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“In zwei Monaten, bei diesen Preisen, fürchte ich, ist es zu spät” EU unter Druck in Energiekrise – Lösung „jetzt sofort“ gefragt

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Die Energiekrise gefährdet die Wirtschaft Europas in ihrer Existenz, wie der belgische Ministerpräsident De Croo gestern gewarnt hatte – die EU ist unter starkem Handlungsdruck.

Energiekrise: EU hat Erfolg mit verbaler Intervention – Gaspreis und Strompreis fallen

Seit der Ankündigung der EU, die Energiemärkte zu regulieren, sind sowohl der Gaspreis als auch der Strompreis deutlich gefallen. Damit hat die EU durch ihre verbale Intervention schon einen Teilerfolg in Sachen Energiekrise erreicht – aktuell etwa liegt der Gaspreis (TTF, Oktober-Kontrakt) nur knapp über 200 Euro die Megawattstunde und damit deutlich unter dem Niveau vom letzten Freitag, als Gazprom mitteilte, die Lieferungen durch Nord Stream 1 nicht wieder aufzunehmen.

Können Preisdeckel das Problem der Energiekrise lösen, wie die EU glaubt? Wohl eher nicht. Derartige Preisdeckel führen in der Regel eher zu einer Mangelwirtschaft, weil Energie-Produzenten mitunter höhere Kosten bei der Produktion haben, als sie an Verkaufserlösen aufgrund des Preisdeckels erzielen können. Ergo wird weniger Energie produziert. Die einzig nachhaltige Lösung der Energiekrise – die eine Angebotskrise ist –  ist daher die Ausweitung des Angebots. Bestehende Ressourcen müssen genutzt und nicht abgebaut werden (Atomkraft), bisher ungenutzte Ressourcen dagegen erschlossen werden (Gas-Fracking).

EU wegen Energiekrise unter Druck

Die Hilferufe aus der Wirtschaft werden lauter – nun  ist Eile geboten. Wie Bloomberg berichtet, arbeitet die EU arbeitet an weitreichenden Maßnahmen gegen die ausufernden Energiepreise und den drohenden Blackout. Die Energieminister der Union stehen bei ihrem heutigen Dringlichkeitstreffen in Brüssel unter Erfolgs- und Zeitdruck.

Sie müssen einerseits verhindern, dass der von Russlands Präsident Wladimir Putin verhängte Gaslieferstopp zu Rationierungen, Stromausfällen oder sozialen Unruhen führt. Dabei müssen sie gleichzeitig sicherstellen, dass ihre Interventionen kein Chaos auf den Energiemärkten verursachen und die Lage noch verschlimmern.

Überdies müssen die Lösungen in der ganzen EU anwendbar sein und zugleich zu den 27 nationalen Industriestrukturen und Stromsystemen passen, denen jeweils ein völlig unterschiedlicher Energiemix zugrundeliegt.

Der tschechische Industrieminister Jozef Sikela, der die Sitzung leitet, sagte am Freitag, er habe “keine Zeit zu verlieren”. “Ich erwarte den Entwurf in ein paar Tagen und will bis Monatsende Klarheit haben”, sagte er vor Reportern. “Ich sehe bereits Punkte, bei denen ich mir ziemlich sicher bin, dass wir uns annähern werden.”

Vor der Dringlichkeitssitzung hatten sich EU-Diplomaten auf einige allgemeine Themen geeinigt – Die Entkopplung von Strom- und Gaspreisen und die Liquidität im Energiesektor -, waren sich aber uneins darüber, was und wie getan werden sollte. Eine Einigung dürfte noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

Europa kann wohl nicht lange warten.

“Dies ist nicht der Moment für Grundsatzdebatten über die Energiemärkte. Wir brauchen einfach Lösungen”, sagt Marco Mensink, Generaldirektor der europäischen Chemielobby Cefic. “Die Situation ist sehr alarmierend – hier geht es um die Zukunft der europäischen Industrie. Während wir sprechen, legen Unternehmen ihre Produktion still, und bei diesen Preisen werden sie nicht wieder hochfahren.”

