Die EU und die USA haben ein überraschendes Handelsabkommen geschlossen, das neue Zölle festlegt – und gleichzeitig die Furcht vor einem transatlantischen Handelskrieg entschärft. Die europäischen Aktienmärkte reagieren prompt: Besonders Unternehmen aus der Auto- und Konsumgüterbranche gehören zu den Gewinnern des Deals. Anleger feiern das Abkommen, doch Experten warnen: Nicht alle Details sind bekannt – und nicht alle Aktien werden langfristig profitieren.
USA-EU-Deal: Die Gewinner
Europäische Aktien steigen, nachdem die Europäische Union ein Handelsabkommen mit US-Präsident Donald Trump erzielt hat, das die Befürchtungen vor einem schädlichen Handelskrieg weiter dämpft. Der marktbreite Stoxx-600-Index legte nach dem Abkommen um rund 0,7 % zu, das Zölle in Höhe von 15% auf die meisten Exporte der EU vorsieht. Der Euro gab nach, nachdem er letzte Woche kurz vor der Marke von 1,18 US-Dollar gescheitert war. Rohöl stieg um 0,9%.
„Die Einigung ist gut genug, um das zu erreichen, was die Aktienmärkte am meisten brauchen: Sichtbarkeit“, sagte John Plassard, Leiter der Anlagestrategie bei Cité Gestion. „Das große Risiko einer Eskalation der Zölle ist nun vom Tisch und damit verschwindet ein großer makroökonomischer Unsicherheitsfaktor.“ Das Zollthema dürfte die Märkte jedoch noch beeinflussen, denn es gibt noch kaum Details zu dem Abkommen und die EU und Trump widersprechen sich in wichtigen Punkten.
Am Sonntag verkündete US-Präsident Donald Trump den Deal nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Dieser sieht Zölle in Höhe von 15% für den Großteil der EU-Exporte vor, darunter auch Autos.
Bereits am Freitag verzeichneten die vom Handel am stärksten betroffenen Sektoren, darunter Automobile und Konsumgüter, einen Aufschwung. Anleger zeigten sich dabei optimistisch, dass ein Handelsdeal vor Ablauf der Zollfrist am 1. August zustande kommt.
Auto-Aktien im Aufwind
BMW, Mercedes-Benz und andere europäische Automobilhersteller profitieren laut Bloomberg Intelligence von einer annualisierten Ergebnisverbesserung in Höhe von 4 Milliarden Euro – dank des neuen Handelsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. Daher jubeln vor allem Auto-Aktien zu Wochenbeginn. Stellantis legten um 3,1% zu, während Volkswagen um 2,2% stiegen, Mercedes-Benz um 1,8% gewannen und die Porsche-Aktie um 3,5% kletterte. Die Automobilzulieferer Valeo und Forvia verzeichneten ebenfalls Kursgewinne. Der Stoxx 600 Automobilsektor war am Freitag im Jahresvergleich noch nahezu unverändert.
Seit Mai bewegen sich die europäischen Aktien aufgrund der Unsicherheit über die Aussichten für den Welthandel in einer engen Handelsspanne. Ein Korb zollempfindlicher Aktien der UBS hat sich in diesem Jahr unterdurchschnittlich entwickelt — bei der Gruppe besteht daher Aufholpotenzial gegenüber dem Leitindex.
Einige Börsenexperten warnten jedoch, dass die Rally nur von kurzer Dauer sein könnte, bis weitere Details des Handelsabkommens bekannt gegeben werden.
“Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Aktienmärkte am Morgen erholen und dann wahrscheinlich wieder einbrechen“, sagte Neil Birrell, Chief Investment Officer bei Premier Miton Investors. “Der Teufel steckt im Detail, und es wird nicht alles gut für Europa und nicht alles gut für die USA sein.“
Expertenkommentare
Joachim Klement, Stratege bei Panmure Liberum: “Die Aktienmärkte werden aufgrund dieser Nachrichten wahrscheinlich steigen, aber das kann nur ein Zuckerrausch sein. Tatsache ist, dass die Amerikaner höhere Zölle auf US-Importe zahlen müssen und in der zweiten Jahreshälfte mit einem Inflationsanstieg und einem geringeren Wachstum konfrontiert sein werden. Auch muss die EU höhere Zölle zahlen als Großbritannien, was britischen Exporteuren einen Vorteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten verschafft.“
Kallum Pickering, Chefökonom bei Peel Hunt: “Die Leute wetten darauf, dass die USA eine Reihe von Abkommen abschließt. Das sind nicht unbedingt gute Abkommen, aber Unsicherheit ist schlimmer. Nachdem Aktienmärkte in Europa zu Wochenbeginn etwas zugelegt haben, wird sich die Aufmerksamkeit der Märkte auf Kanada und Mexiko richten. Jedes positive Zeichen, dass sie Abkommen wie das heutige schließen können, wird wohl die Risikobereitschaft erhöhen.“
Michael Brown, Senior Research Strategist bei Pepperstone: “Aus sektoraler Sicht gehören Aktien von europäischen Automobilherstellern zu den großen Gewinnern des Deals, da die 15-prozentigen Zölle auch für Autoimporte in die USA gelten, ähnlich wie bei der Ausnahmeregelung für Japan. Weitere offensichtliche Gewinner sind US-Rüstungsunternehmen aufgrund der Kaufzusagen der EU sowie US-Energieaktien angesichts der Ausgaben in Höhe von fast 1 Billion US-Dollar, die auf sie zukommen.“
FMW/Bloomberg
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