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Evergrande – wird Chinas Führung die Pleite zulassen?

Rettet China Evergrande?

Kleines Beben an den Weltbörsen – sicherlich mitverursacht durch die drohende Pleite des zweitgrößten Immobilienentwicklers in China, Evergrande, der zu großen Sorgen an den Kapitalmärkten geführt hat. Sofort war die Erinnerung an die Lehman-Krise in aller Munde, denn 305 Milliarden nicht mehr bedienbarer Anleiheschulden sind wahrlich kein Pappenstil. Systemische Risiken könnten vor allem am Markt für Junk Bonds zu großen Probleme führen. Doch wird es Chinas kommunistische Führung dazu kommen lassen?

Evergrande: Das Ende eines Immobilienbooms auf Pump?

Die aus China kommen den Zahlen zu Evergrande klingen für unsere Verhältnisse erst recht bedrohlich. Schließlich handelt es sich beim Reich der Mitte um ein Land mit 1,44 Milliarden Menschen, in dem es bereits über 110 Städte mit über einer Million Einwohner gibt. Nach der Finanzkrise 2009 hatte China mit großen Infrastrukturprojekten einen Bauboom ohnegleichen initiiert, allerdings in nicht unerheblichem Maße am Bedarf vorbei. Recht oft bekam man Bilder von Geisterstädten ohne Bewohner zu sehen. Die Schuldenaufnahme steigerte sich im Lauf der Jahre immer mehr mit aberwitzigen Preissteigerungen in Chinas Metropolen, wie sie es nur in einigen westlichen Metropolen gibt.

Für viele Chinesen ist die Immobilie das große Ziel zum Wohlstand, etwa drei Viertel des Volksvermögens wurde in diese Anlageklasse gesteckt.

Die Extremzahlen mit den 1,4 Millionen noch nicht fertig gestellten aber finanzierten Wohnungen, den 1300 Immoblienprojekten einer Firma mit 200.000 Mitarbeitern wurde auf FMW schon ausführlich berichtet.

Evergrande drückt eine Schuldenlast von umgerechnet über 300 Milliarden Dollar, bei denen der nächste Schuldendienst in diesen Tagen fällig wird. Dieser Schuldenberg kommt nicht aus heiterem Himmel, er wuchs von 265 Milliarden Dollar (2019), über 299 Milliarden, bis auf die aktuelle Höhe und war den Offiziellen in Peking bekannt.

Aber es ist nicht Evergrande allein, das von den Schulden erdrückt wird. Andere Unternehmen, wie der Immobilienentwickler China Fortune Land, Guangzhou R+F oder Sinic Holdings gerieten an den Börsen mächtig unter Druck. Das zuletzt genannte Unternehmen aus Shanghai verlor am Montag an der Börse 87 Prozent an Kurswert und musste vom Handel ausgesetzt werden.

Aktuell wurde bekannt, dass die Zahl der Wohnungs- und Landverkäufe in verschiedenen chinesischen Städten in den ersten drei Septemberwochen um 25 bis 44 Prozent unter den Vorjahreswert abgesunken ist. Laut der japanischen Bank Nomura sei der Wert der Transaktionen im August im Jahresvergleich um 64 Prozent und in den ersten drei Septemberwochen bereits wieder um 43 Prozent gefallen.

Bei einer derart schnellen Abschwächung des Immobiliensektors, würde dies „einen schweren Schlag für das Wachstum und die Staatseinnahmen bedeuten“, so die Investmentbank.

Chinas kommunistische Führung in Peking machte bisher keine Anstalten zu intervenieren, dennoch stellt sich die Frage, ob man tatsächlich eine systemische Krise am Immobilienmarkt zulässt, auf dem Markt, der für etwa ein Viertel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts verantwortlich ist.

Eine Pleite mit Schockwellen im internationalen Finanzsektor?

In den letzten Jahren war ständig die Rede vom Zweikampf zwischen den USA und dem Aufsteiger China um die wirtschaftliche Vormachtstellung auf diesem Globus. Viele Ökonomen berechneten schon das Jahr in dem das aufstrebende Land in Fernost mit seinem üblicherweise mindestens sechs Prozent jährlichen Wachstums, den Platzhalter von der Spitze verdrängen wird. China bot den USA im großen Handelskonflikt die Stirn, besorgte sich weltweiten Zugang zu Rohstoffquellen und trieb das Projekt „Große Seidenstraße“ voran. Die Wachablösung wurde akribisch vorbereitet.

Doch wird jetzt die chinesische Führung mit der Pleite des Immobilienentwicklers Evergrande eine systemische Krise mit einem Zusammenbruch des chinesischen Immobilienmarktes durch viele Anschlusspleiten riskieren?

Wäre dies nicht eine gewaltige Blamage für das kommunistische System, welches in den letzten Jahre immer wieder auf die Überlegenheit der eigenen Planwirtschaft hingewiesen hat?

Wie wäre es zu erklären, dass man in einem Überwachungsstaat nicht erkannt hat, wie ein schuldenfinanziertes System völlig ausufert, obwohl man doch sonst jeden Bürger, jede Firma auf Linie hält, mit Millionen Überwachungskameras (und Social Scoring), mit der Zensur des Internets und dann würde man Exzesse in der großen Wirtschaft nicht mitbekommen?

