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BloombergNEF-Analyse für Zeitraum bis 2030 Energiewende: Deutschland blühen 1 Billion Euro Kosten

BloombergNEF hat analysiert, welche gewaltige Dimension an Energiewende-Kosten auf Deutschland in den nächsten 8 Jahren zukommt.

Energiewende in Form von Windturbinen und Solarpaneelen.

Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben Deutschland in den letzten Jahren hunderte Milliarden Euro gekostet — allein die durch den russischen Einmarsch ausgelöste Energiekrise schlägt mit 260 Milliarden Euro zu Buche. Doch selbst diese gigantischen Summen werden bei weitem in den Schatten gestellt von den Kosten der großen Energiewende in Deutschland, die für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und auf die Umstellung auf erneuerbare Energien anfallen. Ganz abgesehen von der Frage: Ist das zu schaffen?

1 Billion Euro Kosten für Energiewende in Deutschland in den nächsten acht Jahren

Dazu hat BloombergNEF wie folgt eine Analyse veröffentlicht: Die Investitionen werden fällig für neue und bessere Stromnetze und für neue Anlagen zur Stromerzeugung, mit denen der höhere Bedarf durch elektrische Autos und Heizsysteme bei gleichzeitig wegfallender Produktion aus Kohle und Atomkraft gedeckt werden muss. BloombergNEF beziffert die Kosten für Deutschland auf 1 Billion — in Ziffern: 1.000.000.000.000 — Euro in den acht Jahren bis 2030. Bundeskanzler Olaf Scholz, der gerne den Vergleich zur industriellen Revolution bemüht, um die Dimension der bevorstehenden Energiewende zu betonen, hat kürzlich vorgerechnet, dass täglich Sonnenkollektoren mit der Fläche von 43 Fußballfeldern online gehen müssen, um die Umstellung zu bewältigen.

Im Jahr entspricht das beinahe der Fläche einer 75.000-Einwohner-Kleinstadt wie Marburg. Hinzu kämen 1.600 Wärmepumpen, die pro Tag installiert werden müssten, pro Woche 27 neue Windkraftanlagen an Land und vier vor Nord- und Ostseeküste. “Dies ist ein kühnes Unterfangen – vielleicht das kühnste Projekt seit dem zweiten Weltkrieg”, sagte der für Energie zuständige Vizekanzler Robert Habeck Anfang Februar. “Ich hoffe, Deutschland hat Lust, kühne Taten zu vollbringen.”

Quellen der deutschen Stromproduktion

Immenser Ausbau der Stromproduktion

Die bis 2030 neu zu schaffende Kapazität für die Stromproduktion beträgt nach Schätzungen der Bundesnetzagentur sowie der Energie-Denkfabrik Agora Energiewende rund 250 Gigawatt. Treiber ist dabei nicht nur das Wegfallen von klimaschädlicher und Atomenergie, sondern auch, dass mit einem um ein Drittel höheren Bedarf gerechnet werden muss, weil Elektrizität Verbrennermotoren, Gasthermen oder Ölheizungen ersetzt.

Um das schiere Ausmaß ins rechte Licht zu rücken, hilft erneut ein Vergleich: Die zusätzlichen Kapazitäten könnten den heutigen Bedarf der Haushalte aller 448 Millionen Bewohner der Europäischen Union abdecken. Die neuen Anlagen werden zum einen auf erneuerbaren Energien beruhen, zum anderen werden es Gaswerke jener Bauart sein, die eines Tages auch mit Wasserstoff betrieben werden können.

Der Weg dorthin ist lang und steinig. Diese Woche kündigte die Bundsregierung Ausschreibungen für neue Gaskraftwerke an, die etwa ein Zehntel dieser Kapazität ausmachen. Und bislang konnte sich der Ausbau eines einzelnen Windkraftwerks bis zu sieben Jahre hinziehen, bis Bürokratie und klagende Anrainer überwunden sind.

