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EU-USA-Deal: Vieles bleibt ungeklärt – Frankreich spricht von „Unterwerfung“

Beim Deal zwischen EU und USA sind viele Details noch nicht geklärt. Europäische Politiker äußern sich öffentlich niedergeschlagen.

Donald Trump und Ursula von der Leyen. Foto: Bloomberg

Der Handelsdeal zwischen EU und USA steht in groben Zügen. In Europa ist man sich bei Ökonomen und Analysten zu großen Teilen einig: Die EU ist der große Verlierer dieses Deals. Mehr war nicht drin, die eigene Verhandlungsposition war zu schwach. Außerdem haben offenbar Merz und Macron im Hintergrund auf einen schnellen Deal gedrängt.

Die EU hat diese Woche einen drohenden Handelskrieg mit den USA abgewendet, doch die Märkte und eine wachsende Zahl von Kritikern haben die anfänglichen Hoffnungen zunichte gemacht, dass das Abkommen wieder Stabilität in die transatlantischen Beziehungen bringen wird, so Bloomberg. Weiter wird berichtet: Der Euro verzeichnete am Montag gegenüber dem Dollar den größten Kursverlust seit über zwei Monaten und brach um mehr als 1 % ein. Zuvor war die Gemeinschaftswährung in der vergangenen Woche aufgrund der Aussicht auf eine Einigung mit den USA auf den höchsten Stand seit fast drei Jahren gestiegen.

Die EU hat am Wochenende zugestimmt, einen Zoll von 15 % auf die meisten ihrer Exporte zu akzeptieren, während der durchschnittliche Zollsatz der Union auf amerikanische Waren nach Inkrafttreten des Abkommens unter 1 % sinken soll. Brüssel kündigte außerdem an, amerikanische Energieprodukte im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen und weitere 600 Milliarden Dollar in den USA zu investieren.

EU-USA-Deal: Verheerende Stimmen aus Europa

„Die Grundsätze des freien Handels, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks gesichert haben, werden systematisch abgebaut“, erklärte Karin Karlsbro, schwedisches Mitglied des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, in einer Stellungnahme. „Mit jeder Zugeständnis wächst die Gefahr einer wirtschaftlichen und politischen Marginalisierung Europas.“

Bundeskanzler Friedrich Merz, der das Abkommen zunächst als „Erfolg“ begrüßt hatte, da es einen Handelskonflikt vermieden und der EU ermöglicht habe, ihre Interessen zu wahren, schien nun doch skeptisch zu sein. „Die deutsche Wirtschaft wird durch diese Zölle erheblichen Schaden nehmen“, sagte er am Montag gegenüber Reportern. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies nicht auf Deutschland und Europa beschränkt bleiben wird. Wir werden die Folgen dieser Handelspolitik auch in Amerika zu spüren bekommen.“

Auch der französische Premierminister François Bayrou äußerte sich kritisch und schrieb in den sozialen Medien: „Es ist ein schwarzer Tag, wenn ein Bündnis freier Völker, das sich zusammengeschlossen hat, um seine Werte zu bekräftigen und seine Interessen zu verteidigen, sich für die Unterwerfung entscheidet.“

Die EU und die USA werden laut einem hochrangigen EU-Beamten bis zum 1. August eine nicht rechtsverbindliche gemeinsame Erklärung ausarbeiten, die einige der am Wochenende ausgehandelten Punkte weiter ausführt. Sobald die Erklärung fertiggestellt ist, werden die USA damit beginnen, ihre Zölle auf bestimmte Sektoren zu senken, insbesondere für Autos und Autoteile, für die derzeit ein Zoll von 27,5 % gilt.

Anschließend werden beide Seiten mit der Ausarbeitung eines rechtsverbindlichen Textes beginnen, sagte der Beamte, der anonym bleiben wollte. Der Inhalt und die rechtliche Form dieses Dokuments sind noch unklar, aber es würde die Unterstützung einer qualifizierten Mehrheit der EU-Länder und möglicherweise auch des Europäischen Parlaments erfordern.

Der EU-Beamte sagte, dass es lange dauern könnte, bis ein Konsens über den Rechtstext erzielt wird; viele Handelsabkommen erfordern jahrelange Verhandlungen. Die EU wird die vereinbarten Bedingungen – wie die Senkung der Zölle auf US-Produkte – erst nach der Verabschiedung dieses Rechtstextes umsetzen, so der Beamte.

„Die Vereinbarung beseitigt einige Restrisiken, ist jedoch wenig detailliert, sodass in den kommenden Wochen noch viele Fragen geklärt werden müssen, was zu neuen Schwankungen führen könnte“, Oliver Rakau, Chefökonom für Deutschland bei Oxford Economics, in einer Mitteilung. „Die Unsicherheit dürfte weiterhin hoch bleiben.“

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte, die USA hätten sich bereit erklärt, die Zölle auf bestimmte strategische Produkte, darunter Flugzeuge und Flugzeugteile, bestimmte Generika, Halbleiterausrüstung und bestimmte Agrarprodukte, bilateral auf null zu senken.

Ein möglicher Knackpunkt in den Verhandlungen werden die EU-Metallausfuhren sein, für die derzeit ein Zollsatz von 50 % gilt. Die EU drängt auf eine Quote für Metalle, die die Abgaben auf ein bestimmtes Warenvolumen senken würde, während für alles darüber hinaus der Satz von 50 % gelten würde, so der EU-Beamte.