Sieht man derzeit nicht beim Kampf gegen Covid-19, wie versucht wird die totale Kontrolle zu gewinnen (null Toleranz), andererseits jegliche Aufklärung seitens des Auslands über den Ursprung des Virus (Wuhan, Forschungslabor) unterbindet, um keine Fehler zugeben zu müssen. Kaum Zusammenarbeit mit dem Ausland, auch nicht mit der WHO.

Sollte man jetzt tatsächlich bei der Krise im Immobiliensektor tatenlos zusehen, die Auswirkungen in der ganzen Welt haben könnte?

Natürlich war China in letzter Zeit dabei, den Oligarchen des Landes mit ihren milliardenschweren Firmen Grenzen aufzuzeigen. Denkzettel dafür zu verpassen, weil diese zu groß, zu mächtig, zu unabhängig geworden sind und glaubten sich dem Einfluss der Regierung entziehen zu können. Aber man spürte das Bemühen dabei, die Techwerte nicht zu zerstören oder zu stark zu beeinträchtigen. China braucht ausländische Investoren, die ausländischen Märkte und ein gewisses Vertrauen in den chinesischen Kapitalmarkt. Klar betreibt der auf Lebenszeit gewählte Xi Jinping eine Rückkehr in alte politische Gepflogenheiten, aber dann ein chinesisches „Lehman“ statuieren? Wo die kommunistische Partei den Bürgern des Landes versprochen hat das verfügbare Einkommen binnen eines Jahrzehnts zu verdoppeln. Da darf man den Immobiliensektor nicht crashen lassen.

Auf den Spott des Westens bräuchte man dann auch nicht allzu lange warten. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage wird bald gegeben werden (müssen).



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6 Kommentare

  1. …da es gesehen wurde seitens der chinesischen Regierung ist meine Annahme, dass es so gewollt ist…eventuell sind viele ausländische Kapitalgeber vorhanden (das weiß ich allerdings nicht)…da ist das mit der Geldvernichtung nicht ganz so wild…eventuell so wie mit Didi (an die Börse gegangen und einen Tag danach kam der chinesische Staat…klingt nach Geld aufsammeln)…ich denke es ist gewollt…alle westlichen Mächte betten sich mit viel Geld so weich wie möglich…der Aufprall wird aber dennoch hart sein…es ist eine suspekte Gemengelage…zur Lehmann Krise hat China den Amis noch geholfen, da es auch für die Chinesen wichtig war die Amis am Laufen zu halten…umgekehrt ist das jetzt nicht so…die Amis haben kein Interesse die Chinesen ggf. zu unterstützen…wie das wohl ausgehen mag…hoffentlich nicht der Vorabend eines Krieges…

    1. der von mir vermutete Vorabend eines Krieges ist nun wahr geworden, allerdings an einer ganz anderen Front als damals gedacht…sehr traurig…

  2. Gute Analyse. Selbst wenn die chinesische Führung einspringt, wird immer noch entscheidend sein wie sie das tut. Beispielsweise könnte ein Bail Out auch so strukturiert werden, das Anleiheninhaber und Aktionäre gar nichts kriegen, dann sind die Schockwellen genau so groß wie bei einem unkontrollierten Default.

  3. Hochschule für Druck und Blastechnik

    Die Schinesen haben von den Amis gelernt.Bei der 08-er Immokrise in den USA haben viele Auslandbanken Verluste gemacht und die Amibanken haben sich schnell wieder erholt. ( Die UBS musste sogar vom Staat gerettet werden) .Die Ratingagenturen haben dabei eine miese Rolle gespielt.So wie die Amis damals werden sicher auch die Chinesen eine Lösung finden,die hauptsächlich Ausländer belastet.Die Chinesen haben jetzt bewusst überall Luft rausgelassen und sind ein Stück weit geläutert und der Zinsmarkt funktioniert nach wie vor.Jetzt kann man gespannt sein wie die Westler mit ihrer DREIFACHBLASE diesen Dämpfer wegstecken.
    Das Verrückte an der Blasentechnik: Wenn man das Platzen verhindern will wird sie noch grösser. Diese Grundkenntnis müssen die Notenbänker leider noch lernen.

  4. Wenn Sie Evergrande Pleite gehen lassen, ist der böse Kapitalismus Schuld daran und man könnte diesen verteufeln und für kommunistische Ideale trommeln.
    Dies wäre nicht die schlechteste Strategie das Volk hinter die Partei zu bekommen für weitere interventionistische Schritte gen Osten.
    Wie oben bereits ein Kommentar schreibt, würde es den Feind im Westen weitaus härter treffen, würde man die Pleite zulassen.

  5. MMT das tut bald weh

    Stiller User hat recht, wenn die Chinesen schon bewusst grosse Techfirmen zerschlagen um sie nicht zu mächtig werden zu lassen ,werden sie nicht mächtige Betongoldkönige retten.Sie werden höchstens einheimische Kleinanleger retten um den sozialen Frieden zu erhalten.Ausländische Investoren können in die Röhre gucken.Vielleicht ist das jetzt nach dem Pandemiekrieg der neue Finanzkrieg, die Pandemie kam doch anscheinend auch aus China.
    Gruss an Roberto, zum Glück bist du in Deutschland und nicht in China, da geht man nicht so rabiat vor, da werden die Immobesitzer nur ganz langsam enteignet.
    P.S . Die MMT Befürworter könnten einmal nachdenken, ob solche Hypes wie in den chinesischen Immobilien etwas mit dieser neuen Theorie zu tun hat.

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