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Eurozone: Umverteilung statt Eigenverantwortung

Wer selbst nicht gezwungen ist ordentlich zu haushalten, wird es auch kaum tun. Und wer sagen kann, dass alle gemeinschaftlich verantwortlich sind, der hat ein noch viel bequemeres Leben. Denn der Spruch „alle sind verantwortlich“ bedeutet zu guter letzt, dass keiner verantwortlich ist. Alle können sich hinter dem großen Topf beziehungsweise einer zentralen Institution verstecken.

Das ist das grundlegende Problem in Europa. Die Südländer drängen die gesamte EU und vor allem die Eurogruppe immer stärker zu immer mehr zentralisierten Institutionen. So ist sogar unser Finanzminister Olaf Scholz grundsätzlich für eine europäische Arbeitslosenversicherung. Sie wird also vermutlich irgendwann kommen. Das Problem: Weil wir über dem Schnitt liegen und viele Südländer weit unter dem Schnitt bei der finanziellen Unterstützung von Arbeitslosen, werden sich die Südländer deutlich verbessern beim Zugriff auf Mittel, die aus einem großen Topf gespeist werden. Zahlen müssen es diejenigen, die bislang ein deutlich höheres Niveau hatten.

Ähnlich verhält es sich auch bei Stabilitätsmechanismus „ESM“, der ja aus europäischen Steuergeldern gespeist wird, und nicht aus Luft. Vor wenigen Tagen hatten die Europartner beschlossen eben diesen ESM weiter auszubauen. Er kann zukünftig auch dem Bankenabwicklungsfonds der Eurozone Kredite gewähren. Das heißt in der Realität: Linke Tasche, Rechte Tasche! Letztlich bastelt man sich immer mehr zentralistische Organisationen auf europäischer Ebene (ESM, Abwicklungsfonds, Arbeitslosentopf, Einlagensicherung etc). Die Gelder kommen nicht aus der Luft, sondern aus Steuergeldern der Bürger, oder aus Umverteilungen bisher nationaler Einrichtungen.

Es handelt sich um einen massiven Drang der Südländer, dass mehr Umverteilung von Norden nach Süden stattfindet also ohnehin schon. Nur man nennt es nicht Umverteilung, sondern bastelt sich jede Menge Fonds, Töpfe, Rettungsschirme etc. Aber es ist und bleibt eine große Umverteilung. Der Vorteil für Südländer wie Italien: Im Notfall fließt dann immer Geld aus dem Norden. Das entbindet die Krisenstaaten aus der Eigenverantwortung vernünftig haushalten zu müssen. Der Konstruktionsfehler des Gesamt-Komplexes Europa besteht darin, dass Akteure wie Angela Merkel nur im Sinne einer gesamteuropäischen Staatsraison das Gebilde zusammenhalten wollen. Ein weiteres Zerbrechen Europas nach dem Brexit soll verhindert werden. Also werden Italien und Co letztlich das bekommen, was sie haben wollen – nämlich mehr Geld.

Auch wird ja gerade über ein eigenes Extra-Budget für die Eurozone gesprochen. Dann gäbe es den nächsten „Topf“, aus dem heraus Geld umverteilt werden kann. Der ESM ist derzeit das prominenteste Beispiel einer großen Umverteilung, die immer weitere voranschreitet. Deutschland zahlt mit seinen Steuerzahlern den größten Einzel-Anteil, aber der Großteil möglicher Rettungsgelder geht natürlich in potenzielle Krisenländer wie Italien. Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es so kommen wird!

Das ifo-Institut hat zahlreiche Ökonomen zu dieser Politik der Eurogruppe befragt. Mehrheitlich sehen die Ökonomen diese Umverteilung von Norden nach Süden sehr kritisch, weil sie (wie wir es auch sagen) die Krisenländer aus der Eigenverantwortung entlässt, selbst den eigenen Laden in Ordnung zu bringen. Hier auszugsweise aus der heutigen ifo-Veröffentlichung:

Im neuen ifo Ökonomen-Panel äußern 56 Prozent, sie seien nicht zufrieden mit den Reformen. Nur 29 Prozent zeigten sich zufrieden, der Rest war unentschlossen. Diesmal nahmen 124 Professoren an der Befragung teil.

Eine Mehrheit der Professoren ist auch nicht überzeugt davon, dass die jüngsten Beschlüsse die Währungsunion krisenfester gemacht haben. Nur 20 Prozent der Befragten glauben das. Etwas mehr glauben dies nicht, die verbleibende Mehrheit ist gespalten. Eine relative Mehrheit befürwortet den Ansatz, den 14 deutsche und französische Ökonomen Januar vorgestellt haben, in der Währungsunion mehr Risikoteilung und mehr Marktdisziplin in Einklang zu bringen. Zu den Volkswirten gehörte auch ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung, die manche Länder wünschen und die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auch befürwortet, stößt bei den Ökonomen überwiegend auf Skepsis. 60 Prozent fürchten, dass eine solche Euro-Arbeitslosenversicherung bei den Mitgliedsländern zu Fehlanreizen führen kann. Eine sehr große Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass die Probleme einiger Euroländer aus strukturellen Fehlentwicklungen resultieren, die nicht durch finanzielle Transfers gelöst werden können.

Die Meinungen zur Währungsunion sind gespalten. Einige hadern ganz grundsätzlich mit der Euro-Konstruktion, andere sind bereit, den französischen Weg zu gehen. Isabel Schnabel von der Universität Bonn, Mitglied des Sachverständigenrats, befürwortet die beschlossenen Reformen: „Ich begrüße die aktuellen Beschlüsse zur Reform der Währungsunion. Hierdurch wird die Schlagkraft des Bankenabwicklungsfonds erhöht, und eine geordnete Restrukturierung von Staatsschulden wird erleichtert.“ Sorgen bereite ihr der nach wie vor zu enge Risikoverbund zwischen Banken und Staaten. Dagegen zeigt sich der Gießener Finanzwissenschaftler Wolfgang Scherf unzufrieden über die Richtung, in die sich die Eurozone entwickelt:. „Mehr Zentralismus ist keine Lösung für die Probleme der Eurozone, mehr Selbstverantwortung dagegen schon.“ Der Kieler Ökonom Rolf Langhammer schreibt: „Alle Reformvorschläge kranken an dem politisch begründeten Unvermögen, fehlende nationale Fiskaldisziplin wirkungsvoll sanktionieren zu können. Das können letztlich nur die Finanzmärkte über Risikozuschläge auf nicht nachhaltiges nationales Finanzgebaren.“

Und Gabriel Felbermayr vom ifo Institut, der designierte Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, kritisiert: „Besonders irritierend ist die politische Diskussion um ein Eurozonen-Budget. Solange nicht klar ist, welche öffentlichen Güter damit finanziert werden sollen, ist das Gerede um einen europäischen Finanzminister und um EU-Steuern wenig zielführend.“

Eurozone
© European Union, 2015 / Source: EC – Audiovisual Service / Photo: Christophe Maout



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1 Kommentar

  1. Das ist der Anfang vom Ende der EU in ihrer heutigen Form.

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