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EU-Wiederaufbaufonds: Laut Bundesrechnungshof „Faktisch Vergemeinschaftung von Schulden“

Viele Beobachter haben den EU-Wiederaufbaufonds (hier mehr Details) in Höhe von 750 Milliarden Euro in den letzten Wochen als das kritisiert, was er wohl auch sein wird – als Beginn einer dauerhaften, strukturierten Umverteilung von Nord nach Süd in Europa. Denn alleine von diesen 750 Milliarden Euro werden von Deutschland voraussichtlich netto 65 Milliarden Euro eingezahlt, von Frankreich 22, und von den Niederlanden 15 Milliarden Euro. Nettoempfänger werden vor allem Italien und Spanien sein mit 32 und 38 Milliarden Euro. Und auch nur Teile des EU-Wiederaufbaufonds werden als Kredit fließen. 390 Milliarden Euro werden als Zuschuss überwiesen, welcher nicht zurückgezahlt werden soll. Die Schuldenlast verbleibt bei der EU, welche wiederum von ihren Mitgliedern finanziert wird.

Der Bundesrechnungshof kritisiert in einer aktuellen Mitteilung in seiner Headline-Aussage, dass der EU-Wiederaufbaufonds keine Dauereinrichtung werden dürfe. Denn ja, damit gäbe es eine höchst offizielle und dauerhafte Umverteilung von Nord nach Süd. Der Bundesrechnungshof spricht sogar das deutlich aus, was viele Menschen denken. Der EU-Wiederaufbaufonds etabliere eine Haftung, bei der die Mitgliedstaaten gegenseitig für Verbindlichkeiten einstehen. Faktisch handele es sich um eine „Vergemeinschaftung von Schulden“ und Haftung – eine Zäsur. Für den Bundeshaushalt birgt das erhebliche Risiken, so der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller.

Die finanziellen Auswirkungen würden bis weit in die nächste Generation zu spüren sein. Über ihre künftigen Beiträge zum EU-Haushalt würden die Mitgliedstaaten für 750 Milliarden Euro neue Schulden haften. Diese sollen über 30 Jahre getilgt werden. Offen sei laut Bundesrechnungshof aber, wer wann welchen Beitrag leiste. Als Kriseninstrument in einem Akt der Solidarität geschaffen, dürfe der EU-Wiederaufbaufonds in einigen Jahren nicht zu einer Zerreißprobe für die EU werden. Dies gelte es zu verhindern. Und die Fiskalregeln würden auf diese Schulden keine Anwendung finden. So eröffne diese Konstruktion einen Weg, die Fiskalregeln zu umgehen. Dies verringere den Anreiz zur eigenverantwortlichen Vorsorge und schwäche die Haushaltsdisziplin. Das alles müsse der Gesetzgeber bei seiner Willensbildung im Blick haben, wenn er in den nächsten Wochen über dieses Kriseninstrument berät. Weitere wichtige Aussagen des Bundesrechnungshofs zum EU-Wiederaufbaufonds hier auszugsweise im Wortlaut:

Als Garantie für alle Schulden des Wiederaufbaufonds steht der EU-Haushalt. Damit haften die Mitgliedstaaten hierfür gemeinschaftlich über ihre künftigen Beiträge zum EU-Haushalt. Für den Bundeshaushalt birgt der Wiederaufbaufonds so erhebliche Risiken. Seine Finanzierung bedeutet deswegen eine grundlegende Änderung der europäischen Haushalts- und Finanzarchitektur. Denn ein solches Haftungsregime schließt die sogenannte „Nichtbeistandsklausel“ in den europäischen Verträgen grundsätzlich aus.

Für die Kredite, die aus dem EU-Haushalt getilgt werden sollen, gibt es keinen verbindlichen Tilgungsplan. Deutschland wird voraussichtlich 65 Milliarden Euro mehr zahlen, als es selbst Zuschüsse bekommt. Klar ist bislang nur, dass die Kredite im Zeitraum 2028 bis 2058 über den EU-Haushalt zurückgezahlt werden. Offen ist aber, welcher Anteil dann auf welchen Mitgliedstaat entfällt.

Die Praxis zeigt: In Krisenzeiten auf EU-Ebene eingeführte Instrumente verstetigen sich regelmäßig. So hat der ESM beispielsweise die zuvor eingerichteten temporären Rettungsschirme mittlerweile dauerhaft abgelöst. Dabei wird häufig ausgeblendet, dass die Kosten und Risiken in der jeweiligen Krise, nicht aber auf Dauer gerechtfertigt sind. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sollten verhindern, dass sich die gemeinschaftliche Kreditaufnahme zu einer Dauereinrichtung entwickelt.

Die Fiskalregeln begrenzen die nationalen Defizite und Schuldenstände. Sie gelten jedoch nicht für EU-Schulden. Die Mitgliedstaaten könnten sich also auf EU-Ebene theoretisch unbegrenzt verschulden und sich diese Mittel dann als Zuschüsse selbst zuweisen. Die enorme Übersicherung des Fonds setzt dazu bedenkliche Anreize. Darunter kann die Haushaltsdisziplin leiden.

Ursula von der Leyen drängte für den EU-Wiederaufbaufonds
EU-Kommissionspräsidentin Ursulan von der Leyen drängte für den EU-Wiederaufbaufonds. Foto: European Parliament CC BY 2.0



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