenen Marshallplan“ - Deutschland - Nachrichten

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage