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EU, Facebook, Google und Co mit Verhaltenskodex gegen „Desinformation“ – eine Frage hätten wir da noch

Kampf in Social Media gegen Fake News, gegen Terror, gegen Fanatismus von allen Seiten, gegen Wahl-Beeinflussung und und und. Alles gut und schön. Am Ende dieses Artikels haben wir dazu noch mal eine Frage. Aber erst einmal zur heutigen offiziellen Verkündung der EU-Kommission. Die Social Media-Industrie vertreten durch die großen Konzerne wie Google, Facebook und Co haben sich mit der EU geeinigt auf einen freiwilligen Verhaltenskodex, um im Internet „Desinformation“ zu bekämpfen. Zitat EU-Kommission (oft schon im Befehlston von „ich fordere die Industrie auf…“):

Online-Plattformen, darunter Facebook und Google, und Industrieverbände aus Kommunikation und Werbung haben heute (Mittwoch) einen Verhaltenskodex zur Selbstregulierung vorgestellt, mit dem sie sich zur Bekämpfung von Online-Desinformation verpflichten. EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel begrüßte den Verhaltungskodex als einen Schritt in die richtige Richtung, forderte aber die Plattformen auf, ihre Anstrengungen gegen die Verbreitung von Desinformation im Internet zu verstärken.

26/09/2018
Kommissarin Gabriel erklärte: „Der heute von der Industrie vorgelegte Verhaltenskodex ist das erste greifbare Ergebnis der MitteilungDiesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN•••, die die Kommission im vergangenen April angenommen hat. Er ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Problem, das allgegenwärtig ist und das Vertrauen der Europäer in demokratische Prozesse und Institutionen bedroht. Dies ist das erste Mal, dass sich die Industrie auf eine Reihe von Selbstregulierungsstandards zur weltweiten Bekämpfung von Desinformation auf freiwilliger Basis geeinigt hat. Sie verpflichtet sich zu einer breiten Palette von Aktionen, von Transparenz in der politischen Werbung bis hin zur Schließung von Scheinkonten und der Entmonetisierung von Desinformationslieferanten und wir begrüßen das.“

In der Erklärung heißt es weiter: „Der Verhaltenskodex sollte zu einer transparenten, fairen und vertrauenswürdigen Online-Kampagne im Vorfeld der Europawahlen im Frühjahr 2019 beitragen und gleichzeitig die Grundprinzipien Europas der freien Meinungsäußerung, der freien Presse und des Pluralismus voll respektieren. Dieser Schritt ergänzt die Empfehlung der Kommission zu Wahlkooperationsnetzen, Online-Transparenz, Schutz vor Cybersicherheitsvorfällen und Bekämpfung von Desinformationskampagnen, die am 12. September von Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union vorgestellt wurde. Online-Plattformen müssen vor allem in dieser entscheidenden Phase vor den Wahlen als verantwortungsvolle soziale Akteure auftreten. Sie müssen ihr Möglichstes tun, um die Verbreitung von Desinformation zu stoppen.

Ich fordere Online-Plattformen und die Werbebranche auf, unverzüglich mit der Umsetzung der im Verhaltenskodex vereinbarten Maßnahmen zu beginnen, um in den kommenden Monaten signifikante Fortschritte und messbare Ergebnisse zu erzielen. Ich erwarte auch, dass immer mehr Online-Plattformen, Werbefirmen und Werbetreibende den Verhaltenskodex befolgen und ich ermutige jeden, mit allen Kräften ihre Verpflichtungen umzusetzen, um Desinformation zu bekämpfen.

So, und jetzt nochmal zu unserer Frage: Bis wohin geht der „freiwillige“ Kampf gegen Desinformation? Wo ist Schluss? Und wer definiert denn eigentlich, was Desinformation ist, und was freie Meinungsäußerung, Satire, Kunst oder ein bissiger Kommentar? Wer definiert das? Ein EU-Kommissar in Brüssel, oder eine Arbeitsgruppe aus EU und Facebook? Wie auch beim Upload-Filter, der jüngst verabschiedet wurde, werden Facebook und Co vermutlich diese Frage eindeutig gegen ihre Nutzer auslegen, um die Damen und Herren in Brüssel endlich glücklich zu machen. Aus reiner Vorsicht wird man viel zu viel löschen, da so eine Selbstverpflichtung keine klaren gesetzlichen Vorgaben hat. Wie heißt es so schön im obigen Wortlaut der Kommission? Hier nochmal im Zitat:

Der Verhaltenskodex sollte zu einer transparenten, fairen und vertrauenswürdigen Online-Kampagne im Vorfeld der Europawahlen im Frühjahr 2019 beitragen und gleichzeitig die Grundprinzipien Europas der freien Meinungsäußerung, der freien Presse und des Pluralismus voll respektieren.

Anmerkung zum letzten Teil dieses Zitats: Wenn der Kampf gegen Desinformation wirklich nur Desinformation beträfe, dann bräuchte man heute doch gar nicht gesondert erwähnen, dass trotz dieser Kampagne Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Pluralismus respektiert werden sollen. Alleine schon die Erwähnung dieser Selbstverständlichkeit wirkt so, als wüssten die Initiatoren, was sie damit vermutlich anrichten werden. Es ist ja heute schon sehr oft sichtbar, vor allem bei YouTube. Reihenweise werden ganze Nutzerkonten, wo sich Content-Produzenten jahrelang bemüht haben mit tollen Inhalten viele Follower zu generieren, einfach so gelöscht. Es herrscht jetzt schon die pure Willkür, und durch solche Kampagnen im Kampf „für das Gute“ wird man „das Gute“ ziemlich stark platt-treten!

EU Kampf gegen Desinformation
EU-Flaggen in Brüssel vor dem Kommissionsgebäude. Foto: © European Union, 2016 / Source: EC – Audiovisual Service / Photo: Etienne Ansotte



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2 Kommentare

  1. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Pluralismus bei Facebook, Google und Co., also in den sog. sozialen Medien.

    WOW!, große Worte, die mir erst einmal den Atem rauben…

    Westlich des Atlantiks nutzt ein wahnsinnig gewordener Narzisst die sozialen Medien völlig widersprüchlich und widersinnig wegen/gegen deren Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Pluralismus. Er verbreitet die pure individuelle Wahrheit, Millionen anderer individueller Wahrheiten sind not wanted Fake and Shit…

    Östlich des Atlantiks offenbaren großartige EU-Politiker ihre Größe und Kompetenz in Bürokratie und Verfilzung mit der Industrie und lobpreisen den heute von der Industrie vorgelegten Verhaltenskodex. Vorgelegt von der Industrie, also den üblichen Lobbyisten. Damit wäre Entwicklung, Zukunft und Änderung bereits vordefiniert. Das völlig überholte Urheberrecht weiterhin unterstützend, die Belange und Wünsche eines Großteils der Menschen mal wieder ignorierend, Jahrhunderte alte etablierte Machtstrukturen erhaltend.
    Und wichtig vor allem, es geht um das Vorfeld der Wahlen! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. ;)

    Desinformation zu bekämpfen hieße in dem Zusammenhang, einen objektiven Standard für sachliche Information im Bereich Politik, Soziologie und Psychologie festzulegen. Wie soll das in einem nicht naturwissenschaftlichen Gebiet funktionieren, wenn selbst die Königsdisziplinen der Naturwissenschaften wie Mathematik und Physik aufgrund empirischer Fakten zusehends mehr und mehr in der theoretischen Spekulation versinken?

  2. Facebook soll also die Konten der EU sperren? :P

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