Der belgische Premierminister Alexander De Croo warnte davor, dass “die europäische Wirtschaft einfach zum Stillstand kommt”. In einem Interview mit Bloomberg News am Donnerstag sagte er: “Das Risiko sind Deindustrialisierung und fundamentale soziale Unruhen.”

Schnelligkeit war indes noch nie die Stärke der EU. Und die Pläne sind immer noch im Frühstadium. Detaillierte Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen der Energiekrise müssen noch bekannt gegeben werden, was erst nach der Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Lage der Union am 14. September in Straßburg passieren wird.

Das heutige Treffen der Energieminister bietet die erste Gelegenheit einzuschätzen, wie weit sie noch voneinander entfernt sind.

„Nicht einfach“

“Die Gespräche werden nicht einfach sein”, sagte der rumänische Energieminister Virgil Popescu gegenüber Bloomberg. “Die Vorschläge der Kommission sind ein guter Anfang, aber wir müssen sehen, wo die anderen Mitgliedsstaaten stehen.”

Bekannt ist, dass die Kommission Produzenten fossiler Brennstoffe zur Kasse bitten will und die Übergewinne von Stromproduzenten abschöpfen will, die andere Quellen als Gas nutzen. Mit diesen Mitteln sollen die Verbraucher unterstützt werden. Schwierig wird es mit verbindlichen Zielen zur Reduktion des Energieverbrauchs. Eine schnellere Einigung könnte es für die Hilfe beim Liquiditätsstress durch exorbitante Margin Calls an den Energiebörsen geben.

Ein deutliches Zeichen für die nationalen Spannungen lieferte zuletzt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der sich über die Weigerung der Nachbarländer Belgien, Luxemburg, Niederlande und Polen zu “konstruktiven Verhandlungen” im Gasbereich beschwerte.

Trotz dieser Herausforderungen erkennen die Politiker der EU zunehmend, dass ein Scheitern soziale Verwerfungen auslösen und ihre Regierungen gefährden kann.

“Ich denke, wir haben nicht den Spielraum zu sagen, ok, wir schreiben etwas in den Text und dann treffen wir uns in zwei Monaten nochmal”, sagte De Croo. “In zwei Monaten, bei diesen Preisen, fürchte ich, ist es zu spät.”

FMW/Bloomberg

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7 Kommentare

  1. Laut Pressemitteilungen wird Italien eines der wenigen Länder der EU sein, das kaum Probleme mit der Gasversorgung haben wird. Es habe sehr viele Entry Points: Algerien,Aserbaidschan und Libyen.
    Es komme auch immer noch Gas aus Russland über Friaul-Tarvis.

  2. Statt zu versuchen, das Pferd weiterhin vom Schwanz her aufzuzäumen, sollte man dem Beispiel Ungarn folgen und einfach weiterhin russisches Gas beziehen. Dazu müßten nur gewisse Sanktionen aufgegeben und in Deutschland North Stream 2 in Betrieb genommen werden. Letzters wiederum setzt voraus, daß sich Brüssel und Berlin im Interesse ihrer Bürger und Wirtschaften von den Vorgaben Washingtons freimachen. Diese Sanktionspolitik schadet vor allem den Europäern, während die USA profitieren. Damit sollte Schluß sein.

    1. Ja genau, Putins Kriegskasse füllen, damit er uns in ein paar Monaten überrennen und unterjochen kann. Wie schön ist es die Demokratie aufzugeben und unter einem Auto- und Kleptokraten zu leben. Vielleicht kriegst du sogar einen Ministerposten in seiner neuen Vasallenregierung Frank. Für mich ist das Verrätertum an unseren westlichen Werten. Warum ziehst du nicht jetzt schon um nach Moskau? Ich helfe dir beim Umzug.

