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Wie die Globalisierung auseinander bricht Europa und China driften immer weiter auseinander

China und Europa driften auseinander

Das neue Positionspapier der Europäischen Handelskammer in China beschreibt, wie China und Europa auseinanderdriften. Dabei gibt sie beiden Seiten Empfehlungen, was unternommen werden kann, um dem Nutzen beider Länder dienlich zu sein. Leider ist zu befürchten, dass beide Seiten diese Empfehlungen nicht umsetzen werden.

Jörg Wuttke – Gesicht Europas in China

Wenn es so etwas wie ein Gesicht Europas in China gibt, dann ist Jörg Wuttke sicher ein Anwärter darauf. In den 1980ern studierte Wittke Sinologie in Peking, anschließend lehrte er in Taiwan, um schließlich bei Bayer AG seine berufliche Heimat zu finden. Seit 1997 ist er Geschäftsführer und Generalbevollmächtigter des Konzerns aus Leverkusen. Er ist China lange verbunden und gilt nicht nur als Kenner, sondern als großer Fürsprecher des Landes.

Aber aus seiner „Message from the President“, die dem Positionspapier voransteht, spricht er über seine große Frustration über die aktuelle Situation in China und der zunehmenden Entfremdung zwischen Europa und China. Er beklagt, dass sich die Menschen nicht mehr begegnen können, seitdem das Reich der Mitte 2020 seine Grenzen praktisch geschlossen hat. Der fehlende Austausch führe unweigerlich dazu, dass diese großartige Nation im Westen weniger verstanden werde, so Wuttke. In einer Welt, in der sich auch wegen des Verhaltens Chinas das Konfliktpotential zunimmt, ist aber fehlendes gegenseitiges Verständnis gefährlich und führt zu Missverständnissen, die im schlimmsten Falle zu einem Krieg führen können.

China: Das Ansehen in Europa sinkt

Nach einer Untersuchung des PEW Research Centers war die negative Wahrnehmung Chinas noch nie so stark wie heute. In der Abbildung wird die Ansicht der jeweiligen Bevölkerung zu China in eindrucksvoller Weise dargestellt. Im Durchschnitt haben in den 19 untersuchten Ländern 68% der Befragten einen negativen Eindruck von China, nur 27% besitzen einen positiven Eindruck. Allerdings gehen nur 32% davon aus, dass die Beziehung zu China „schlecht“ sei.

Besonders die direkten Nachbarn ohne chinesische Minderheiten haben einen negativen Eindruck von China. Sie sehen aus nächster Nähe die wachsenden Spannungen um Taiwan, die zunehmenden Repressionen in Hong Kong und die Ausweitung der militärischen Präsenz im Südpazifik. In den westlichen Ländern sind es Menschenrechtsverletzungen in Tibet und Xinjiang, die die negative Sichtweise auf China verstärkt haben. Begünstigt wird diese Sichtweise durch Chinas Entscheidung, sich auf die Seite von Russland im Ukraine-Konflikt zu stellen. Bilder eingesperrter Menschen während des Lockdowns in Shanghai haben ihre Wirkung ebenfalls nicht verfehlt.

China Europa Ansichten

Grafik: PEW Research Center

China für Ausländer zunehmend uninteressant

Schon vor der Pandemie hatte die Zahl der Ausländer in China abgenommen. Mit Covid verließen viele das Land und kehrten nicht zurück. Nach dem 7. Zensus, der 2021 durchgeführt wurde, gab es weniger Ausländer im Reich der Mitte als noch vor 10 Jahren. Für 2022 gibt es noch keine verlässlichen Zahlen. Auffallend aber ist, dass viele langjährige China-Expats das Land verlassen haben. Damit verliert China nicht nur Fürsprecher in Europa, sondern die ausländische Community auch wertvolles Wissen, wie China funktioniert. Sie verliert auch wichtige Kontakte, denn „Guangxi“ – Beziehungen – sind in China noch sehr viel wichtiger als in Europa.

China Europa Expats

Die EU-Handelskammer beklagt in ihrem Positionspapier, dass es immer schwieriger wird, ausländisches Personal zu bekommen. Dies gelte auch für chinesische Mitarbeiter, die man zumindest für eine gewissen Zeit ins Ausland versetzen möchte. Dies wird sich auch so lange nicht ändern, bis China seine Grenzen nicht wieder öffnet und es nicht spürbar mehr Flugverbindungen gibt als zurzeit.

Allerdings machen sich die Unternehmen das Leben auch selbst schwer, indem sie z.B. vermehrt verlangen, dass potenzielle Kandidaten bereits vor Ort in China sind und somit ein gültiges Visum besitzen. Ein solches setzt jedoch bereits die Anstellung an einem chinesischen Standort voraus. Somit wird die Zahl potenzieller Kandidaten enorm eingeschränkt.

