Von Markus Fugmann
Der türkische Präsident Erdogan scheint im Dauer-Affekt zu sein: seine Aussagen lassen die Türkische Lira auf eine neues Allzeittief zum Dollar fallen.
So sagte Erdogan heute, dass jemand (vermutlich meint er den Mossad, den er schon für das Attentat auf Charlie Hebdo verantwortlich machte) versuche, die Türkei aufzuhalten durch zu hohe Leitzinsen, welche der Grund seien für die hohe Inflation (siehe dazu unseren hymnisch zustimmenden Artikel „Was ist Erdogan-omics„, in dem wir zeigen, dass der genialische Präsident die Wirtschaftswissenschaft auf eine völlig neue Grundlage stellt. Man muß in Zukunft wohl von einer Wirtschaftswissenschaft „vor Erdogan“ (v.E.) und „nach Erdogan“ (n.E.) sprechen, ähnlich wie wir es mit Jesus bei unserer Zeitrechnung tun: alle Arbeiten „vor Erdogan“ sind demnach als unwissenschaftlich zu klassifizieren).
Neben dem Erdogan-Klassiker, wonach das Problem die Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank sei, ließ er heute verlauten, dass die Türkei eine neue Verfassung und ein neues Präsidailsystem brauche. Sprich: alle Macht dem Präsidenten (der er derzeit ja ist, nach der Aufgabe seines Amtes als Premierminister). So weit so spektakulär.
Dann aber kommt es noch dicker: man sollte einmal untersuchen, so Erdogan, wem die New York Times gehöre. Die New York Times hatte am Dienstag berichtet, dass die Türkei den Paß des Erdogan-Opponenten (und früheren Weggefährten) Gulen habe einziehen lassen – allerdings den Anwalt Gulens zu Wort kommen lassen, der das bestritten hatte:
Mr. Gulen’s lawyer, Nurullah Albayrak, has denied the reports, saying that his client’s passport was still valid. “If this news is true, Turkish authorities have lied to the U.S. authorities,” Mr. Albayrak said.
Offenkundig unterstellt Erdogan, dass die Zeitung mit Gulen gemeinsame Sache mache. Oder Erdogan erkennt die langen Arme des Mossad bei der New York Times..
Die türkische Lira jedenfalls fällt zum US-Dollar auf ein neues Allzeittief in Reaktion auf Erdogans neurliche Eskapaden.
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hier wir über eine person kommentiert, der in 12 jahren wirtschaftliche wunder auf dem türkischen mark erschaffen hat, wachstumzahlen von 4-8 % sind traumzahlen für einige traumtänzer wie dieser kommendator.
Das türkische Wachstum ist auf Pump finanziert – insbesondere die Konsumenten sind stark verschuldet, der Staat (noch!) nicht so sehr. Allerdings produziert die Türkei ein starkes Handelsbilanzdefizit, das nur funktionieren kann, wenn Kapital ins Land fließt – und das Gegenteil passiert gerade, Kapital fließt ab (auch wegen den Eskapaden Erdogans). Das Handelsbilanzdefizit hingegen wird immer größer, weil die Lira weiter abwertet. Wird der Dollar noch stärker (was sich abzeichnet), trifft das insbesondere diejenigen, die in Dollar verschuldet sind. Gleichzeitig steigt die Inflation weiter an – wie soll da die Notenbank die Zinsen senken, wie Erdogan fordert?
Man kann gespannt sein, wie die Zustimmung zu Erdogan sich entwickelt, wenn die Konsum-Blase in der Türkei platzt. In Brasilien passiert das gerade, die Türkei wird denselben Weg gehen müssen..