Blick auf BASF

Die am Freitag verkündeten Pläne der BASF, wegen der Belastungen durch die Energiekrise 2.600 Arbeitsplätze abzubauen, zeigen die Dringlichkeit. Der deutsche Chemiegigant ist in der zweiten Jahreshälfte in die Verlustzone gerutscht — vor allem wegen Milliardenabschreibungen aufgrund von Krieg und Sanktionen, doch Konzernchef Martin Brudermüller verwies auch auf den neuen Faktor Energie.

Neben bekannten Unternehmerklagen wie Überregulierung, Bürokratie und generell hohen Kosten benannte Brudermüller auch die fundamentale Änderung, die der Wegfall des billigen russischen Pipelinegases für den Großverbraucher — und Pipeline-Finanzier — BASF bedeutet: “Zusätzlich belasten jetzt die hohen Energiepreise die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit in Europa”, so Brudermüller.

Ausstieg aus vorhandenen Energiequelle, aber ohne klaren Pfad für Ersatz

Das Dilemma bei der Energiewende besteht darin, dass die Politik vorgibt, aus bestimmten Energiequellen auszusteigen, ohne einen klaren Pfad für deren Ersatz zu definieren. Die letzten drei deutschen Kernkraftwerke werden bis Mitte April endgültig abgeschaltet. Der Ausstieg aus der Kohle soll jetzt schon 2030 erfolgen — früher als geplant. Und beim Gas fällt bekanntlich der mit Abstand wichtigste und billigste Lieferant weg — wobei hier immerhin mit der rasanten Umstellung auf Flüssiggas ein Versorgungsengpass für die heimische Industrie abgewendet wurde, wenn auch zu einem hohen Preis.

Doch es fallen eben nicht nur wichtige Energiequellen künftig weg, es kommen dafür auch große neue Energieverbraucher hinzu. Elektroautos, Wärmepumpen und Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff werden den Bedarf bis 2030 um 33 % auf rund 750 Terawattstunden erhöhen, schätzt die Bundesregierung. Olaf Scholz und Robert Habeck zeigen zwar den politischen Willen, die Energiewende zu vollziehen, aber der Privatsektor muss auch mitspielen und beispielsweise tonnenweise Stahl produzieren, der für die Umstellung benötigt wird, wie Lisa Fischer aufzeigt, eine Expertin von der Energie-Denkfabrik E3G.

Blick über Berlin mit Windrädern in der Ferne

Außerdem ist nach wie vor das Problem ungelöst, wie Strom im Zuge der Energiewende in ausreichenden Mengen produziert werden soll, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst. Derzeit setzt Berlin darauf, eine Flotte neuer Gaskraftwerke zu bauen, die später auf Wasserstoff umgestellt werden können. Doch es ist nicht einfach Investoren zu finden, die bereit sind solche kostspieligen Projekte zu finanzieren.

“Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist nicht mit ausreichend Investitionen zu rechnen”, meint die Wirtschaftsweise und Energieexpertin Veronika Grimm, und verweist auf die hohe Unsicherheit sowohl auf den Energiemärkten als auch bei der Regulierung. “Private Investitionen wird es nur in großem Umfang geben, wenn die Überarbeitung des Strommarktdesign in Europa hier klare Leitplanken schafft.”

Netzverdoppelung

Der Ansatz der Bundesregierung ist es hier, den Strommarkt auf eine fundamental andere Grundlage zu stellen. Eine Option wären sogenannte “Kapazitätsmärkte”, die es in Großbritannien bereits gibt und bei denen die Erzeuger nach Verfügbarkeit und nicht nur nach Leistung bezahlt werden. Damit werden Anreize für wasserstofftaugliche Gaskraftwerke geschaffen, auch wenn diese vorwiegend in den dunklen, stillen Wintermonaten anspringen würden, in denen die erneuerbaren Energien wenig produzieren, außerhalb dieser Zeiten aber weniger Einnahmen erzielen.

Eine weitere Herausforderung der Energiewende besteht darin, sicherzustellen, dass der Ökostrom, von dem viel in den ländlichen Küstenregionen im Norden erzeugt wird, zu Verbrauchern und Betrieben im stärker industriellen Süden gelangt. Das deutsche Stromnetz wird sich bis 2030 verdoppeln müssen, meint Eon-Chef Leonhard Birnbaum, der etwa 800.000 Kilometer des deutschen Verteilungsnetzes betreibt.

