Anleihen

Erste Firmenpleite in China – was macht Peking?

Von Markus Fugmann

Heute Nacht hat das erste Unternehmen im Reich eine fällige Rückzahlung einer Anleihe verpaßt und ist damit faktisch pleite: Cloud Live Technology Group Co. Das Unternehmen ist stark überschuldet, auf der Internetseite der Börse in Shenzhen gab das Unternehmen bekannt, dass es eine vor drei Jahren begebene Anleihe nicht mehr bedienen könne. Nun stellt sich die Frage, ob die Regierung erneut – wie bislang immer – das Unternehmen retten wird. Oder eben nicht. Cloud Live Technology Group Co. gilt als nicht „System-relevant“ und könnte daher für Peking als Testballon dienen, wie die Märkte die Pleite eines Unternehmens verarbeiten.

Cloud Live Technology Group Co. war einst ein Restaurant mit 18 Niederlassungen, spezialisiert auf Delikatessen aus der Provinz Hunan. Kunden waren vorwiegend gut verdienende Beamte, doch mit Beginn der Antikorruptions-Kampagne von Präsident Xi Jinping, die dem Luxusleben von Staatsdienern ein Ende bereiten will, ging es mit dem Restaurant bergab. Also beschloss die Führung letztes Jahr, das Unternehmen in eine Software-Firma umzuwandeln. Hauptsache, so scheint es, das Zauberwort „Cloud“ ist im Firmennamen enthalten, schon laufen die Geschäfte.

Aber das funktionierte logischerweise nicht. Im Mangagement krachte es, zahlreiche Manager verließen das Unternehmen, die China Securities Regulatory Commission begann eine Untersuchung gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden und größten Anteilseigner, Meng Kai. Als der realisierte, was die Stunde geschlagen hatte, setzte er sich im Oktober ins Ausland ab, offiziell ist er nach wie vor „im Urlaub“. Aus der Ferne legte er im Januar gleichwohl sein Amt nieder – und hält seitdem sichere Distanz zu seiner Heimat.

Das Abtreten Men Kais aber hat die Lage des Unternehmens nicht verbessert. Im Dezember verkaufte das Unternehmen seine Restaurants zu einem niedrigen Preis – die Berichterstattung in den Medien habe verhindert, einen höheren Verkaufspreis zu erzielen, so das Unternehmen. Was bleibt und geblieben ist, ist ein Geschäftsmodell, das nicht funktioniert, und ein Schuldenberg, der nicht mehr abzutragen ist. Knapp 600 Millionen Yuan (also knapp 100 Millionen Dollar) beträgt die Verschuldung bei Banken und Schattenbanken, dazu die vor drei Jahren begebene Anleihe von 400 Millionen Yuan, die gestern hätte bedient werden müssen. Aber Cloud Live Technology Group Co. meldete heute, man bringe derzeit nur 160 Millionen Yuan auf – normalerweise ist das das Ende.

Aber in China gehen die Uhren anders: die Regierung fürchtet Dominoeffekte. So wurde letztes Jahr Chaori Solar Energy Science & Technology Ltd., das ebenfalls nicht in der Lage war, eine fällig werdende Anleihe zu bedienen, umstrukturiert und faktisch von einer staatlichen Firma übernommen. Damit war die Sache vom Tisch, die Anleihemärkte beruhigt. Aber Chinas Unternehmen sind veschuldet wie in keinem anderen Land der Welt, und ewig kann sich auch eine autoritäre Regierung Rettungen nicht leisten. Deshalb stellt sich jetzt die Frage, ob Peking eingreifen wird, oder die Pleite mit allen möglichen Konsequenzen an den Anleihmärkten Chinas zulassen wird.

Vorerst scheint man sich im Reich der Mitte wenig Sorgen zu machen. Der Shanghai Composite gewann heute Nacht knapp 2% und steht auf 7-Jahreshoch. Das Vertrauen, dass die Regierung wieder einmal retten wird, ist groß. Die Hausse der Aktienmärkte basiert insgesamt auf jeder Menge Hoffnung: Stimulusmassnahmen sollen die abkühlende Wirtschaft wieder in Gang bringen. Die Konjunktur lahmt, Unternehmen müssten gerettet werden – fragt sich, wo Peking mit dem Retten anfangen, vor allem aber wo es aufhören will..



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