Reaktion der EU

Die Regierungen in den Mitgliedsstaaten der europäischen Union und auch die EU selbst reagieren auf die Spannungen um Taiwan einerseits mit Symbolpolitik, indem mehr Delegationen nach Taiwan reisen, versuchen aber zugleich den Handel mit Taiwan zu fördern, z.B. mit den European Chips Act. Auf die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang haben die USA bereits mit Sanktionen reagiert. Die EU hat einen breiteren Ansatz, indem sie generell Produkte aus Zwangsarbeit verbannen will.

Herausforderungen an Unternehmen in China

Diese Gemengelage stellt die Unternehmen in China vor allem aus Europa vor neue Herausforderungen – das Positionspapier der EU-Handelskammer stellt diese anschaulich dar.

Der generellen De-Coupling-Tendenz begegnen immer mehr Firmen, indem sie zwei getrennte Lieferketten aufbauen. Denn der chinesische Markt ist einerseits als Zulieferer für die heimische Produktion wichtig, andererseits aber stellen viele internationale Unternehmen ihre Produkte mit Fabriken in China für chinesische Kunden her. Beispiel VW: Ein Volkswagen, in Deutschland gebaut, ist ohne chinesische Zulieferer nicht mehr denkbar. Andererseits stellt Volkswagen in seinen Werken in China Autos nur für den chinesischen Markt her. Der Einkauf ist aber für beide Lieferketten zuständig. Diese werden nun getrennt. Dies ist nicht nur eine logistische Herausforderung, sondern auch oft eine juristische, die noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Auf China +1 folgt China +1+2+3

Aus dem Positionspapier wird ersichtlich, dass China von den ansässigen Unternehmen immer weniger als zuverlässiger Partner wahrgenommen wird. Die immer wiederkehrenden Lockdowns unterbrechen die Lieferketten. Aus einer „just-in-time“-Philosophie folgt im Moment eine „just-in-case“-Mentalität. Es ist nicht absehbar, wann Xi Jinping seine „Zero-Covid“-Strategie aufgeben wird. In ihrem Positionspapier schreibt die EU-Handelskammer, sie rechne nicht vor der 2. Hälfte nächsten Jahres mit einer Öffnung, was implizit auch eine Abkehr von der „Zero-Covid“-Strategie bedeuten würde.

Allerdings taucht der „Große Preis von China“ für April im Formel 1-Kalender auf. Dies könnte nur mit einer zumindest aufgeweichten „Zero-Covid“-Strategie stattfinden. Neben der Paralyse durch diese Strategie schwebt noch ein drohender Krieg um Taiwan über dem China-Geschäft. Die antichinesische Stimmung in den USA lässt Kunden nach „China-freien“ Produkten fragen. Daher suchen Firmen aus Europa immer mehr nach Alternativen zu China.

Gegenwind kommt auch aus China

Allerdings wird das Marktumfeld in China auch nicht einfacher für europäische Unternehmen. Da ist zum einem der sich abschachernde Binnenmarkt. Die EU-Handelskammer beklagt weiterhin die sichtbaren und unsichtbaren Marktzugangs-Hindernisse. Zu den sichtbaren gehören vor allem Zölle, aber auch die Pflicht, in bestimmten Bereichen Joint-Ventures zu bilden. Zu den unsichtbaren Hindernissen zählen, dass Sicherheits- oder Umweltschutzvorschriften bei ausländischen Unternehmen strenger ausgelegt werden als bei chinesischen Konkurrenten.

Zunehmende Politisierung des Handels: Ideologie triumphiert über die Wirtschaft

Als zunehmendes Problem beklagt die EU-Handelskammer die zunehmende Politisierung der Wirtschaft. Dies gilt für beide Seiten. Die Unternehmen werden gezwungen, sich z.B. zum russischen Einmarsch zu äußern. Diejenigen europäischen Firmen, die sich explizit gegen den Krieg äußern, riskieren, von der chinesischen Seite unter Druck gesetzt zu werden. Diejenigen, die sich nach den Vorstellungen der europäischen Öffentlichkeit nicht genug von dem Einmarsch distanzieren, können in ihren Heimatländern kritisiert und mit Boykotts abgestraft werden.

Das schwedische Nationale China-Center hat in einem im Juli 2022 veröffentlichten Report herausgestellt, dass Konsumenten-Boykotte in China immer häufiger vorkommen und diese auch bewusst von der chinesischen Regierung provoziert werden.

Wünsche der EU-Handelskammer an beide Seiten

In ihrem Positionspapier adressiert die EU-Handelskammer nicht nur Wünsche an China, sondern auch an die EU. So appelliert sie an beide Seiten, die Spannungen über Taiwan abzubauen und in Bereichen zusammenzuarbeiten, in denen beide Interesse überlappen, z.B. in der Klimapolitik.