„Es bleibt Unsicherheit hinsichtlich aller Details, die die europäische Stahlindustrie betreffen“, sagte Axel Eggert, Generaldirektor der European Steel Association. Derzeit wird darüber diskutiert, ob bestimmte Waren wie Wein und Spirituosen von dem Zollsatz von 15 % ausgenommen werden sollen, so der EU-Beamte.

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Wie soll so viel Energie in so kurzer Zeit gekauft werden?

Ein weiteres mögliches Problem ist das Versprechen der EU, über einen Zeitraum von drei Jahren amerikanische Energieimporte im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen, was ein wesentlicher Bestandteil des Abkommens ist. Es ist jedoch schwer vorstellbar, wie die EU in so kurzer Zeit einen so ehrgeizigen Importanteil erreichen will.

Die gesamten Energieimporte aus den USA beliefen sich im vergangenen Jahr auf weniger als 80 Milliarden Dollar und lagen damit weit unter dem Versprechen, das von der Leyen Trump gegeben hatte. Die gesamten Energieexporte der USA beliefen sich 2024 auf etwas mehr als 330 Milliarden Dollar.

Ebenso problematisch ist die Zusage der EU, zusätzlich 600 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Die Investition ist lediglich eine Zusammenfassung von Zusagen von Unternehmen und kein verbindliches Ziel, da die Europäische Kommission sich nicht zu einem solchen Ziel verpflichten kann, so der EU-Beamte.

Die Unsicherheit aufgrund des Handelskriegs hat die Wirtschaftsprognosen der EU belastet, sodass die Kommission im Mai ihre BIP-Wachstumsprognosen für das Jahr auf 1,1 % gesenkt hat. Im November war noch von 1,5 % ausgegangen worden.

Trotz der Kritik beharrt die Kommission, die für Handelsfragen der EU zuständig ist, darauf, dass dies die einzige Vorgehensweise gewesen sei.
„Dies ist eindeutig das beste Ergebnis, das wir unter den sehr schwierigen Umständen erzielen konnten“, sagte EU-Handelschef Maros Sefcovic am Montag gegenüber Reportern.

FMW/Bloomberg



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5 Kommentare

  1. Moin, moin,

    wie es auch immer zwischen den USA und EU ausgeht, wenn Brüssel bzw. Berlin das Ding an die Wand fährt, dann ist die Alternative das kleinste Problem für den etablierten Verein.

    Nur schon alleine beim Öffnen des Internets fliegen einem die Artikel mit Entlassungen und Schließungen von Industriewerken ins Auge. Wenn man in Brüssel und Berlin die Zusammenhänge nicht verstehen möchte und anstatt dessen lieber einen „Scheinfrieden“ mit den USA oder sonstigen erreichen will, dann holt einen die sehr nahe Zukunft ein.

    Fazit: EU und Berlin sind ihren Unternehmen und Steuerzahlern verpflichtet, nicht denen in den USA

  2. Ich bin echt schockiert, dass so ein schlechter Deal „erreicht“ wurde. Da hätte man besser auf den Zollkrieg gewartet.

    Die 750 Milliarden Energie, die eh nicht erreicht werden können und vermutlich zu teuer wären, können dann teilweise besser in die EU-Industrie investiert werden. Die Energie aus Kanada und sonstwoher wird wohl günstiger als die US-Energie sein.

    Warum sollte ein Industrieunternehmen jetzt eigentlich in der EU investieren? Dann doch besser in USA, wenn man dort auch verkauft. Spart 15% Zoll und in die EU importiert man mit gigantischen 0% in vielen Bereichen.

    Danke Merz und Macron, die die EU auch noch zu einem schnellen Deal gedrängt haben.

    1. Ein No-Deal hätte im Ergebnis wohl 30% Zölle ergeben. Die EU hatte einfach nicht die richtigen Karten auf der Hand und wird mittelfristig neben den USA, künftig andere Partnerschaften stärken, z.B. mit Indien, Brasilien, Argentinien oder China, um das Klumpenrisiko zu reduzieren. Ich sehe das als Chance, wenn die USA die EU nicht mehr als Handelspartner auf Augenhöhe sieht, weil sie nun gezwungen ist sich stärker zu diversifizieren. Im Übrigen wird auch die USA einen Preis zahlen, nämlich in Form von schwindendem Einfluss in der Welt.

    2. Es kommt drauf an ob die hohen Zölle auf Zukaufteile in USA weiterhin bestehen bleiben, oder nicht. In der USA wird vermutlich sehr viel zugekauft, zu aktuell einem höheren Zollsatz als 15%. Produzieren in USA wird dementsprechend auch teurer.

  3. Dieter Stubenvoll

    Die deutsche Stahlindustrie jammert doch die ganze Zeit über viel zu hohe Energiekosten, die eine Produktion zu wettbewerbsfähigen Preisen unmöglich machen.
    Wenn also deutscher Stahl so teuer ist, stellt sich zwangsläufig die Frage, wozu es dann noch Zölle in Höhe von 50% braucht. Oder warum diese Zölle zu existenzbedrohenden Absatzeinbrüchen führen sollen, wenn sich doch die Produkte ohnehin schon nicht mehr gewinnbringend verkaufen lassen.
    Ist deutscher Stahl vielleicht gar nicht so teuer, wie in den USA produzierter? Und das trotz der dort deutlich niedrigeren Energiekosten?

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