      1. Ich kann einfach nicht glauben was für einen Schwachsinn hier von sich gegeben wird. Putin zieht los und überrennt Europa. Klar. Der schafft es nicht Mal die Ukraine einzunehmen. Leider gibt es zu viele Menschen, die das wirklich glauben. Die Propaganda der Medien scheint sehr gut zu wirken.
        Die einzige Lösung zur Zeit ist das russische Gas. Dieses Schwachsinsgelaber von Demokratie und ihren Werten ist einfach zum kotzen. Übrigens, es gibt auf der Welt keine Demokratie. Wir nennen es nur so damit Menschen wie sie daran glauben und sich ruhig verhalten und aufhören kritisch zu denken. Keiner kann mir erzählen, dass unsere Wählen nicht im Geringsten manipuliert sind.
        Mal sehen, ob sie noch an ihre Werte glauben, wenn unser Land am Ende ist und keiner sich noch irgend etwas leisten kann oder sich verschulden muss nur um Strom und Gas bezahlen zu können. Das muss man sich Mal vorstellen.
        Weiterhin müssten wir endlich die EU abschaffen. Sie ist nur für zwei Dinge gut. Die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer zu machen und es den USA leichter zu machen über Europa zu regieren

    2. Sie hören sich an wie meine Mutter. Die Sanktionen sind nicht aus Spaß eingerichtet und auch nicht aus Hörigkeit der USA gegenüber. Es ist Krieg! Wir müssen leider aus dem gemütlichen europäischen Leben aufwachen. Alle. Außerdem war bereits seit Jahrzehnten klar, dass die Ressourcen so nicht weiter verschleudert werden können. Wir haben nicht entsprechend gehandelt. Ich will auch nicht arbeitslos werden, aber „im Interesse der Bürger“ heißt nicht automatisch das, was Sie vorschlagen: weiter wie bisher….

  3. „Die einzig nachhaltige Lösung der Energiekrise – die eine Angebotskrise ist – ist daher die Ausweitung des Angebots.“
    Die Lösung, oder wenigstens eine Teillösung, kann auch eine Reduzierung der Nachfrage sein, z.B. durch Einsparungen oder andere Energieträger, oder Eigenproduktion (Fracking).

  4. Sehr geehrter Herr Fugmann,

    als gelernter Historiker und erfolgreicher objektiver Journalist sollten Sie in Ihren Artikeln die größeren Zusammenhänge und übergeordneten Probleme ebenfalls zu berücksichtigen wissen. Ein globaler und nie dagewesener Klimawandel mit seinen alljährlichen Katastrophenrekorden ist sicherlich kein angenehmes Thema in einem kurzfristigen Ökonomenforum.
    Diesen andauernd zu verschweigen, zu verharmlosen oder unter dem Deckmäntelchen kurzfristiger Nachfrage-Angebots-Themen zu verstecken, sollte dennoch nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

    „Die einzig nachhaltige Lösung der Energiekrise – die eine Angebotskrise ist – ist daher die Ausweitung des Angebots.“
    Was an Atomkraft und Gas-Fracking ist nachhaltig?
    Wie lange dauert es, die unbedeutenden deutschen Gaskapazitäten zu erschließen?
    Was kostet das?
    Wie lange hilft uns das weiter?
    Wo begraben wir unseren Atommüll?
    Warum investieren wir nicht in Energien, die uns fast kostenlos zur Verfügung stehen?
    Was spricht gegen Einsparungen auf der Nachfrageseite?

    Ich weiß, Dunkelflauten, Zappelstrom, 40-Prozent-China, alles ohnehin sinnlos.
    Und daher machen wir also besser weiter, wie gehabt? Solange, bis China endlich grün wird?
    Wenn schon, denn schon erweitern wir das allseits gerne verwendete Crashtest-Argument, und werkeln irgendwie weiter in Richtung hilfloser Flickschusterei, doch erhobenen Hauptes und in verbleibendem Rest-Wohlstand den ganzen Globus an die Wand. Bis zum letzten Mann in bestem Wissen, alles getan zu haben, was freien Märkten zur Verfügung stand, um einem wahnsinnigen Ressourcen-Zaren und einer globalen Bedrohung gleichzeitig die Stirn zu bieten.

    Einen mittelfristigen Umbau weg von russisch-fossiler Abhängigkeit scheinen Sie für schier unmöglich zu halten. Kurz- bis mittelfristige Einschränkungen kommen für Sie nicht in Frage. Ebenso wenig, wie die Anerkennung der Resilienz von Old Europe und einer jungen Generation, die sich mehr um fundamentales Überleben statt Wohlstandserhalt Gedanken macht.

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