Fast schon traditionell gehört zu den Wünschen an die chinesische Seite der Ruf nach Vorhersehbarkeit, Verlässlichkeit und Effizienz für das wirtschaftliche Umfeld. In China kommt es immer wieder vor, dass Gesetze und Vorgaben von einem Tag auf den anderen geändert werden. Ebenso hofft die EU-Handelskammer auf Reformen. In der Tat herrscht in China ein erheblicher Reformstau, allein schon, um die Sozialkassen auf die zunehmende Alterung der Gesellschaft vorzubereiten. Sie appelliert an China, sich weiterhin der Globalisierung verpflichtet zu fühlen und ebenso in internationalen Institutionen zu engagieren.

Von der EU erwartet die EU-Handelskammer, dass sie die Kommunikation zwischen den Mitgliedsstaaten besser koordiniert und so eine gemeinsame China-Strategie verfolgt wird.

China mit harscher Reaktion

China hat sich entschieden, den Report als feindlich einzustufen. Binnen Stunden wurde der Report und Berichte darüber in den Sozialen Medien verbannt. Im Sprachrohr der Kommunistischen Partei, der Global Times erschien am Mittwoch ein langer Artikel, in dem von „Beschuldigungen“ gesprochen wurde. Das Positionspapier würde China „schlechtreden“. „Die europäischen Firmen müssten realisieren, dass China keine Schwierigkeiten für europäische Firmen kreieren würde, aber die Politiker in den USA und in der EU würden dies tun“, wurde Hu Qimu, Deputy Secretary General of Digital-Real Economies Integration Forum 50 zitiert.

Mit solchen Reaktionen ist China dabei, auch seine letzten Fürsprecher zu verlieren und sich weiter zu isolieren.



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5 Kommentare

  1. Wenn China Taiwan „heim ins Reich holen will“ sollte China schon mal die Handelsbeziehungen zu den BRICS Staaten, zu ihren Anwärtern, und zu den nicht durch die USA dominierten Staaten aufbauen, bzw. vertiefen.
    Zusammengefasst etwa zu 2/3 der Weltbevölkerung.
    Da die deutsche Außenministerin ja bereits China angedroht hat, was dann passiert, wenn China Taiwan angreift, wird naturgemäß das Interesse Chinas, die Handelsbeziehungen zu Europa weiter auszubauen, deutlich gesunken sein.
    Europa sollte dann auch schon mal zusehen, auch den Handel von Rohstoffen mit China zu ersetzen.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. Diese Beziehung knüpft China schon, die denken weiter voraus.
    Ist den Deutschen hier bewusst, daß 40% der deutschen Autos in China verkauft werden ? Ich denke an die Premiummarken. Denn der „Spiegel“ titelte am 4.8.22 : „Deutschland muss sich auf einen Konflikt mit China vorbereiten“ vom in China wohnenden Reporter Georg Fahrian.“Wir müssen uns von der Abhängigkeit von der Volksrepublik befreien – auch wenn das Wohlstand kostet“ WIR MÜSSEN !! Und Angela Merkel wird jetzt als Schuldige für die Chinapolitik hingestellt. Ihr Kurs sei gescheitert. 2 Jahre zuvor noch in den Himmel gelobt .
    Gleiches schrieb das US Magazin „The Hill“ 8 Monate zuvor, nur sagten sie America müsse sich befreien.
    In was wollen unsere Medien uns hineinmanövrieren ? Bilden die sich ein wir sollten so eine Propaganda annehmen ? Sie bringen uns die Vorgabe der Politiker bei was die beabsichtigen.

    Befreien ? und dann ? so nennt man das jetzt.

  3. Und Bosch hat 38 Produktionsstätten in China. 2 in Russland. Nachdem der ukrainische Außenminister Bosch angeschwärzt hat seine Teile würden in russ. Militärfahrzeugen stecken, was Bosch verneinte, wird Bosch seine beiden Stätten verkaufen. Türkei und China würden kaufen !!
    Made in Germany wird weniger.

  4. Pingback: Europa und China driften immer weiter auseinander - finanzmarktwelt.de - Blickpunkt-europa

  5. Hallo Ottonorma,
    jeder muss ja so handeln, dass seine Familie und er selbst gut versorgt ist.
    Als die Vorgehensweisen der ersten Rot/Grünen Regierung sich anfing zu entfalten, haben wir 2000 Deutschland verlassen.
    Wer etwas weiter denken konnte, konnte sich ausrechnen was auf Deutschland zukam.
    Jetzt leben wir in Südspanien, und schon wieder kommen zumindest die negative Ausläufer einer deutschen Rot/Grünen Regierung auf uns zu. Bzw. wir müssen eine Menge Vorsorge treffen, damit wir mit zwei blauen Augen hoffentlich davon kommen.
    Ich hoffe, im Frühjahr werden die Menschen in Deutschland ihre Lektion gelernt haben.

    Mal sehen was dann kommt.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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