Trotz dieser Probleme hat Deutschland noch Zeit, um die Probleme zu lösen und die richtigen Bedingungen zu schaffen. Aber getrödelt werden darf jetzt nicht. “Klar ist: es muss schnell umgesteuert werden und die Transformation zur Klimaneutralität beschleunigt werden”, meint die Wirtschaftsweise Grimm.

FMW/Bloomberg



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6 Kommentare

  1. Wenn die grüne Sekte mal ihren Wasserstofftraum ausgeträumt hat, dann sollte man ihnen doch mal erklären, wieviel Billionen Euro nur die Speicher noch zusätzlich kosten würden, mit denen für Dunkelflauten die Energie über Wochen gespeichert werden kann.
    Gar nicht davon erst zu reden was die Produkte kosten werden, die dann mit der Energie dann hergestellt werden, bzw. würden.
    Aber, da muss Deutschland nun durch, der Zug ist abgefahren und kann nicht mehr angehalten werden.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. Ich empfehle für jeden Bewohner in Deutschland eine Handkurbel mit angeschlossenen Dynamo und Netzanschluss. Jeder muss 3 Stunden am Tag kurbeln, die zugewanderten und arbeitslosen „Fachkräfte“ 5 Stunden am Tag, die Politiker 8 Stunden – letztere können dann nicht mehr soviel Mist bauen. Die Märchen von Habeck müssen doch wahr werden. Es kann doch nicht sein, dass wir alle nur an der Nase herumgeführt werden oder doch?

  3. Jetzt müssen wir halt für die nächsten Jahre teures Fracking-Gas und Waffen aus den USA importieren. Aber wenigstens hat die EZB nun neue Gründe um demnächst nochmal massiv Geld zu drucken. Und wenn sich jemand beschwert zeigen wir mit dem Finger auf die Umweltschützer und Putin.

    Hätte doch fast nicht besser laufen können. Nur bei der Pipeline-Sprengung hätten ein paar Leute besser den Mund halten sollen. Ist leider mit all den Äußerungen der Beteiligten etwas auffällig, wer hier profitiert und immer zur rechten Zeit am rechten Ort war.

  4. Atomkraft. Ja mei...

    Für die Summe könnten wir natürlich auch weitere 50 Kernkraftwerke bauen, das Stück zum Sonderpreis von 20 Milliarden bei einer Planungs- und Bauzeit von 20 plusminus 5 Jahren. Das könnte dann neben der aktuell installierten Leistung Erneuerbarer so gerade fast mal reichen, vorausgesetzt, der Strombedarf steigt von heute an nicht weiter an.

    Gut, neue und bessere Stromnetze sind dann nicht mehr drin, doch wer braucht die schon? Dafür hätten wir billige, saubere und sichere Energiequellen, fair und gleichmäßig verteilt über die gesamte Republik.
    So geht Energiewende heute!

    1. Atomkraft ja Bitte!

      Als ob irgendjemand behauptet, dass Atomkraft zu 100 Prozent der Backup der Erneuerbaren sein sollte.

      Und sie reden vermutlich von Atomkraftwerken in einer Größe, wie man sie bisher gebaut hat.

      Was soll diese unsinnige ideologisch verblendete Kommentierung?

      Ja mei… dann doch lieber Kohlekraftwerke und Gaskraftwerke mit LNG betreiben, bis uns das Wasser bis zum Halse steht und die Stromkosten die Industrie vergrault hat!

      1. Atomkraft. Ja mei...

        Also echt jetzt!
        Da setzt man sich mit vollem Herzblut für innovative, kostengünstige und saubere Technologie ein. Und was ist der Dank? Ein Einlauf aus ideologisch verblendetem Unsinn wird einem verpasst. Euch kann es wirklich niemand recht machen…
        Kohlekraft und LNG taugen nix, Erneuerbare sind ideologischer Mist und Atomkraft soll es auch nicht sein.
        Was bleibt da noch? Aber hallo, ich hab’s! Wir brauchen eigenes Frackinggas, und außerdem wieder massenweise billiges Russengas, so wie früher. Früher war ohnehin alles besser.

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