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Europäische Aufseher über das Versagen der BaFin im Fall Wirecard

Was für ein Desaster. Wirecard meldete im Juni Insolvenz an, nachdem sich 1,9 Milliarden Euro in den Büchern des Unternehmens als reine Luftbuchung erwiesen hatten. Und was hatte die BaFin vorher trotz zahlreichen Hinweisen und Zeitungsartikeln getan? Man verfolgte die Kritiker von Wirecards Geschäftsgebaren, statt sich die Buchhaltung von Wirecard mal genauer anzuschauen. Gut, wir können jetzt im Nachhinein auf die Behörden wie die BaFin schimpfen. Aber es ist nun mal deren Aufgabe Aufsicht auszuüben, und nicht die von Journalisten oder Kommentatoren.

Und wieder einmal steht der Teflon-Bundesfinanzminister Olaf Scholz, an dem die G20-Krawalle, mögliche CumEx-Mauscheleien, sinnfreie Steuergesetze uvm abzuperlen scheinen, im Fokus der Kritik. Denn die Finanzaufseher der EU (ESMA) haben sich die Wirecard-Pleite angeschaut, und die Rolle von BaFin (Olaf Scholz unterstellt) sowie der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) hinterfragt. Und das Urteil ist alles andere als gut – es ist eine Offenbarung des Versagens.

Einflussnahme aus Berlin auf die BaFin?

Man könnte auch sagen, so wie es BaFin-Chef Felix Hufeld (sinngemäß) unlängst sagte… zuständig waren wir nicht, und Befugnisse hatten wir auch nicht, und überhaupt… Die ESMA kritisiert in ihrer heutigen Veröffentlichung (das Papier hat insgesamt 189 Seiten) unter anderem, dass die BaFin auffällig oft Bericht erstattete an das ihr übergeordnete Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz. In einigen Fällen habe die BaFin das Ministerium kurz zuvor informiert, bevor man Maßnahmen gegen Wirecard einleitete. Gab es gezielt Einfluss aus Berlin? Unklar. Jedenfalls formuliert die ESMA es so, dass es ein „erhöhtes Risiko der Einflussnahme“ durch das Finanzministerium gegeben habe.

Versagen bei BaFin und DPR

Auch moniert die ESMA, dass es mangelnde Informationen gegeben habe über die Aktiengeschäfte der BaFin-Mitarbeiter. Dies nähre Zweifel über das Funktionieren interner Kontrollsysteme bei der BaFin (gab es die überhaupt?). Es gehe um die Frage, wie unabhängig und unbeeinflusst die Behörde und ihre Mitarbeiter vom Finanzministerium und von zu überwachenden Unternehmen seien. Auch kritisiert die ESMA bei der BaFin und DPR die Nichtauswahl oder nicht rechtzeitige Auswahl von Wirecards Jahresabschlüssen zur Prüfung aufgrund von möglichen Risiken, im Zeitraum zwischen 2016 und 2018.

Der Umfang der Prüfungen der DPR sei weder auf Bereiche eingegangen, die für die Geschäftstätigkeit von Wirecard von Bedeutung waren, noch auf die von Medien und die gegen Wirecard erhobenen Whistleblowing-Vorwürfe. Und die durchgeführten Analysen und ihre Dokumentation seien unzureichend gewesen. BaFin und DPR haben laut ESMA nicht das gleiche Verständnis, welche Rolle und Möglichkeiten man habe. Die BaFin sei demnach nicht in der Lage gewesen die Arbeit der DPR überhaupt grundlegend zu bewerten und auf dieser Basis zu entscheiden, ob sie die Untersuchung von Bilanzen von Wirecard an sich ziehen solle. Im Klartext: Totales Versagen!

Im Hinblick auf ihre jeweilige Rolle bei Hinweisen auf Betrug in der Rechnungslegung sind BaFin und DPR laut ESMA in der Wahrnehmung der gegenseitigen Rolle, der Grenzen und Möglichkeiten, die beide im Rahmen des Kontrollsystems haben, nicht aufeinander abgestimmt. Die strenge Vertraulichkeitsregelung, an die beide Institutionen gebunden sind, könnte den Austausch relevanter Informationen zwischen ihnen sowie mit anderen relevanten Stellen behindert haben. Und es gebe laut ESMA Fälle mangelnder Koordinierung und Ineffizienz beim Informationsaustausch zwischen den zuständigen Teams innerhalb der BaFin.

Die ESMA kommentiert als Headline-Aussage zu ihrem Bericht, übersetzt auf Deutsch: „Der Wirecard-Fall hat einmal mehr deutlich gemacht, dass eine qualitativ hochwertige Finanzberichterstattung für die Aufrechterhaltung des Anlegervertrauens in die Kapitalmärkte und die Notwendigkeit einer konsistenten und wirksamen Durchsetzung dieser Berichterstattung in der gesamten Europäischen Union von wesentlicher Bedeutung ist. Der heutige Bericht zeigt Mängel bei der Überwachung und Durchsetzung der Finanzberichterstattung von Wirecard auf. Die Empfehlungen des Berichts können zur Überprüfung des deutschen Aufsichts- und Durchsetzungssystems beitragen.“

BaFin Zentrale in Bonn
Haupteingang bei der BaFin in Bonn. Foto: © BaFin



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